Der Kriegsdienstverweigerer Franz Jägerstätter wird nahe auf seinem entschiedenen Weg, der zum Leidensweg wird, begleitet. Wie ein heutiger Christus steht er für seine Wahrheit vor dem Richter, vor der Familie und dem Dorf, wird verspottet, gefoltert, verachtet, verlassen von seinen Nachbarn: „Eine Schande, du bist gegen die Nation! Eine Sünde ist das!“ Und , ziemlich aktuell: „Die Ausländer überfluten uns, wir müssen uns dagegen wehren!“, sagt der betrunkene Bürgermeister. Schon lange hat es keinen so glaubhaften und aktuellen religiösen Film gegeben.
Jägerstätter trifft auf eine Unmenge von Stimmen, die ihn mit durchaus nachvollziehbaren Gründen von seinem Weg der Wahrheit und Gerechtigkeit ( „Dürfen wir das tun? Andere Länder mit Krieg überziehen?“) abbringen wollen: „Niemand wird an diese Tat denken! Sie bringt nichts, sie ändert nichts! Sie sind hochmütig. Sie haben nicht das Recht dazu, sich gegen die Ordnung, gegen die Nation, ja gegen Gott zu stellen“, der doch Garant dieser Ordnung ist. Allen diesen Versuchungen begegnet die Gestalt von Franz Jägerstäter im Film mit ruhiger Gelassenheit und Klarheit. Er fühlt sich verpflichtetet, das in seinem Gewissen als richtig Erkannte auch zu tun und ist bereit, dafür viele Schläge einzustecken.
„Seht, was die Liebe tut, seht das Lamm!“
Er behauptet nicht, es sei Gottes Wille – man erkannt aber sein Ringen, sein Beten, die Psalmen, die immer wieder wie Klagen gesprochen werden. Als er sich auf seinen Opfergang macht, erklingt drastisch und deutsch der Beginn der Matthäuspassion von Bach: „Seht, was die Liebe tut, seht das Lamm!“ Er selbst wird diesen Weg bis zum bitteren Ende gehen und dabei auch arme Mitgefangene trösten. Besonders die lang anhaltenden Gefängnisszenen, in denen Menschen geschunden werden, sind für den Betrachter schwer zu ertragen. Kontrastierend dazu: Jägerstätter als der gute Hirte mit seinen Schafen auf der Alm oder in den Armen seiner geliebten Frau. Unsere Jesusgestalt war verheiratet!
Seine Frau Franziska hält zu ihm. Hier durchzieht den Film eine tiefe Liebesgeschichte, die beide fest aneinander bindet: „Was auch geschehen mag!“ Trotz aller Not und der eigenen Verzweiflung angesichts der drei Kinder, der Arbeit auf dem Hof und der erlittenen Ausgrenzung im Dorf, steht Franziska am Ende zu seiner Entscheidung, trägt sie mit, ja empfiehlt ihren Mann in diesem Moment Gott selbst an: „Du liebst ihn mehr als ich.“ Einer der stärksten Sätze in diesem ansonsten eher wortarmen, dafür aber bildgewaltigen, emotional starken Film.
Steile Felsen, rauschende Bäche, Gewitter in den Bergen und tiefe Wälder
Gott kommt nicht vor – zum Glück –, ist aber durch eindringliche und überwältigende Landschaftsaufnahmen, steile Felsen, rauschende Bäche, Gewitter in den Bergen und tiefe Wälder in alttestamentlicher Bildsprache immer wieder gegenwärtig, fast spürbar. Dazu kommen Einstellungen auf religiöse Symbole am Weg und daheim. Ein tiefer Blick auf das Kreuz genügt, ein gemurmeltes kurzes Gebet. „Ich male ihnen einen harmlosen Christus“, sagt der Kirchenmaler nachdenklich, und dann: „Vielleicht male ich irgendwann aber doch den wahren Christus, den sie kaum ertragen können …“ Der Zuschauer denkt an dieser Stelle schon an das Geschick von Jägerstätter selbst.
Gott bleibt über weite Strecken hinweg ein Dialogpartner, der gesucht wird, ohne direkt zu antworten. Die kirchlichen Autoritäten bleiben hingegen weit hinter den Erwartungen von Jägerstätter zurück: „Der Bischof fürchtet sich!“, sagt er nach einem enttäuschenden Gespräch und auch der Ortspfarrer hat erschreckend wenig zu sagen, möchte ihn vor allem von seinem Gewissensentscheid abbringen.
„Aber ich bin doch frei!“
„Niemand wird sich an Sie erinnern“, heißt es mehrfach im Film. Dieser Film widerlegt das. Im Jahr 2007 wurde Jägerstätter von Papst Benedikt XVI. seliggesprochen: am österreichischen Nationalfeiertag (26. Oktober). Sein Gedächtnis wird bleiben und sich ausbreiten. „Wenn du keine Angst mehr vor dem Tod hast, eröffnet sich ein neues Licht für dein ganzes Leben, eine ganz neue Freiheit“, sagt er während seiner Haft. Der Hinweis auf Gottes neue Befreiung bleibt am Ende als Hoffnung bestehen. Als der Anwalt ihn noch in der Todeszelle zum Unterschreiben drängen will, damit er so seine Freiheit erhalten würde, antwortet Jägerstätter ganz ruhig: „Aber ich bin doch frei!“
Von Stefan Taeubner SJ