„Ihr seid Fake News!“, giftete Donald Trump gegen den Sender CNN zu Beginn des neuen Jahres und weigerte sich, Reporterfragen zuzulassen. In einer Zeit, in der das „Postfaktische“1kontrovers diskutiert wird, scheint das Phänomen der „Fake News“ auf ein gesamtgesellschaftliches Problem hinzuweisen. Mitnichten tangiert es nur die (Politik der) USA. Seitdem Trumps Spitzen-Beraterin Kellyanne Conway mit dem Begriff „alternative facts“ aufhorchen ließ, herrscht endgültig Verwirrung und allen voran Verwunderung über den Realitätssinn und die demonstrative Vereinnahmung von Fakten durch bestimmte Gruppen.
Vor allem aber dürfte damit ein grundlegender Wandel im Umgang mit Fakten und Nachrichten evident geworden sein. Fakten scheinen nicht mehr „hart“ zu sein, sondern vielmehr „situationselastisch“, um erneut ein Wort des Jahres zu bemühen (2014 in Österreich). Dabei sind reine Fakten alleine nicht dazu da, um Menschen zu überzeugen, erst mit ihrer Interpretation lassen sich Bewertungen schaffen, die politisch wie gesellschaftlich bedeutsam sind. Dass einzelne Gruppen die Interpretation von Fakten zu steuern versuchen, muss alarmierend genug sein. Dass sie uns dabei auch noch vormachen wollen, es gilt das in den 1980er-Jahren im politischen Diskurs aufgekommene „Perception is Reality“ (Lee Atwater), müsste einen Aufschrei der aufgeklärten, demokratischen Öffentlichkeit erzeugen.
„Gefühlte“ Wahrheiten aus Bequemlichkeit
Emotionen statt Tatsachen, Ängste statt Aufklärung, Glauben statt Informieren - im „postfaktischen Zeitalter“ der gefühlten Wahrheiten herrscht zunehmend Unsicherheit2. Die sozialen Medien erlauben eine nie da gewesene Individualisierung der öffentlichen Kommunikation: Das Kommunizieren wird einfacher, direkter, persönlicher, spontaner - damit erscheint zugleich das Erfahrene und Gefühlte bedeutsamer. Die subjektive „gefühlte“ Realität tritt immer stärker in den Vordergrund. Fakten hingegen erscheinen, ja überhäufen den Konsumenten in immer komplexer werdenden Zusammenhängen, zudem nimmt ihre Menge (bei gleichzeitig unkomplizierter Verfügbarkeit) stetig zu. Martin Tschechne wirft hier folgende Fragen auf, um sie sodann zu bejahen: „Postfaktisches Denken also als Sparmaßnahme zur Ökonomisierung der Denkarbeit? Als Notwehr gegen eine Überfülle an Informationen?“3
Wenn sich der öffentliche Diskurs nicht um diese Fragen dreht, droht er am Kern des Problems vorbei zu gehen, denn eine Gesellschaft kann mitnichten akzeptieren, dass das Postfaktische zur bequemen, alternativlosen Antwort auf die Komplexität von Informationen ausgewachsen ist. Sind Tätigkeiten wie das Beschaffen, Filtern und kritische Prüfen von Informationen sowie politisches Partizipieren tatsächlich unattraktiv geworden? Ist die Netzgemeinde gar zu einer „Nichtwissenwollengesellschaft“ geworden, wie in der „Neuen Züricher Zeitung“ jüngst zu lesen war? Tschechne führt die Problematik mit dem Verweis auf den Psychologen und Nobelpreisträger Daniel Kahneman weiter aus: „Ein jeder kümmert sich um das, was er überblickt und begreift, alles andere lässt er eben liegen. Wo sich Lücken auftun, werden sie gefüllt mit Meinung, Hörensagen und Vorurteil.“4
Sich zurückziehen und bestätigt fühlen: Filterblasen
Für die Gesellschaft der USA, wo die sozial- wie medienwissenschaftliche Forschung zum Postfaktischen viel weiter ist als im deutschsprachigen Raum, konstatiert der in Stanford lehrende Literaturwissenschaftler Adrian Daub ähnlich ernüchternd: „Ein Segment der Wähler ist an der Realität einer komplexen, multikulturellen Weltmacht gescheitert und hat sich in eine Fantasiewelt zurückgezogen. Donald Trump ist ihr fleischgewordener Rückzug.“5
Rückzugs- und Bestätigungsmöglichkeiten bieten hierbei vor allem die viel genutzten sozialen Medien, über die man rasch Gleichgesinnte und auch sich selbst bestätigt findet in seiner Weltsicht - wozu also noch andere Sichtweisen, kritisches Nachfragen, Skepsis, Diskussionen und Verifizieren von Nachrichten? Zudem darf in sozialen Netzwerken im Schutze der Anonymität auch ordentlich Dampf abgelassen werden. Hier lässt die Bestätigung ebenfalls oft nicht lange auf sich warten. In diesen „Echokammern“, die in den USA als „Filter Bubbles“ schon länger benannt werden, muss man sich stark und vor allem wahrgenommen fühlen. Immer mehr liest man auch im deutschsprachigen Feuilleton von „Filterblasen“, Tschechne nennt sie „Gesinnungskapseln, deren Bewohner so etwas wie ein Hausrecht für sich beanspruchen - und deshalb besonders empfänglich sind für maßgeschneiderte Manipulation.“6
Der Rezipient: mobil, mitteilsam, sich selbst darstellend - und beeinflussbar
Freilich muss es bei der Debatte um die Wirkung von Fakten auch um das Publikum gehen. Der Kreis der Nachrichten-Konsumenten hat sich enorm gewandelt: das Zeitungs-Abo wird häufig abbestellt, News werden mehr und mehr über das Smartphone oder Tablet abgerufen. Dass die Beschäftigung mit dem einzelnen Text dabei deutlich kürzer und weniger intensiv ausfällt, liegt in der Natur der mobilen Nutzung - und wer prüft da schon eine Nachricht auf Echtheit, bevor er sie weiterschickt? Und wer weiß schon über Hacking, Trolls, Fake-Follower und (Social) Bots Bescheid?
Das Publikum wird heutzutage mehr denn je analysiert: Der einzelne „User“ hinterlässt Spuren im Netz, die als Daten gesammelt werden, damit er nach seinen Neigungen und Vorlieben bedient werden kann, ohne sich dabei selbst zu sehr anstrengen zu müssen („Micro-Targeting“). Das ist jedoch nur die eine Seite. Die andere ist weit problematischer, denn der Internet-Großkonzern weiß mit seiner Big-Data-Strategie auch um Formen der Beeinflussbarkeit, er hat den Rezipienten mit seinen Nutzungsgewohnheiten nicht nur vermessen, sondern er „kennt die Gefühle seines Publikums, Ängste und Bedürfnisse, und weiß, welches Angebot aus echten oder vermeintlichen Fakten darauf Einfluss hat.“7
Es wird sicherlich nicht darum gehen, kulturpessimistisch eine alarmierende Vorstellung von sich separierenden Teilgesellschaften durch die Dynamik von Filterblasen heraufzubeschwören. Auch wenn sich sowohl Publikum als auch die Art des Rezipierens gewandelt haben, ist doch seit dem Web 2.0 solide erforscht, dass es einem Großteil der User auch um Selbstdarstellung und ästhetische Prinzipien geht. Mehr denn je werden die sozialen Medien als Plattformen der Selbstinszenierung genutzt. Bereits das Teilen von Nachrichten im Netzwerk gehört zu den Mechanismen und zur Ästhetik der Selbstdarstellung („Impression Management“). Das Mitteilen von Privatem sowie die Art und Weise des Mitteilens wird als zentraler Bestandteil der Medienkommunikation immer wichtiger, das Diskutieren von Inhalten in sozialen Netzwerken hingegen verliert an Bedeutung. Bereits im Jahr 2000 stellte der Medienwissenschaftler Norbert Bolz dazu fest, „dass es im Internet nicht nur um die Suche nach Information, sondern viel mehr noch um die Lust an der Kommunikation geht. […] Je interaktiver ein Medium, desto marginaler die Information.“8
Geht es immer weniger um die Inhalte, mag es nicht verwundern, wenn der vereinnahmende Umgang mit Fakten durch zum Beispiel politische Gruppen und die Folgen daraus für viele User keine interessante Thematik oder gar nicht bewusst sind. Im Zuge der Medienerziehung gilt es, dieses Bewusstsein wieder zu schärfen.
Fake News: Lüge bleibt Lüge
Dazu gehört auch das Phänomen der absichtlichen Falschmeldungen im Netz, das nicht erst seit dem amerikanischen Wahlkampf bekannt ist und auch in Zukunft die Debatten noch befeuern wird.
Letztlich gilt es, die wie auch immer geartete und getarnte Deutung von Fakten für eigene Zwecke zu entlarven. Dabei von einem „kreativen Umgang“ mit Fakten zu sprechen, ist mehr als verharmlosend, eine Lüge auch als solche benannt werden. Dass nicht nur Trump lügt, sondern auch seine Berater und engsten Vertrauten, scheint zur Strategie populistischen Regierens zu gehören: die Bestätigung der Lüge gilt als Beweis der Loyalität, als Zustimmung und Verifizierung der Macht. Bereits 1963 stellte Hannah Arendt in einem Essay fest: „Lügen scheint zum Handwerk nicht nur der Demagogen, sondern auch des Politikers und sogar des Staatsmannes zu gehören. Ein bemerkenswerter und beunruhigender Tatbestand.“9
Der Tabubruch der Lügenverbreitung gesellt sich zur „Verrohung der Sprache“ („Hate Speech“) und „Verwilderung der Sitten“ wie zum Beispiel der langjährige Richter am Bundesverfassungsgericht, Udo di Fabio, beklagt. Was in Deutschland die AfD vorgemacht hat, segnet die neue amerikanische Regierung gerade durch ihren höchsten Repräsentanten ab: dass Fakten zur Verhandlungssache werden dürfen, je nachdem, wem und wie sie gerade zur Stimmungslage und ins Weltbild passen. Bemerkenswert und beunruhigend zugleich.
Es ist jedoch mehr als das Brechen von Tabus, geht vielen Adressaten von propagandistischen Fake News auch darum, gegen die Mechanismen des viel zitierten Establishment aufzubegehren - mit einfachen legalen Mittel. Die Demokratisierung der Möglichkeiten zum Manipulieren, scherzhaften Täuschen, strategischen Verleumden ist nicht von der Hand zu weisen. Lediglich ein paar Mausklicks und die Dynamik einer viel genutzten Plattform reichen aus, um nicht nur die Debatten-Kultur im Netz zu vergiften und Diskurs-Verzerrungen hervorzurufen. Das Falsifizieren, Richtigstellen, Aufklären hingegen dauert seine Zeit - und wird bei Weitem weniger beachtet, ist doch in der Zwischenzeit schon die nächste Falschmeldung im Gange und die vorangegangene tausendmal geteilt.
Der postfaktische Gedanke der kalkulierten Tatsachenverdrehungen beginnt Einzug zu halten in die politische Kultur. Damit wird er zugleich zu einer großen gesellschaftlichen Herausforderung.
Herausforderung 1: Demokratische Werte hochhalten - Zivilgesellschaft stärken
Wir dürfen nicht den Fehler machen, auf Menschen hereinzufallen, die meinen, ihre politische Mission bestehe darin, die Wahrheit zu okkupieren. Es gilt, skeptisch zu werden, wenn bestimmte Gruppen vorschreiben, was wir glauben müssen anstatt wissen können, und dabei zum Beispiel die Freiheit der Presse oder Medien attackieren, wie es im Falle Trump jüngst geschah. Dies sind in der Tat auch oft diejenigen, die sachliche Kritik an ihnen nicht akzeptieren und als Sabotage abtun.
Eine starke Zivilgesellschaft muss, anders als in der Türkei oder in Russland, die Werte einer liberalen demokratischen Ordnung mit aller Macht verteidigen und gerade jüngeren Bürgern deutlich machen: es gibt vor allem im Netz Bestrebungen von professionell auftretenden „Wahrheits-Managern, die das Desinteresse des Wahlvolks oder der konsumierenden Massen gegenüber den Tatsachen sehr sensibel aufgespürt haben und ihren Nutzen daraus ziehen.“10
Akademiker, Intellektuelle, eine breite Öffentlichkeit müssen mobil machen, wenn wissenschaftlich anerkannte Fakten beiseite geschoben oder ihre Bedeutung relativiert werden. Wenn seriöse Kritik nicht mehr Teil eines konstruktiven Dialogprozesses sein darf. Trumps Vorgänger im Amt wurde nie müde, die historisch verbrieften Werte in diesem Zusammenhang immer wieder zu betonen: „Wenn es uns nicht ernst ist mit den Tatsachen und damit, was stimmt und was nicht, wenn wir nicht unterscheiden können zwischen ernsthaften Argumenten und Propaganda, dann haben wir ein Problem.“11
Eine ehrliche Debatte über das Postfaktische ist nötiger denn je. Sie muss auch unbequeme Fragen aufwerfen, beispielsweise: Mit welchen politischen Strategien gelingt es in Deutschland bestimmten Gruppen, wie zum Beispiel der AfD, populistische Kurse aus anderen Ländern für sich zu nutzen12? Wie schafft sie es, über die Mobilisierung der Emotionen und das offensichtliche Negieren von Fakten Unterstützer aus der bürgerlichen Mitte zu gewinnen? Es müssen ferner Parallelen zum Trump-Kurs in aller Öffentlichkeit herausgestellt werden: zum extremen Formulieren, Zuspitzen und Provozieren, so die Devise von Höcke und Co., darf die Wahrheit jederzeit auffrisiert werden: was die USA-Regierung darf, kann AfD schon längst!
Herausforderung 2: Medienpädagogik - Fakten sind nicht gleich Wissen
Dass es genügend Menschen gibt, die „tatsächlich an so etwas wie eine wertfreie Wahrheit von Zahlen und vermeintlichen Fakten“ (Tschechne, 10) glauben, zeigt, dass Themen der Medienpädagogik und -kompetenz nicht nur in Feuilletons gehören, sondern bereits in den Unterricht der Grundschulen. Kritisches Denken im Umgang mit den Medien, Fähigkeiten zum Bewerten von Informationen, Reflexion unserer eigenen Mediennutzungs- und Konsumgewohnheiten werden zurzeit allenthalben gefordert. Zwar sind die Forderungen freilich nicht neu, müssen jedoch vor dem Hintergrund der Dynamik sozialer Medien neu definiert werden.
Zur Medienpädagogik gehört heute auch, Fake News als bewusste Desinformationen in destruktiver Absicht ernst zu nehmen, denen mündige Mediennutzer, seriöse Journalisten und die Politik Mittel entgegenzusetzen haben. Zudem muss eine Erziehung zur Medienkompetenz auf einen bedeutenden Aspekt genau hinweisen: Fakten und Wissen dürfen nicht gleichgesetzt werden. Fakten können, sofern als subjektiv bedeutsam bewertet, Teil des Konstruktionsprozesses von Wissen werden. Sie sind zunächst nichts anderes als Daten, der Rohstoff, der erst nach Relevanz sortiert, sodann komplex bearbeitet (durchdrungen und interpretiert) werden muss, um zu einem fertigen Produkt (Wissen) zu werden. Dieses verstehend-durchdringende Aneignen in einem durchaus anstrengenden, selbst gesteuerten Prozess erfordert eine aktive Haltung statt nur Konsumtion und wird häufig mit „googeln“ verwechselt.
Adrian Daub verweist auf das Buch des amerikanischen Philosophen Michael Patrick Lynch mit dem Titel „The Internet of Us: Knowing More and Understanding Less in the Age of Big Data“. Er beschreibt darin, „wie wir Fakten durch eine Google-Suche kaum noch entdecken, sondern nur noch down- und uploaden. Es ist ein rein mechanischer und kein reflexiver Prozess mehr. Was uns Google als Faktum präsentiert, ist womöglich keines, doch wir haben die Suchmaschine bereits dermaßen internalisiert, dass wir Wissen und Googeln gleichsetzen und ihr die Rolle eines Schiedsrichters zuschreiben.“13
Es ist jedoch vielmehr an uns, das von Suchmaschinen erhaltene Datenmaterial kritisch zu prüfen, zu bewerten und in den subjektiv bedeutsamen Kontext der Wissenskonstruktion zu integrieren. Medienkompetente, mündige Nutzer sind in der Lage, dies zu lernen, zu bewältigen und den Status von blanken Fakten („was“) zu erkennen und ihre Deutungen („wie“) miteinander zu vergleichen.
Herausforderung 3: Informationsethik - Algorithmen und Journalismus
Schließlich bedarf es einer breiten Debatte informationsethischer Fragen wie etwa: Inwieweit lassen wir Algorithmen als „Redakteure“ zu, um Falschnachrichten von wahren Gegebenheiten zu unterscheiden. Vielerorts wird an modernen Algorithmen geforscht, welche die Semantik von Falschmeldungen selbständig (also ohne menschliche Urteilskomponente) erkennen sollen. Adrian Lobe warnt davor, zu sehr auf Algorithmen zu setzen, um Fake News beizukommen: „Dass wir einer Maschine die Verifizierung von Fakten überantworten, zeigt, dass wir offensichtlich kein Vertrauen mehr in unseren Wahrheitsbegriff haben.“14
„Informationsethik als Schulfach“, so lautete zuletzt ein Vorschlag aus verschiedenen politischen Richtungen. Inhalte sollten technische Themen sein wie Algorithmen, Bots, Soziale Medien, aber auch medienethische Aspekte wie das Verschmelzen von Privatheit und Öffentlichkeit, vor allem die „persönlichen Öffentlichkeiten“, die Medienwissenschaftler seit dem Web 2.0 diagnostizieren und mit denen auch eine veränderte Rolle des Journalismus einher geht.
Ferner sollen journalistische und kommunikationswissenschaftliche Inhalte eine Rolle spielen, die deutlich machen, dass der Weg der Falschinformationen hin zum Rezipienten nun nicht mehr zwangsläufig über Journalisten vorgegeben ist: Mit einfachen Mitteln ist es grundsätzlich jedem möglich, Autor von Fake News zu sein, sie, redaktionell gesteuert, zu veröffentlichen und einem ausgewähltem Publikum zugänglich zu machen15.
Interessant wären hier sicherlich auch Vergleiche zu klassischen Journalismus-Formen, denn viele Fake News setzen auf die Macht von Spekulationen und Skandalisierungen - der Boulevard-Journalismus lässt grüßen. Die Prinzipien der reißerischen Sensationsüberschriften, Empörungen und Übertreibungen der großen deutschen Tageszeitung, die schon seit Jahrzehnten funktionieren, werden schlicht ins Digitale übertragen. Hinzu kommt die manipulative Kraft der Bilder, die bei Schönfärbereien auf der einen sowie Verteufelungen auf der anderen Seite gerne genutzt werden. Informationsethik intendiert letztlich, bewusst zu machen, dass Fake News und ein veränderter Umgang mit Fakten weder als Auswüchse von Social Media noch als Form von Edutainment missverstanden werden dürfen. Sie weist auf Strategien hin, die Gruppen benutzen, um Fakten für ihre Zwecke zu vereinnahmen.
Bequemlichkeit - auch im Präfaktischen - aufgeben
Wenn es das „Post-Faktische“ gibt, muss auch so etwas wie das „Prä-Faktische“ denkbar sein: wie sieht das Verhältnis von Fakten und Prognosen aus? Wie viel Geld wurde ausgegeben, um vor der Wahl Prognosen und Umfragewerte zu erstellen? Wer hat sich nicht alles als Experte ausgegeben, um schon im Voraus zu wissen, wie die Wahl ausgeht? Wie viele Meinungsforschungsinstitute sahen Hillary Clinton bereits als Siegerin, ehe die erste Wahlurne stand? Verlassen wir uns zu sehr auf das „Präfaktische“, also auf Spekulationen und Beurteilungen dessen, was erst noch geschieht? Vertrauen wir zu sehr auf vermeintliche Experten, nehmen wir wiederum eine passive Haltung der Bequemlichkeit ein? Johannes Röser konstatiert dazu: „Unsere Kultur hat sich in vielfacher Hinsicht […] im ,Präfaktischen‘ eingerichtet. […] Wir lassen uns die Welt machen, durch jene, die angeblich alles besser wissen.“16
Verlassen wir also die Bequemlichkeitszonen im Präfaktischen, lassen wir uns nicht „alternative Fakten“ präsentieren und alternativlose Handlungsanweisungen vorgeben. Werden wir aktiv, nutzen wir unsere Instrumentarien zum Faktenprüfen, reflektieren wir den eigenen Umgang mit Nachrichten in sozialen Netzwerken immer wieder kritisch.
Ein starker Schulterschluss von Medien und Öffentlichkeit, das Besinnen auf journalistische Prinzipien, klare Zeichen aus der Politik helfen jedem einzelnen medienmündigen Bürger dabei. Dieser soll skeptisch sein, wenn faktenalternative Gruppen Tatsachen ideologisch zu interpretieren versuchen.
Wenn das „Sapere aude“ Kants in einer aufgeklärten Gesellschaft gelten soll, muss unser selbst bestimmtes Handeln jenseits von medialen und digitalen Kompetenzen geprägt sein von Mut, Engagement und gesundem Menschenverstand. Nur gemeinsam - in der Kommunikation mit anderen abseits von Filterblasen - lassen sich Gründe eruieren, ob etwas stimmt oder falsch ist. Wir werden den Begriff „postfaktisch“ wohl nicht mehr los, jedoch können wir die Vorstellung dessen, was „postfaktisch“ ist, relativieren, indem wir Unwahrheiten weder verharmlosen noch legitimieren und Urheber von Fake News entlarven.