Haben junge Filmemacher heutzutage überhaupt noch ein Interesse, Filme über Gott, Religion oder Spiritualität zu machen? Wer das internationale Kurzfilmfestival „TIFF" besucht, ist immer wieder überrascht, wie vielfältig und tief die Auseinandersetzung zu diesen Themen bei den jungen Künstlern ist. Seit 2005 ist das „Iñigo Film Festival" der Jesuiten nicht mehr vom Weltjugendtag (WJT) wegzudenken. Iñigo ist der spanische Vorname des Ordensgründers Ignatius von Loyola (1491-1556).
Die (nach Köln und Sydney) nunmehr dritte Auflage des Filmfestivals unter der Leitung von Christof Wolf SJ stand unter dem Thema „City of God". Von den über eingereichten 100 Filmen hatte die Jury 18 ausgewählt, die in Madrid gezeigt wurden. Unter den eingesendeten Beiträgen befanden sich sowohl Spiel-, Animations- als auch Dokumentarfilme.
Warum engagieren sich Jesuiten für ein Filmfestival wie das TIFF? Durchgehend ist es für junge Kunstschaffende nicht leicht, eine öffentliche Plattform oder Geldgeber für ihre Projekte zu finden, besonders wenn es um Spiritualität oder Glauben geht. Daher können oft gute Filme nicht realisiert werden. Das „Iñigo Film Festival" will Öffentlichkeit schaffen und so ihre Arbeit würdigen. Die Organisatoren von TIFF versuchen, diese jungen Künstler zu ermutigen und zu bestärken, sich auf ihre eigene Weise mit dem Thema auseinanderzusetzen, um die kulturelle und gesellschaftliche Vielfalt des Wirken Gottes in der Welt zu veranschaulichen.
Damit wird dem jungen Publikum des WJT kreative und inspirierende Impulse zu diesem Thema gegeben. Schließlich können neben Begegnungen mit Menschen, religiösen Ritualen, der Natur, auch die Kunst (speziell auch der Film) helfen, „Gott in allen Dingen zu suchen und zu finden"; oder mit den Worten des verstorbenen Papstes Johannes Paul II. gesprochen: „Der Film erfreut sich einer großartigen Fülle von Sprachen, einer Mannigfaltigkeit von Stilen und einer Vielfalt von Erzählformen. … Er besitzt einen unvergleichbaren Schatz von Ausdrucksmitteln, um die verschiedenen Bereiche darzustellen, in die der Mensch sich befindet und um den unausweichlichen Ruf zum Schönen, Universellen und Absoluten zu deuten."
Die „Iñigo Awards" 2011 wurden an drei Kurzfilme vergeben - der erste Preis in der Höhe von 2500 Euro, der zweite in Höhe von 1500 Euro und der dritte Preis zu 1000 Euro. Es gab noch zwei weitere Preise: einen Publikumspreis („Audience Award") und den „The Fidel Goetz Emerging Film Maker Award" für den besten. Jeder Preis ist zusätzlich mit einer professionellen Software von Showbiz (Hollywood) ausgestattet.
Die Zusammensetzung der Einsendungen war wie bei den letzten beiden Malen auch dieses Jahr wieder bunt gemischt. Unter ihnen befinden sich sowohl spannende, nachdenklich stimmende, als auch witzige Geschichten und solche, die verunsichern. Die Filme geben einen faszinierenden Einblick in das vielfältige, kreative und inspirierende Schaffen junger Filmemacher aus der ganzen Welt, wie zum Beispiel: Sri Lanka, Polen, Deutschland, Israel, Pakistan, Kanada, Serbien, Japan, Australien und den USA.
Der erste Preis ging an „Smolarze" („Köhler") von Piotr Zlotorowiczis (Polen) - ein Meisterwerk des dokumentarischen Filmschaffens. Der Film zeigt den Alltag von Marek and Janina als Köhler in den Bergen von Bieszczady. Weit weg von der Zivilisation, passen sie ihren Lebensrhythmus der Natur an - eine visuelle Hymne auf die Schönheit der Welt inmitten eines harten Alltags. An der Erzählweise des Regisseurs spürt man dessen großes Vertrauen in die Protagonisten und die Kraft der Bilder. „Smolarze" zeigt, was Filme am Besten können: packende und emotionale Geschichten erzählen.
Der zweite Preis ging an „5 Minutes Each" („Jedes Mal 5 Minuten") von Vojin Vasovic (Kanada, Serbien, Montenegro), ein Animationsfilm, der eine Parabel auf die sprichwörtlichen „Fünf Minuten im Rampenlicht" erzählt. Er zeigt den Kreislauf von Aufstieg und Fall, wie auch die stetige Wiederholung dieses aufreibenden Prozesses. Mit viel Ironie wird vom Regisseur die vergebliche Sehnsucht der modernen Welt nach Ruhm und Ehre in Szene gesetzt.
Der dritte Preis ging an den Film „The Song of Wandering Eamonn" („Das Lied des Wanderers Eamonn") von Connor Heffernan (Irland / Großbritannien). Der alt gewordene Eamonn wandert durch die irische Landschaft und sinnt dabei über Leben und die wechselvolle Geschichte der katholischen Kirche von vorkonziliarer Zeit bis heute nach. Mit viel Poesie und leisen Tönen wird Eamonn quasi das „Katholische Bewußtseins" Irlands. Ein eindrucksvolles sensibles Portrait über den irischen Katholizismus in der Auseinandersetzung mit der modernen Welt.
Oft ist es für talentierte junge Filmemacher nicht einfach, professionelles Equipment für ihre Filme zu bekommen. Der „Fidel Goetz Emerging Film Maker Award" zeichnet den besten Nachwuchsregisseur aus und vergibt neben dem Reisestipendium für das Festival professionelle Schnittsoftware. Dieses Jahr ging der Preis an „Regrets" („Reue") von Shalini Tharmlingam (Sri Lanka). „Regrets" ist die Geschichte einer Frau, die sich eine Beziehung zu einem taubstummen Mann nicht vorstellen kann und deshalb diese Beziehung abbricht. Die Regisseurin Shalini Tharmalingam erzählt eindrucksvoll, daß Menschen mit Behinderungen vielfach versteckte Talente und ungewöhnliche Fähigkeiten haben.
Der Publikumspreis ging an „The Moment" („Der Moment") von Paddy Slattery (Irland). Der Regisseur, der selber im Rollstuhl sitzt, zeigt mit ergreifenden und berührenden Bildern die letzten Minuten eines sterbenden Mannes - eine feinfühlige und gefühlvolle Annäherung an eines der großen Tabus unserer Gesellschaft: den Tod.
Neben den Preisträgern gab es noch viele andere gute Geschichten, die nicht ausgezeichnet werden konnten. Zum Beispiel die eines kleinen Mädchens, das durch Dublin wandert und Erwachsene in einer ausweglosen Situation begegnet und für sie zum Engel wird; die Geschichte eines illegalen Einwanderers aus Vietnam, der gezwungen wird, Zigaretten auf dem Schwarzmarkt zu verkaufen oder die Geschichte einer Schwangerschaft, die sowohl aus der Perspektive des Fötus als auch aus der Perspektive der Mutter erzählt wird.
Das Filmfestival feierte dieses Jahr zum ersten Mal eine Weltpremiere. Der Film „I want to fly" („Ich will fliegen") aus Sri Lanka von Indrajith Mahawaduge kann bis heute nicht in seiner Heimat gezeigt werden. Der Regisseur erzählt sensibel die Geschichte eines homosexuellen jungen Mannes, dem es aufgrund sozialer Ächtung nicht möglich ist, mit der Person zusammenzuleben, die er liebt.
Der Erfolg von TIFF wäre nicht möglich ohne die großzügige finanzielle Unterstützung der Europäischen Provinzialskonferenz der Jesuiten, der deutschen Provinz der Jesuiten, der Schweizer Jesuitenprovinz, der Irischen, Britischen und Südbelgischen Jesuitenprovinzen, der Jesuitenmissionen in Nürnberg und Zürich sowie anderer institutionelle Unterstützer und Stiftungen. Die Reaktion des Publikums sowie der Filmemacher ermutigte Festivalleiter Christof Wolf (Loyola Productions München, Deutschland), mit dem „Jesuiten Oscar" (wie TIFF in der Presse genannt wurde) weiterzumachen - in zwei Jahren in Rio de Janeiro.