Fundamentaltheologie

Die Fundamentaltheologie ist jene Disziplin der Theologie, die sich die Grundfragen theologischen Nachdenkens stellt. Als Teil der Systematischen Theologie klärt sie die Voraussetzungen der Theologie und legt damit das Fundament, auf dem die Dogmatik den christlichen Glauben konkret entfaltet. Die Fundamentaltheologie führt – als „Außenministerium“ der Theologie – das Gespräch mit anderen Wissenschaften sowie anderen Weltanschauungen und verantwortet ihnen gegenüber ihren eigenen Standort.

Kirche auf einem Fundament aus Felsen
© Pixabay

Was ist Fundamentaltheologie?

In der Fundamentaltheologie beschäftigt sich die Theologie mit den grundsätzlichen Fragen ihres Fachs und damit mit ihren eigenen Voraussetzungen. „Gibt es Gott und ist er so, wie es der christliche Glaube lehrt?“ „Welcher Mehrwert an Erkenntnis über die Welt und den Menschen geht mit der Erkenntnis Gottes einher?“ Diesen Fragen stellt sich beispielsweise der Fundamentaltheologe Jürgen Werbick in seinem Buch "Gott verbindlich. Eine theologische Gotteslehre". Die Suche nach Antworten, die auch außerhalb des kirchlichen Raumes Plausibilität für sich beanspruchen können, gehört dabei zu den wesentlichen Zielvorgaben einer jeden Fundamentaltheologie.

Die im Begriff enthaltene lateinische Wurzel fundus („Bodengrund“) zeigt den besonderen Ort der Fundamentaltheologie innerhalb der Theologie an. In ähnlicher Weise betont der im evangelischen Sprachgebrauch übliche Ausdruck Prolegomena (griechisch: „vorher Gesagtes“) die Bedeutung dessen, was die Fundamentaltheologie für die Theologie insgesamt leistet.

Die Fundamentaltheologie ist auch die Disziplin, die den Dialog mit Vertretern anderer Weltanschauungen führt. Hier antwortet sie auf kritische Anfragen im Hinblick auf ihre eigenen Grundlagen und gibt – in der Auseinandersetzung mit nichtchristlichen und nichtreligiösen Alternativen – Auskunft über die Relevanz des christlichen Glaubens für eine gelingende Lebensdeutung und -gestaltung. Diese Orientierung lässt manche von der Fundamentaltheologie als dem „Außenministerium“ der Theologie sprechen. Die Philosophie empfiehlt sich dabei als der ideale Gesprächspartner für die Theologie. Die Herausgeber der Vierteljahresschrift für theologische und philosophische Forschung, "Theologie und Philosophie", fühlen sich diesem Gespräch in besonderer Weise verpflichtet.

Fundamentaltheologie versteht sich als (nicht im zeitlichen Sinne zu verstehende) Vorbereitung des Glaubens, insofern sie mit Rückgriff auf die Vernunft die Bedingungen klärt, unter denen die Glaubenswahrheiten als solche einsichtig werden können. Der Dogmatik und ihrer Entfaltung der einzelnen Glaubensinhalte dient die Fundamentaltheologie als Wegbereiterin. Sie steckt Grenzen ab und verhilft so der Vernunft zum Glauben. Dabei wird die Fundamentaltheologie fortwährend von der Herausforderung begleitet, das Verhältnis von Glaubensinhalt und Glaubensgrund – also die Voraussetzungen des Glaubens – zu bedenken. In seiner "Theologischen Methodenlehre" stellt Jürgen Werbick hierzu fest, „dass es fundamentaltheologisch wohl unmöglich geworden ist, mit wissenschaftlicher Konsequenz Argumente zu formulieren, die es als rational verantwortlich, ja unausweichlich erscheinen lassen, die zentralen Glaubensüberzeugungen zu teilen, noch ehe diese Glaubensüberzeugungen inhaltlich erschlossen wurden.“ Doch die bleibende Aufgabe und Würde der Fundamentaltheologie ist es – so abermals Werbick – zu zeigen, „dass der auf die Bezeugungen des guten Gotteswillens sich einlassende Glaube als rational-verantwortliche Lebensoption einleuchten kann.“

Entstehung und Entwicklung der Fundamentaltheologie

Schon in der Apologetik der Alten Kirche stellte sich die Theologie den kritischen Fragen ihrer Zeitgenossen nach ihren Denk- und Glaubensvoraussetzungen. Die folgende Passage aus dem Ersten Petrusbrief gilt allgemein als biblischer Ausgangspunkt dessen, was die Fundamentaltheologie leistet: „Seid allezeit bereit zur Antwort einem jeden gegenüber, der von euch Rechenschaft fordert über die Hoffnung in euch“ (1 Petr 3,15).

Eine einschneidende Etappe in der Entwicklung der Apologetik bildet die mit der Reformation einhergehende Konfessionalisierung. Mit ihr stellte sich die Aufgabe, die katholische Kirche als die authentische Form des Christentums zu verteidigen. Die Entdeckung der Neuen Welt im 15. Jahrhundert und die Konfrontation mit anderen Religionen machte die Rechtfertigung des christlichen Wahrheitsanspruchs umso dringlicher. Schließlich bescherte die Aufklärung mit der ihr eigenen religions- und christentumskritischen Tendenz der Apologetik neue Arbeitsfelder.

Daraus ergibt sich die klassische Dreiteilung der Fundamentaltheologie:

  • Dialog mit den Nichtglaubenden
  • Dialog mit den anderen Religionen
  • Dialog mit anderen christlichen Kirchen und Gruppierungen.

Die Geburtsstunde der Fundamentaltheologie als eigene theologisch-wissenschaftliche Disziplin fällt auf das Jahr 1856, als in Prag der Lehrstuhl für Apologetik in den Lehrstuhl für Fundamentaltheologie umbenannt wurde. Auf den ersten Lehrstuhl für Fundamentaltheologie an einer evangelisch-theologischen Fakultät wurde 1968 Gerhard Ebeling berufen.

Neuen Auftrieb erhielt die Fundamentaltheologie in den sechziger Jahren durch das Zweite Vatikanische Konzil und das in der Konstitution Dei Verbum enthaltene dynamische Offenbarungsverständnis.

In der päpstlichen Enzyklika Fides et Ratio von 1998 wird das Angewiesensein der Theologie auf die Philosophie betont, ebenso wie das prinzipielle Vermögen der menschlichen Sprache, (mittels Analogien) verständlich von göttlichen Dingen zu reden.

Themen der Fundamentaltheologie

Als theologische Prinzipienlehre befasst sich die Fundamentaltheologie mit den übergeordneten Themen Glaube und Vernunft, Glaube und Praxis, Glaube und Erfahrung.

Die Einzelthemen, in die sich diese Themenfelder aufgliedern, lassen sich gut an der einschlägigen Einführungsliteratur ablesen. Der Bochumer Theologe Markus Knapp beispielsweise behandelt im ersten Teil seines Buches "Die Vernunft des Glaubens" zunächst die Geschichte der Fundamentaltheologie, ausgehend von ihren Ursprüngen in der Apologetik der Alten Kirche. Nach einem Blick auf verschiedene Beiträge aus der katholischen und evangelischen Theologie entfaltet Knapp das Anliegen der Fundamentaltheologie, anhand des titelgebenden Begriffspaars „Glaube und Vernunft“ sowie der Wahrheitsfrage. Der zweite Teil befasst sich dann im Einzelnen mit den zentralen Themen der Fundamentaltheologie: Religion und Religionskritik, Offenbarung, Kirche, theologische Erkenntnistheorie und Theologie als Wissenschaft. Die Behandlung des Themenfelds „Kirche“ im Rahmen der Fundamentaltheologie zählt zu den Besonderheiten der katholischen Theologie.

Mit einem ausführlichen Literaturverzeichnis lädt die Einführung Knapps zur weiteren Beschäftigung mit dem Spannungsfeld aus Glaube, Vernunft und Wahrheitsfrage ein.

Einen Ausblick auf künftige, aus seiner Sicht noch nicht ausreichend bearbeitete Themenfelder, wie Musik und Film, gibt der Frankfurter Theologe Knut Wenzel in seinem Aufsatz "In Achtung vor den Menschen. Die Fundamentaltheologie in der Struktur ihrer gegenwärtigen Aufgaben" in der „Herder Korrespondenz“. Er plädiert darin für eine „fundamentaltheologische Aufmerksamkeit für die Kultur – verstanden als lebendiges Reservoir der Dokumente und Spuren menschlicher Selbst-Verständigungen“.

Das aktuelle Standardwerk zur Fundamentaltheologie stammt aus der Feder des Professors für Fundamentaltheologie an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt, Christoph Böttigheimer. Sein übersichtliches "Lehrbuch der Fundamentaltheologie" geht an den klassischen Themen Gott, Offenbarung und Kirche entlang und widmet sich dabei ausführlich der Theodizee-Frage („Atheismus im Namen des Leids“), der Ökumene, dem Spannungsfeld von Theologie und Naturwissenschaft, der Amts- und Papstfrage und der komparativen Religionstheologie. Die einzelnen Traktate des Lehrbuches sind in sich abgeschlossen. Die Literaturhinweise zur Erleichterung des Eigenstudiums verzichten auf umfangreiche Monographien und beschränken sich stattdessen auf überschaubare Fachbeiträge oder einzelne Kapitel.

Bedeutende Ansätze und Schulen in der Fundamentaltheologie

Eine Reihe von Entwürfen konnte erst Anfang des 20. Jahrhunderts – nach Überwindung des Antimodernismus – ihre volle Wirkung entfalten. Zu nennen sind hier Johann Sebastian Drey (1777–1853) und Anton Günther (1783–1863) sowie die „subjektive“ Immanenzapologetik des französischen Philosophen Maurice Blondel (1861–1949).

Eine der Dogmatik vorausgehende „formale und fundamentale Theologie“ formulierte auch Karl Rahner. Er steht für einen Typus „transzendentaler Theologie“, die betont, dass der Mensch in seiner Endlichkeit grundsätzlich auf Unendlichkeit hin ausgerichtet ist. Diese anthropologische Konstante werde im Offenbarungsereignis in Jesus Christus in besonderer Weise konkret. Johann Baptist Metz beklagte die Praxisferne dieses Zugangs und reagierte mit seinem Entwurf einer „praktischen Fundamentaltheologie“.

Perry Schmidt-Leukel steht stellvertretend für einen stärkeren fundamentaltheologischen Einbezug nichtchristlicher Denkvoraussetzungen. Sein pluralistischer Ansatz rechnet mit heilvollen Offenbarungen Gottes auch außerhalb der christlichen Religion und verabschiedet konsequenterweise den klassischen Überbietungsanspruch des Christentums gegenüber anderen Religionen zugunsten einer hinter allen Religionen stehenden letzten Wahrheit. Dieser und weitere fundamentaltheologische Ansätze vonseiten der sogenannten „Theologie der Religionen“ resultieren aus dem interreligiösen Dialog und gehören zu den neueren Erscheinungsformen der Fundamentaltheologie.

Jürgen Werbick gilt als Vertreter einer „hermeneutischen Fundamentaltheologie“, die ursprünglich auf John Henry Newman zurückgeht und in Heinrich Fries und Eugen Biser weitere prominente Fürsprecher gefunden hat. Kennzeichen dieses Zugangs ist die Unterscheidung zwischen der Verantwortung und dem Wesen des Glaubens, wobei beides nicht zu trennen sei. Zum einen legt hermeneutische Fundamentaltheologie den Glauben für den Glaubenden aus. Denn die Einwände der Vernunft setzten eine gewisse Kenntnis der Glaubensinhalte voraus. Zum andern reflektiert dieser Ansatz auch die Tatsache, dass dieses Verständnis seinerseits nie voraussetzungslos sein kann.

Auf evangelischer Seite machte sich Wolfhart Pannenberg mit seinen wissenschaftstheoretischen Bemühungen um die Anliegen der Fundamentaltheologie verdient. Als fundamentaltheologische Einleitungswissenschaft versteht der evangelische Systematiker Heiko Schulz die Religionsphilosophie, auf deren Basis er eine Theorie des Glaubens entwickelt.

Knut Wenzel fragt ausgehend von Paul Ricoeur nach dem Stellenwert der poetischen Sprache für die Theologie. In seinem Buch "Offenbarung – Text – Subjekt. Grundlegungen der Fundamentaltheologie" verortet er die Fundamentaltheologie in Theologiegeschichte und Gegenwart und entwickelt ein Verständnis von Kirche, wonach sie dem Subjekt „Kulturen der Autonomie“ bereitstellt.

Welche Ansätze und Schulen das Fach Fundamentaltheologie in Zukunft hervorbringen wird, dürfte – wie in der Vergangenheit – davon abhängig sein, inwieweit sich die Theologie im Dialog mit ihren Kritikern auf deren Weltsicht einlässt. So urteilt Joachim Valentin bereits im Jahre 2003 in seinem Aufsatz "Unerlässliche dialogische Kompetenz. Horizont und aktuelle Fragen der Fundamentaltheologie" in der „Herder Korrespondenz“: „In einer Gesellschaft, die das Betreiben der Theologie zu immer größeren Teilen für bestenfalls überflüssig, wenn nicht gar für schädlich hält, muss sich die Apologetik als fundamentaltheologische Teildisziplin zunehmend im Sinne eines den Nicht-Glaubenden zugewandten Hörens, Denkens und Sprechens verstehen.“

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