Das Wesen (So-Sein) und das Dasein sind von einander unterscheidbar; ihre Einheit ist nicht notwendig (Notwendigkeit). Im Verständnis der Kontingenz kann auch das Möglich-Sein enthalten sein. Was von seinem Wesen her die Existenz nicht einschließt, verweist den Grund der faktisch bestehenden Einheit von Dasein und Wesen von sich weg, da jede Faktizität in einer Notwendigkeit gründet und doch mit ihr nicht identisch sein kann. (Logisch zeigt sich die transzendentale Notwendigkeit, bestimmte Urteile – wie: „Das habe ich getan“ – als bloß assertorisch anzuerkennen, so dass jedes assertorische Urteil ein apodiktisches in sich enthält und doch mit ihm nicht identisch ist.) So erscheint eine faktisch bestehende Einheit von Wesen und Dasein als schlechthin „gesetzt“ und getragen vom absoluten Sein Gottes, ohne das es nicht ist und ohne dessen (implizite) Bejahung es nicht bejaht werden kann. Diese Einheit kann demnach nur als frei von Gott „gesetzt“ gedacht werden. Von da aus ist Kontingenz das philosophische „Gegenstück“ zum theologischen Begriff der Geschaffenheit (Kreatürlichkeit).
Der moderne Begriff der Kontingenzerfahrung ergibt sich aus dem Fehlen zureichender Erklärungen für bestimmte Ereignisse oder Verhältnisse, aus der Verunsicherung durch Unvorhersehbares, so dass von heutigen Philosophen und Soziologen Religion positiv als Praxis der Kontingenzbewältigung angesehen wird.
Quelle: Herbert Vorgrimler: Neues Theologisches Wörterbuch, Neuausgabe 2008 (6. Aufl. des Gesamtwerkes), Verlag Herder