Begrifflich begegnet in der Stoischen Philosophie die Unterscheidung von mythischer, natürlicher und politischer Theologie. Von der letzteren her stammt eine erste Gestalt der christlichen Politischen Theologie, die es als ihre Aufgabe ansah, bestehende staatliche Strukturen theologisch zu rechtfertigen.
Nach dem Vorbild der antiken römischen Staatstheologie legitimierte die byzantinische Hoftheologie mit ihrem Urbild-Abbild-Denken die Kaiserherrschaft (ein Gott – ein Kaiser – ein Patriarch oder Papst – eine Kirche). Elemente dieser Legitimationsgestalt der Politischen Theologie finden sich später in der Renaissance, in der französischen Restauration und in totalitären christlichen Staatsauffassungen (pseudotheologische Begründungen des Führerprinzips, des "Dritten Reiches" usw.).
Die zweite Gestalt einer Politischen Theologie geht inhaltlich auf die Theologien der Welt und der Hoffnung zurück, in der die Vorgänge der Säkularisierung positiv gesehen und kritische Potentiale des Christentums (gegen weltliche Ideologien und inhumane Zustände wie gegen Anpassung der Kirche an weltliche Strukturen und Herrschaftsverhältnisse) reflektiert wurden; Kritikfähigkeit erwuchs auch aus der Erneuerung der Eschatologie, die sich der Vorläufigkeit von Kirche und Welt bewusst wurde. Die Anfänge dieser Politischen Theologie sind, basierend auf Einsichten Dietrich Bonhoeffers († 1945), mit den Namen Jürgen Moltmann, Dorothee Sölle († 2003), Helmut Gollwitzer († 1993) und Jean Baptist Metz (der in den 60er Jahren den Begriff Politischen Theologie einführte) verbunden.
Die Politischen Theologie entwickelte sich vor allem in zwei Richtungen. Die mehr praktischen Impulse führten zu konkreten Initiativen, die ihrerseits wieder theologisch reflektiert wurden. So entstanden die Befreiungstheologie (unter starkem Einfluss der These Karl Rahners †1984 von der strikten Einheit von Gottes- und Menschenliebe), die Kontextuelle Theologie, die vielfältigen Theologien der Dritten Welt und manche Strömungen der Feministischen Theologie.
Die Politischen Theologie bei Metz und in seiner Schule entwickelte sich in zwei Phasen. Die erste lässt sich äußerst kurz zitatweise so charakterisieren: Entprivatisierung der christlichen Rede von Gott; Neuformulierung der Eschatologie "unter den Bedingungen strukturell gewandelter Öffentlichkeit"; Verständnis der Kirche als "Institution gesellschaftskritischer Freiheit des Glaubens". In der zweiten Phase erfolgt eine Konzentration auf die innere Situation der Gottesrede, mit dezidierten Wendungen gegen die vermeintliche Geschichtslosigkeit und den "Idealismus" der Transzendentaltheologie, gegen "Letztbegründungsversuche", mit dem Aufdecken der Unlösbarkeit der Theodizee-Problematik (alles dies unter der bleibenden Verunsicherung von Christentum und Theologie durch den Schock von "Auschwitz"). Besondere Kritik gilt dem Gedächtnisverlust und der Apathie der modernen und postmodernen Gesellschaften.
Die Wahrheitsfähigkeit der Gottesrede soll durch die Erinnerung, durch das "Eingedenken fremden Leids" vor Gott gesichert werden. Im Blick auf die polyzentrische Weltkirche und die der biblischen Gottesrede widersprechenden gesellschaftlichen Zustände gibt die Politischen Theologie ihrer Sensibilität für die Leidenden in steter "gefährlicher Erinnerung" Ausdruck und klagt die Autorität der Leidenden als Kriterium für alle Dialoge von Religionen und Kulturen ein. Eine Änderung apathischer Mentalitäten soll durch das Bewusstmachen der "befristeten Zeit" erreicht werden. Diese Gottesrede der neueren Politischen Theologie ist von einem "Vermissen Gottes" geprägt, das die affirmative Theologie mit ihrem Beharren auf Vorsehung und ständig mögliche Wunder verdrängt; lässt aber die Frage offen, ob nicht doch positiv von einer aus stetigen gewaltlosen Impulsen des Heiligen Geistes bestehenden Gegenwart Gottes gesprochen werden könnte.
Quelle: Herbert Vorgrimler: Neues Theologisches Wörterbuch, Neuausgabe 2008 (6. Aufl. des Gesamtwerkes), Verlag Herder