Zusammenfassung / Summary
The right to religious freedom can not only come into conflict with other rights, but there can also exist an immanent conflict within this right. Such a conflict is the one between negative and positive religious freedom. Before it can be solved as regards content, one has to realize that by the opposition negative versus positive religious freedom something completely different can be meant. In a semantic analysis at least eight different meanings of the term ‘negative religious freedom’ can be discerned. It should, however, be noted that distinctions can be made in this respect whether specific rights of the person entitled are meant, or whether, by claiming this right, consequences are connected for others, who want to positively exercise this right.
Einer der Gründe, warum das Recht auf Religionsfreiheit seit geraumer Zeit in die Kontroverse geraten ist, ist offensichtlich der, dass es bei seiner Anwendung zu verschiedenartigen Konkurrenzen kommt. So kann – wie in den Fällen, in denen religiöse Gefühle einer Person durch eine Meinungsäußerung oder eine künstlerische Darstellung einer anderen stark verletzt werden – das Recht auf Religionsfreiheit mit einem anderen Recht in Konflikt geraten. Oder es kann – wie etwa in den Fällen des Schächtens oder des Kirchenasyls – eine religiöse Überzeugung beziehungsweise Praxis mit einer Rechtsnorm konkurrieren. Oder es kann – wie etwa in den jeweils religiös motivierten Fällen der Verweigerung einer medizinisch notwendigen Behandlung oder der Gewaltanwendung – eine religiöse Ansicht beziehungsweise Praxis mit elementaren ethischen Standards nicht vereinbar sein. Es gibt jedoch auch Konflikte innerhalb des Rechts auf Religionsfreiheit selbst, mithin eine immanente Konkurrenz. Ein signifikantes Beispiel dafür ist der Konflikt zwischen negativer und positiver Religionsfreiheit, wie er sich im Streit über die Zulässigkeit von religiösen Symbolen im öffentlichen Raum, zuvorderst im so genannten „Kruzifix-“ oder im „Kopftuch-Streit“ manifestiert hat.
Wird ein immanenter Konflikt als ein solcher zwischen negativer und positiver Religionsfreiheit beschrieben,(1) dann hat man sich allerdings zu vergegenwärtigen, dass mit der Opposition „negative versus positive Religionsfreiheit“ inhaltlich Verschiedenes erfasst werden kann. Es besteht mithin Anlass, der Frage nachzugehen, was mit ,negativer‘ und ,positiver Religionsfreiheit‘ gemeint ist beziehungsweise sein kann. Es ist mit anderen Worten eine semantische Analyse vorzunehmen, die hier schwerpunktmäßig auf die der ,negativen Religionsfreiheit‘ beschränkt wird. Eine derartige Beschränkung stellt kein Problem dar, gilt es doch den methodischen Grundsatz „per opposita cognoscitur“ zu beachten. Was mit dem einen Bestandteil des Oppositionspaares gemeint ist, lässt sich dann klären, wenn sein principium divisionis angegeben wird. Werden verschiedene principia divisionis zugrunde gelegt, dann hat dies zur Konsequenz, dass je nach Einteilungsgrund unter der in Rede stehenden Opposition Verschiedenes verstanden werden kann. Semantische Analyse ist zugleich phänomenologische. Zeigt sich, dass sachlich zu unterscheidende Phänomene mit ein und demselben Wort bezeichnet werden, dann liegt eine Homonymie vor. Ohne dass der jeweilige sachliche Kontext der Verwendung des Wortes beachtet wird, kann keine semantische Analyse betrieben werden.
Da die Wendung ,negative Religionsfreiheit‘ überwiegend im Gegenüber zu dem gebraucht wird, was als ,positive Religionsfreiheit‘ bezeichnet wird, ergeben sich im Wesentlichen von dieser Opposition her, die unter verschiedenen Rücksichten und damit nach unterschiedlichen principia divisionis bestimmt wird, die Bedeutungen jener Wendung. In Anbetracht des hier hintergründigen Kontextes, des Konflikts zwischen negativer und positiver Religionsfreiheit, empfiehlt es sich meines Erachtens, eine grundlegende Einteilung der Bedeutungen daran zu orientieren, ob mit ,negativer Religionsfreiheit‘ ein Anspruch bezeichnet wird, der die eigene Überzeugung und Praxis des Trägers in rebus religionis betrifft, oder ob unter diesem Titel ein Recht beansprucht wird, das im Konfliktfall auch Auswirkungen auf die religiöse Praxis anderer haben soll.
1. Negative Religionsfreiheit im Hinblick auf sich selbst
Im Kontext des Rechts auf Religionsfreiheit wird mit den Adjektiven ,negativ‘ und ,positiv‘ keine Wertung vorgenommen. Es wird keine Inanspruchnahme dieses Rechts, die zu der Annahme eines (bestimmten) Glaubens und einer entsprechenden Lebensführung führt, als positiv, mithin als gut, und seine Inanspruchnahme, die zur Ablehnung einer (bestimmten) religiösen Überzeugung und Praxis führt, als negativ und damit als schlecht bewertet. Die Religionsfreiheit ist ein individuelles Freiheitsrecht, das jedem Menschen ermöglicht, zu religiösen Fragen eigenständig Stellung zu beziehen. Diese Freiheit schließt die Möglichkeit einer Negation von Religion ein. In deskriptiver Weise wird mit der Wendung ,negative Religionsfreiheit‘ diese Negation bezeichnet, mithin der kontradiktorische Gegensatz zur aktiven Religionsausübung. Dieses Recht auf Negation kann sein Träger für sich selbst in Anspruch nehmen. Da sich die Negation in verschiedenen Ausformungen vollziehen kann, ist der Ausdruck ,negative Religionsfreiheit‘ homonym. Es lassen sich insbesondere folgende Bedeutungen eruieren:
1. ,Negative Religionsfreiheit‘ kann ein Recht auf Nicht-Betätigung meinen. Diesem zufolge besteht eine Berechtigung, von der Weltanschauungs- und damit von der Religionsfreiheit keinen Gebrauch zu machen. Dieses Recht beinhaltet mit anderen Worten, zu weltanschaulich-religiösen Fragen nicht Stellung beziehen zu müssen. Es stellt eine derartige Positionierung frei, ermöglicht oder erlaubt auch, die Haltung der Indifferenz einzunehmen. Negative Religionsfreiheit als „Freiheit von Religion“ kann auch in einem Sich-Enthalten bestehen. Wie analog das Recht auf Ehe und auf Familie niemanden verpflichtet, eine Ehe einzugehen oder eine Familie zu gründen, oder das Recht auf Vereinigungsfreiheit niemanden zum Beitritt zu einer Vereinigung verpflichtet, so wird mit dem Recht auf Religionsfreiheit nicht nur niemand zu einer religiösen Überzeugung und Praxis verpflichtet, sondern es muss sich auch niemand mit religiösen Fragen auseinandersetzen. Als Freiheitsrecht ermöglicht es die Nicht-Ausübung ebenso wie die Ausübung, ohne dass die Person, die von ihm Gebrauch macht, im einen wie im anderen Fall irgendwelche Nachteile zu befürchten hat.
2. Unter ,negativer Religionsfreiheit‘ kann das Recht verstanden werden, sich in religiösen Fragen nicht festlegen zu müssen. Mit diesem Verständnis wird die Situation erfasst, dass ein Mensch sich durchaus mit weltanschaulichen und damit auch mit religiösen Fragen auseinandersetzt, er für sich jedoch zu keinen metaphysischen Gewissheiten kommt, er das Schwanken zwischen Affirmation und Ablehnung einer religiösen Grundüberzeugung nicht überwinden kann. Weder eine Aneignung noch eine Ablehnung eines Glaubens ist ihm möglich. Unter derartigen Voraussetzungen wird durch die negative Religionsfreiheit eine agnostizistische Einstellung geschützt.
3. Als ,negative Religionsfreiheit‘ kann das Recht bezeichnet werden, alles Religiöse für die eigene Person abzulehnen, aus dem eigenen Leben auszuklammern. Im Unterschied zum Indifferenten und zum Agnostiker bezieht eine Person dezidiert Stellung, indem sie sich eine nicht-religiöse Weltanschauung zu eigen macht und unter Umständen öffentlich dafür eintritt. Auf der Ebene der Überzeugung vertritt sie eine areligiöse beziehungsweise antireligiöse, eine atheistische Position. In seiner negativen Variante beinhaltet das Recht auf Glaubensfreiheit, sich eine religiös geprägte Weltanschauung nicht anzueignen, sich von ihr abzusetzen, sich ihr zu widersetzen. Wird die Weltanschauungsfreiheit als Oberbegriff und die Religionsfreiheit als ein Unterbegriff verstanden, dann ließe sich auch sagen, der Atheist mache einen positiven Gebrauch von ersterer und nehme in negativer Weise die Religionsfreiheit in Anspruch.
4. Als Kehrseite positiver Religionsfreiheit wird negative Religionsfreiheit dann begriffen, wenn die Inanspruchnahme dieses Rechts als solche in den Blick kommt. Denn mit der Entscheidung für eine bestimmte Religion, mit dem Bekenntnis eines bestimmten Glaubens und mit der Religionsausübung in einer bestimmten Religionsgemeinschaft koinzidiert, dass ein anderer Glaube nicht angeeignet, nicht bekannt und nicht ausgeübt wird. Jede Position hat unter dieser Rücksicht per se zum notwendigen Pendant eine Negation, was sich unter anderem darin zeigt, dass eine gleichzeitige Mitgliedschaft in verschiedenen religiösen Gemeinschaften als nicht möglich betrachtet wird. Mit den Worten M. Heckels, für den mit diesem Verständnis das Entscheidende der Opposition „positive versus negative Religionsfreiheit“ erfasst wird: „Indem der Grundrechtsträger sich für seine eigene Religion . . . entscheidet, bekennend äußert, gottesdienstlich . . . einsetzt und sie durch sein Tun in der Welt entfaltet – also die Religionsausübungsfreiheit positiv ausübt –, erteilt er allen anderen Religionen und Weltanschauungen in negativer Abkehr und Abwehr seine Absage.“(2) Bei dieser Opposition kann die Distinktion zwischen positiver und negativer Freiheit entweder innerhalb des Religiösen bleiben und meint dann die Entscheidung für diesen Glauben und damit gegen jenen Glauben oder sich auf die Entscheidung für eine religiöse Weltanschauung und damit gegen eine nicht-religiöse zu beziehen.
5. Mit der Wendung ,negative Religionsfreiheit‘ können andere Bestandteile dieses Rechts erfasst werden. So kann mit ihr die Dimension beschrieben werden, dass jeder Mensch das Recht hat, in religiösen Angelegenheiten vor staatlichen Beeinflussungen, Ein- und Übergriffen geschützt (3), vor religiösen Zumutungen von Seiten des Staates verschont zu werden. Als individuelles Freiheitsrecht ist es ein Abwehrrecht; insofern hat es eine negative Seite. (4) Es schützt insbesondere vor Manipulation, Indoktrination, Zwang und Gewalt. Adressaten dieses Rechts sind insbesondere staatliche Organe. Das principium divisionis ist hier ein anderes als bei den vorherigen Bedeutungen. Die Opposition ,negativ – positiv‘ bezog sich bisher auf den Träger des Rechts, der sich in einer bestimmten Weise oder entgegengesetzt dazu verhalten konnte. Hier hingegen bilden Handlungsmöglichkeiten des Adressaten des Rechts den Referenzpunkt der als negativ bezeichneten Religionsfreiheit und Handlungsmöglichkeiten des Trägers des Rechts den Referenzpunkt der als positiv bezeichneten Religionsfreiheit. Es ist mithin zum einen möglich, die Charakterisierungen als ,negativ‘ und ,positiv‘ auf ein und dieselbe Person zu beziehen oder auf zwei unterschiedliche Personen oder soziale Entitäten.
6. Je nach der Unterart der Religionsfreiheit, also der Glaubens-, der Bekenntnis-, der Religionsausübungs- sowie der Religionsvereinigungsfreiheit, differenziert sich die Bedeutung der Wendung ,negative Religionsfreiheit‘ aus. Wie bereits erwähnt, hat die negative Glaubensfreiheit das Recht zum Inhalt, eine religiöse Überzeugung nicht zu haben beziehungsweise sie abzulehnen. Die ,negative Bekenntnisfreiheit‘ ermöglicht es, die eigene religiöse Überzeugung nicht nach außen kundzutun, insbesondere sie zu verschweigen, sie nicht offenbaren zu müssen. (5) Der negativen Bekenntnisfreiheit kann auch das im Grundgesetz verbürgte Recht (Art. 7, Abs. 3) zugeordnet werden, dass kein Lehrer gegen seinen Willen verpflichtet werden darf, Religionsunterricht zu erteilen. Die negative Religionsausübungsfreiheit sichert das Recht, nicht zur Teilnahme an einer religiösen Praxis gedrängt oder gar gezwungen zu werden. Demnach darf z. B. niemand gezwungen werden, an religiösen Handlungen oder Feiern teilzunehmen oder eine religiöse Eidesformel zu benutzen. Anders gesagt, berechtigt diese Unterart negativer Religionsfreiheit zur Unterlassung religiöser Handlungen. Schließlich kann auch von einer negativen Religionsvereinigungsfreiheit gesprochen werden, wenn damit das Recht gemeint ist, keiner religiösen Gemeinschaft oder Vereinigung anzugehören. Insgesamt umfasst negative Religionsfreiheit mithin die einzelnen Rechte, einen (bestimmten) Glauben nicht zu haben, nicht zu bekennen oder nicht auszuüben sowie einer (bestimmten) Religionsgemeinschaft nicht beizutreten oder anzugehören. Da das Recht auf Religionsfreiheit eine Entscheidungsfreiheit in rebus religionis schützt, schützt es sowohl den (positiven) Gebrauch als auch den (negativen) Nicht-Gebrauch.
2. Negative Religionsfreiheit im Hinblick auf andere
Den bisher genannten Bedeutungen der Wendung ,negative Religionsfreiheit‘ ist gemeinsam, dass bei ihnen der Träger des Rechts für sich im Blick ist. Der Berechtigte kann für die eigene Person in punkto „Religion beziehungsweise Weltanschauung“ verschiedenartige Entscheidungen treffen, die unter einer bestimmten Rücksicht als negativ charakterisiert werden. Anders stellt sich die Situation dar, wenn jemand unter Berufung auf die negative Religionsfreiheit ein Recht beansprucht, das Auswirkungen auf die religiöse Praxis anderer haben soll. Ausgangspunkt dieser Situation ist das direkte Zusammentreffen von Menschen, bei denen ein und dieselbe religiöse Handlung beziehungsweise Praxis von den einen abgelehnt und von den anderen befürwortet wird. Dadurch entsteht ein Konflikt unter den Beteiligten, der unter anderem als einer zwischen negativer und positiver Religionsfreiheit beschrieben wird.
7. Bei einem derartigen Konflikt, bei dem negative und positive Religionsfreiheit nicht komplementär nebeneinander koexistieren können, kann es zum einen vorkommen, dass die Wendung ,negative Religionsfreiheit‘ als Platzhalter für eine säkularistische Position dient. Im Unterschied zu einer säkularen Position, der zufolge Staat und Religion prinzipiell zu unterscheiden beziehungsweise zu trennen sind, fordert die säkularistische darüber hinaus, dass religiöse Überzeugungen und Praktiken allein als Privatangelegenheit zu betrachten, sie mit anderen Worten aus dem öffentlichen, namentlich staatlichen Bereich auszuschließen seien. (6) Wer sich auf die negative Religionsfreiheit beruft, kann dann postulieren, mit Religiösem, z. B. mit religiösen Symbolen, nicht konfrontiert zu werden, sich damit nicht auseinandersetzen zu müssen. Er will mithin nicht nur für sich eine religiöse Überzeugung und Praxis ausschließen, sondern will diese auch für andere zumal im staatlichen Bereich untersagt wissen. Das maßgebliche Prinzip staatlicher Neutralität gegenüber Religion beziehungsweise Religionsgemeinschaften will er im Sinne einer Distanzierung, die einem Laizismus gleichkommt, verstanden wissen, nicht im Sinne gleicher Offenheit ihr beziehungsweise ihnen gegenüber. (7)
8. Zum anderen kann es vorkommen, dass die Wendung ,negative Religionsfreiheit‘ als Platzhalter für die Prävalenz-These gebraucht wird. Diese besagt, dass in der Situation, in der wegen der divergierenden Vorstellungen unter den Betroffenen ein Konflikt zwischen negativer und positiver Religionsfreiheit nicht zu vermeiden ist, ersterer der Vorzug zukommt. Die unumgängliche Abwägung wird von vornherein zu Gunsten negativer Religionsfreiheit vorgenommen. Diese These unterscheidet sich von der Äquivalenz- These, wonach negative und positive Religionsfreiheit grundsätzlich gleichwertig sind. Wer diese vertritt, kann ebenfalls eine Abwägung nicht vermeiden. Diese wird jedoch nicht von vornherein unter der Prämisse der Präferenz negativer Religionsfreiheit getroffen; bei ihr wird vielmehr nach einem Ausgleich zwischen denen, die für negative Religionsfreiheit eintreten, und denen, die Wert auf eine positive Religionsfreiheit legen, gesucht. Da das Recht auf Religionsfreiheit von zwei Seiten in gegenläufiger Weise wahrgenommen werden will, bereitet des Finden eines Ausgleichs erhebliche Schwierigkeiten; denn der Konflikt kann nicht jeweils durch einen Kompromiss gelöst werden, sondern mitunter nur durch ein „Entweder-Oder“. In der Regel wird eine Einzelfallentscheidung unter Berücksichtigung der Bestrebungen der Beteiligten, der kulturellen und historischen Verwurzelungen und anderer relevanter Gesichtspunkte sowie unter Beachtung der Grundsätze der Neutralität und Parität im Geist der Toleranz vonnöten sein.
3. Resümee
Das, was im ersten Abschnitt an unterschiedlichen Bedeutungen der Wendung ,negative Religionsfreiheit‘ erfasst worden ist und wofür diese sachlich stehen, ist menschenrechtlich unproblematisch; ja, diese einzelnen Ausformungen sind insofern notwendige Bestandteile des Rechts auf Religionsfreiheit, als dieses ein individuelles Freiheitsrecht ist. Das Verhältnis zwischen negativer und positiver Religionsfreiheit ist dann eines der Komplementarität. Insoweit die Wendung ,negative Religionsfreiheit‘ als kontradiktorischer, nicht als konträrer Gegensatz zu positiver Religionsfreiheit verstanden wird, mit ihr also eine nicht-religiöse Grundüberzeugung und Praxis bezeichnet wird, die die des Indifferenten wie des Agnostikers wie des Atheisten sein kann, und insoweit diese Wendung nicht als privativer Begriff (8) gebraucht wird, bezeichnet sie ein notwendiges Element der Weltanschauungsfreiheit. Denn diese umfasst für das Individuum die „Freiheit von Religion“ wie die „Freiheit zur Religion“.
Anders stellt sich die Situation dar, wenn die Wendung ,negative Religionsfreiheit‘ als Abbreviatur für bestimmte inhaltliche Positionen steht, bei denen über das Recht des Trägers hinausgegangen und dabei im Konfliktfall das Recht der einen durch andere beschnitten wird. Da das Recht auf Weltanschauungs- und Religionsfreiheit allen Menschen in gleicher Weise zukommt, also den religiösen ebenso wie den nicht-religiösen, kommt negativer Religionsfreiheit in einer Konkurrenz mit positiver Religionsfreiheit nicht grundsätzlich eine Priorität zu; sie ist kein „Oberrecht“. Unter Berufung auf sie kann unter anderem eine öffentliche Konfrontation mit der religiösen Praxis anderer nicht untersagt werden. Und es kann nicht generell die positive religiöse Aktivität anderer behindert oder unterbunden werden; es kann nicht die Unterlassung religiöser Handlungen beziehungsweise der Verzicht darauf verlangt und kann nicht generell eine Bevorzugung nicht-religiöser Überzeugungen und Praktiken oder eine Verbannung des Religiösen aus dem öffentlichen Leben gefordert werden. Mit diesen Einsichten ist allerdings noch nicht das Problem gelöst, in welcher Weise ein Ausgleich zwischen negativer und positiver Religionsfreiheit in Situationen, die vom weltanschaulich neutralen Staat zu verantworten sind, im konkreten Einzelfall geschaffen und dieser begründet werden kann. Für den inhaltlichen Diskurs kann eine semantische Analyse nur eine notwendige Voraussetzung schaffen, indem sie die Homonymie einer zentralen Wendung wie ,negative Religionsfreiheit‘, also ihre verschiedenen Bedeutungen, vor Augen führt.