Mose als Empfänger der Offenbarung des JHWH und Urheber des Namens "Jesus"

Zusammenfassung / Summary

Gemäß der biblischen Erzählung hat sich Gott der Menschheit als „Gott“, den Patriarchen aber als „El Schaddai“ gezeigt (Ex 6,3) und schließlich Israel seinen Namen JHWH geoffenbart (Ex 3). Es ist Mose, der den göttlichen Namen am Berg Sinai empfängt. Eben dieser Mose wird später zwölf Kundschafter ins Gelobte Land schicken (Num 13–14). Dabei benennt er den Vertreter des Stammes Ephraim, den Anführer der Gruppe, einen gewissen Hoschea, Sohn des Nun, um in Jehoschua (Josua, Kurzform: Jeschua, griechisch: Iesus) und schafft so den Namen „Jesus“. Diese Umbenennung ist notwendig, da Josua unmöglich Jehoschua („JHWH rettet“) heißen konnte, bevor der Name im Dornbusch geoffenbart wurde. Mose musste also diesen Namen Jehoschua („Jesus“) bilden, einen JHWH-haltigen Namen, als Folge der priesterschriftlichen Theologie der Gottesnamen: Gott, El Schaddai, JHWH. Der Name „Jesus“ ist eine direkte Folge dieser Ökonomie der Gottesnamen und steht in Kontinuität mit ihr.

According to the biblical story God had made known himself to mankind as “God”, to the patriarchs as “El Shaddai” (Ex 6,3), and finally revealed his name Yhwh to Israel (Ex 3). It is Moses who receives the divine name at Mount Sinai. This same Moses later on calls twelve messengers to send them into the Promised Land (Num 13-14). Sending them he renames the representative of the tribe of Ephraim, the leader of the group, a certain Hoshea, son of Nun, into Yehoshua (Joshua, short form: Yeshua, Greek: Iesus) thereby creating the name of Jesus. This renaming is necessary because Joshua could not possibly have been called Yehoshua (“Yhwh saves”) before the revelation of the divine name in the burning bush. So Moses had to create this name Yehoshua (“Jesus”), which contains Yhwh’s name, as a consequence of the Priestly writer’s theology of divine names: God, El Shaddai, Yhwh. The name “Jesus” is a direct consequence of this economy of divine names and stands in continuation to it.  

Es ist allgemein bekannt, dass Mose nach der biblischen Darstellung1 mit der Offenbarung des Namens Jhwh besonders verbunden ist. Nach der priesterschriftlichen Konzeption hat der Schöpfer der Welt (Elohim) sich den Vätern Abraham, Isaak und Jakob unter dem Namen „El Schaddai“ geoffenbart, aber seinen Namen Jhwh teilte er erst dem Mose in der Dornbuschvision mit (Ex 3,14; 6,3). Dass derselbe Mose nach biblischer Darstellung auch derjenige ist, der den Namen „Jesus“ prägt, ist nicht in gleicher Weise im allgemeinen Bewusstsein, wäre aber für neutestamentliche Theologie, ja auch für die christliche Dogmatik von einiger Bedeutung.

Die Offenbarung des Gottesnamens Jhwh steht ganz am Beginn der Sendung des Mose in Ex 3. Gott erscheint ihm im brennenden Dornbusch, beruft und beauftragt ihn, Israel in die Freiheit zu führen. Auf die Rückfrage des Mose hin, wen er denn den Israeliten als Auftraggeber melden könne, stellt sich Gott zunächst vor als „Ich bin, der ich bin“ (Ex 3,14), und nennt dann in Ex 3,15 den Namen Jhwh. Nach der erfolgreichen Herausführung Israels aus Ägypten und dem Aufenthalt am Berg Sinai gelangt das Volk (erstmals) an die Grenze des verheißenen Landes. In der Wüste Paran stellt Mose auf Geheiß des Herrn eine zwölfköpfige Delegation zusammen, die das Land in seiner ganzen Ausdehnung in Augenschein und damit rechtlich in Besitz nehmen soll, bevor das Volk selbst hinüberzieht (Num 13).2 Die zwölf „Kundschafter“ werden ausdrücklich als Vertreter der zwölf Stämme gezeichnet, stellt doch jeder Stamm genau einen Vertreter, und zwar einen der „führenden Männer“ (Num 13,2).

"1Der Herr sprach zu Mose: 2 Schick einige Männer aus, die das Land Kanaan erkunden, das ich den Israeliten geben will. Aus jedem Väterstamm sollt ihr einen Mann aussenden, und zwar jeweils einen der führenden Männer. 3 Da schickte Mose von der Wüste Paran die Männer aus, wie es der Herr befohlen hatte. Sie alle waren führende Männer unter den Israeliten, 4 und das sind ihre Namen: aus dem Stamm Ruben Schamua, der Sohn Sakkurs; 5 aus dem Stamm Simeon Schafat, der Sohn Horis; 6 aus dem Stamm Juda Kaleb, der Sohn Jefunnes; 7 aus dem Stamm Issachar Jigal, der Sohn Josefs; 8 aus dem Stamm Efraim Hoschea, der Sohn Nuns; 9 aus dem Stamm Benjamin Palti, der Sohn Rafus; 10 aus dem Stamm Sebulon Gadiël, der Sohn Sodis; 11 aus dem Josefstamm Manasse Gadi, der Sohn Susis; 12 aus dem Stamm Dan Ammiël, der Sohn Gemallis; 13 aus dem Stamm Ascher Setur, der Sohn Michaels; 14 aus dem Stamm Naftali Nachbi, der Sohn Wofsis; 15 aus dem Stamm Gad Gëuël, der Sohn Machis. 16 Das waren die Namen der Männer, die Mose zur Erkundigung des Landes aussandte. Hoschea aber, den Sohn Nuns, nannte Mose Josua."

Der Vertreter des Stammes Efraim war nach Num 13,8 Hošea, der Sohn des Nun. Dieser wird nun vor der Kundschaftersendung und damit für die Inbesitznahme des gelobten Landes, die er anführen wird, von Mose umbenannt in Jehošua (Josua).

Der Name Jehošua ([…]), „Jhwh hat gerettet“ wird in älterer Zeit meist in der Langform benutzt (Pentateuch, Josua- und Richterbuch). In jüngeren Schriften (Esra- Nehemia, Jesus Sirach) setzt sich die in spätalttestamentlicher und generell in neutestamentlicher Zeit übliche Kurzform Ješua ([…]) durch.3 Beide werden in der LXX ausnahmslos als […] (Jesus) wiedergegeben. Die Tendenz von den Langformen zu den Kurzformen betrifft viele biblische Namen.4

Den griechischsprachigen Theologen hat sich die Namensgleichheit zwischen Josua, dem Sohn des Nun, und Jesus von Nazareth von Anfang an aufgedrängt. Sie ist natürlich auch dem Origenes nicht entgangen, der in seinen Josuahomilien programmatisch schreibt:

"Was lässt uns also all das erkennen? Offensichtlich, dass uns dieses Buch nicht so sehr die Taten des Sohnes Nuns angibt, als dass es uns die Mysterien Jesu, meines Herrn, vorzeichnet."5

Warum aber hat dann Origenes weder in seinen Homilien zu Numeri noch zu Josua erkannt, dass Moses der Urheber dieses Jesus-Namens ist? Origenes hat in Num 13 die Umbenennung des Hošea zu Josua und damit die Urheberschaft des Mose für diesen Namen deswegen nicht erkannt, weil er sah, dass Josua schon seit Ex 17 so genannt wurde. Origenes schreibt in seinen Josua-Homilien zum ersten Auftreten des Namens Josua […] in Ex 17 in einem Kriegskontext:

"Hier lernen wir erstmals den Namen Jesus kennen, wo wir ihn als Heerführer sehen. […] Hier also, wo ich erstmals den Namen Jesu kennenlerne, sehe ich auch sogleich den verhüllten Hinweis auf ein Geheimnis: Jesus führt nämlich ein Heer an."6

Origenes kommt in seinen Josuahomilien ausdrücklich darauf zu sprechen, wo Josua („Jesus“) in der Bibel erstmals auftritt: in Ex 17 – von Anfang an in einem Kriegskontext. Er schloss daraus, dass Josua von seinem ersten Auftreten an unter diesem Namen vorgestellt wird, dass er von klein auf so hieß, und nicht erst durch Mose so benannt wurde. Die Namensvariationen in Num 13 nahmen daher für Origenes einen anderen Sinn an. In Num 13,8 LXX heißt es: […] und gleich darauf in V. 16: […]. Origenes fällt der Namenswechsel auf, er interpretiert ihn aber so:

"Unter denen nämlich, die zum Auskundschaften geschickt worden sind, wird sein Name „Hošea“ (Ause) geschrieben. Und vielleicht, so scheint mir, wurde er für die Kundschafterfunktion nicht als „Josua“ sondern als „Hošea“ bezeichnet und „Sohn des Nun“ genannt. Wenn er aber nach getanem Werk zurückkommt und, da alle voll Schrecken sind, als einziger die mutlos Gewordenen aufrichtet und die Verzweiflung des Volkes als einziger behebt, da wird er von Mose „Josua/Jesus“ genannt."7

Origenes sieht, dass der Name Hošea nur in der Kundschafterliste vorkommt, vorher und nachher aber nicht. So nimmt er (versuchsweise) an, dass es sich nur um eine punktuelle Umbenennung handle (freilich heißt Josua während der ganzen folgenden Kundschaftergeschichte dann doch Josua, ja wird geradezu zu dieser Mission in Josua umbenannt). Origenes muss den Namen daher in Ex 17 auch nicht als Prolepse verstehen, da er die Umbenennung in Num 13 anders interpretiert. Im biblischen Zusammenhang aber ist die Benennung des Dieners des Mose unter dem Namen „Josua“ in Ex 17, einem Namen, den er doch erst in Num 13 erhält, eine proleptische Benennung, ganz genau so, wie Simon in Lk 5,8 vom Erzähler(!), nicht jedoch von Figuren in der Erzählung, schon „Simon Petrus“ genannt wird, obwohl die Namensverleihung durch Jesus erst in Lk 6,14 berichtet wird. Unter diesem Namen ist er den Lesern eben seit langem bekannt. Auch heute ist es üblich, etwa den Wittenberger Reformator schon als Jugendlichen „Martin Luther“ zu nennen, obwohl er damals „Luder“ hieß und sich erst als Professor „Luther“ schrieb. Das ist der Name, unter dem er berühmt wurde und allgemein bekannt ist. Ein „Erzähler“ der Geschichte Luthers wird ihn von Anfang an benutzen.8 Um noch ein modernes Beispiel anzuführen: Der Brandt-Biograph Schöllgen notiert zu Beginn der Lebensbeschreibung, dass Willy Brandt 1913 als „Herbert Frahm“ geboren wurde und 35 Jahre lang amtlich so hieß, obwohl er sich schon mit 19 Jahren den Untergrundnamen zulegte. Schöllgen fährt dann aber fort: „Wir bleiben im folgenden bei diesem ‚Nom de guerre‘, den er trägt, seit er den Kampf gegen die Hitler-Diktatur aufnimmt.“9 In der Bibel ist ein solcher „nom de guerre“ auch „der Makkabäer“ für Judas, den Sohn des Mattatias.10

Der Pentateuch benennt Josua seit Ex 17 mit seinem späteren „nom de guerre“. Origenes und in seinem Gefolge die christlichen Theologen erkennen daher die Bedeutung der Umbenennung Hošeas in Jehošua in Num 13 nicht. Wie so oft in der Auslegungsgeschichte wird ein Gleis, das Origenes einmal gelegt hat, nicht so schnell wieder verlassen. Im biblischen Text aber erhält der nachmals berühmte Josua, der ursprünglich Hošea hieß (Num 13,8), erst anlässlich des Beginns der Landnahme in Num 13,16 seinen Namen Jehošua, unter dem er die Inbesitznahme des Gelobten Landes anführen wird, den Namen also, unter dem er von da an bekannt sein wird. Die Umbenennung in Num 13 ist aber, auch wenn sie leicht übersehen werden kann und in ihrer Bedeutung für die christliche Gesamtbibel lange übersehen wurde, kein nebensächlicher Vorgang: Neben der Verleihung des „nom de guerre“ gibt es aber auch einen noch „theologischeren“ Grund, der erst der modernen Bibelwissenschaft deutlich wurde.

Der Grund für die Umbenennung des in Num 13,8 als „Hošea“ vorgestellten Vertreters des Stammes Efraim zu „Jehošua“ ist für die heutige Bibelwissenschaft offensichtlich. Es ist den modernen Kommentatoren immer aufgefallen, dass der priesterschriftliche Verfasser der Kundschafterliste streng darauf geachtet hat, seine Theorie von der Geschichte und Ökonomie der Namensoffenbarungen (Elohim – El Schaddai – Jhwh) aufrechtzuerhalten. So schreibt etwa Martin Noth in seinem Numerikommentar:

"Daß in der Liste keine mit dem Gottesnamen Jahwe zusammengesetzte Bildung vorkommt, beruht hier […] auf der bewußten Überlegung, dass die Zeitgenossen Moses solche Namen noch nicht tragen konnten, da sie noch vor der Offenbarung des Gottesnamens Jahwe (2. Mos. 6,2.3) geboren waren."11

Dennoch musste neben Kaleb, dem Sohn Jefunnes, auch Josua („Jhwh hat gerettet“), der Diener des Mose, zu der Kundschaftergruppe gehören, da diese beiden später als einzige das Land betreten durften (Num 14,24.30.38; Dtn 1,36.38; Jos 14,6.13), ja Josua der eigentliche Anführer der Landnahme werden sollte. Martin Noth schließt daher:

"Bei Josua, der bei P unter den „Kundschaftern“ nicht fehlen durfte, der aber nun einmal einen „Jahwe“-haltigen Namen hatte, wird die gekünstelte Annahme gemacht, dass er ursprünglich „Hosea“ hieß (V. 8), aber aus einem unerfindlichen Grunde von Mose in „Josua“ umbenannt wurde (V. 16)."12

Noth sieht zwar den diachronen Grund für die „Umbenennung“, vermisst aber die synchrone Motivation. In der Tat wird sie nicht angegeben. Im weiteren Kontext der Bibel stellen solche Umbenennungen, wie die Jakobs zu Israel in Gen 32,29 und 35,10 (vgl. Hos 12,3–5) oder Eljakims zu Jojakim durch Pharao Necho in 2 Kön 23,34 und Mattanjas zu Zidkija durch Nebukadnezzar in 2 Kön 24,17, besondere Indienstnahmen eines Untergebenen durch seinen Vorgesetzten dar. Ein ähnliches Unterordnungsverhältnis hatten bereits Adams Namensgebungen ausgedrückt (Gen 2,19 f.). Auf derselben Linie wird man in synchroner Deutung auch die Umbenennung Hošeas zu Josua13 durch Mose deuten müssen: Mose nimmt den jungen Mann, der bisher schon sein treuer Diener war (Ex 24,13; 33,11), jetzt besonders in Dienst (Num 13,16), wird er doch später in Num 27,18–23 von Mose durch Handauflegung insofern zu seinem Nachfolger bestellt, als er an seiner statt das Volk ins Gelobte Land führen soll (Dtn 3,27 f.; 31,7.14.23; 34,9). Ein synchrones Motiv für die konkrete Namenswahl gibt Seebass an:

"Die Umbenennung „spielt“ sicher auch mit der Klangverwandtschaft […]. Darüber hinaus ist signifikant, dass die Wurzel […] auch für die Hilfe Gottes im Krieg verwandt wird, die Umbenennung also für das Unternehmen der Späher Bedeutung hatte. ENoort, Num. 13:16, 55–70 hat dazu überzeugend herausgearbeitet, dass die Umbenennung überhaupt nur wegen ihres Bezuges zur Gabe des Landes an dieser Stelle steht (obwohl Josua ja längst vorher erwähnt wurde). Er verbindet das speziell mit 14,8 f. (Kriegsansprache). In P hätte man eher an 13,1 f. zu denken. In jedem Fall ist es unrichtig, wenn GJWenham 116 f. (mit Berufung auf CFKeil) die Umbenennung zeitlich vom Auftrag getrennt wissen will, weil 16b mit bloßem […]. an 16a angeschlossen sei."14

Die Umbenennung Hošeas zu „Je-hošua“ steht im Kontext der beginnenden Inbesitznahme des Landes und in sachlichem Zusammenhang mit ihr.

Im Neuen Testament ahmt der synoptische Jesus die Kundschaftersendung bis in Einzelheiten nach. Nach Mk 3,13–19 beruft Jesus die Zwölf, „die er bei sich haben und die er dann aussenden wollte“ (Mk 3,14: […]). Bei dieser Gelegenheit nimmt Jesus die Umbenennung des Anführers vor: Er legte dem Simon den Namen „Petrus“ zu (Mk 3,16: […]). Auch die Söhne des Zebedäus bekommen hier einen Beinamen, der sie charakterisiert: Donnersöhne. Die Kombination der Verben ([…])[…] in einem Vers kommt außer in Mk 3,1415 nur noch in Num 13,16 LXX vor. Die angekündigte Aussendung erfolgt dann erst in Mk 6,6b–13, freilich in expliziter Anknüpfung an die Bestellung der Zwölf in Mk 3. Matthäus verbindet die Zwölferliste in Mt 10,1–4, in der nur noch Simon zu „Petrus“ umbenannt wird, direkt mit der Aussendung zu den „verlorenen Schafen des Hauses Israel“ (10,6). Auch bei Lukas benennt Jesus nur noch den Simon zu „Petrus“ um (Lk 6,14).

Die Bestellung der Zwölf ist nicht anders als in Num 13 die Zusammenstellung einer Israelrepräsentanz. Die Umbenennung des Anführers zu „Petrus“ ist nicht nur eine Cha rakterisierung, sondern eine besondere Indienstnahme, die Mt 16,18 explizit ausfaltet. Num 13,2.16 f. hatte fünf Mal davon gesprochen, dass Mose die Zwölf „aussendet“ (xlv, in der LXX viermal […], einmal […]). Mk 3,14 spricht einmal von […], einmal von […]. Bei Markus ist es Jesus, der den Berg besteigt, um die Wahl der Zwölf vorzunehmen (6,13: […]). In Num 13 ist es Mose, der die Zwölf ins Gebirge schickt (13,17: […]).16 Mose schickt die Zwölf, damit sie das Verheißene Land für Israel in Besitz nehmen. Jesus schickt die Zwölf zu Israel, um es für die Gottesherrschaft vorzubereiten. Die Vorbildhaftigkeit von Num 13 für Mk 3, Lk 6 und Mt 10 ist unübersehbar. Umso erstaunlicher ist, dass weder der Nestle-Aland noch die neutestamentlichen Kommentatoren die Parallele wahrnehmen.

Ein weiterer Punkt, in dem Num 13 und Mk 3 (//Mt 19 // Lk 6) sich berühren, ist der Name Jesu selbst. In Mk 3 (//Mt 19 // Lk 6) ist es Jesus, der die Zwölf aussendet. In Num 13,16 benennt Mose den Anführer der späteren Landnahmeaktion um von „Hošea“ zu „Josua“. Der diachrone Grund wurde oben schon angeführt. Synchron stellt sich die Maßnahme des Mose so dar: Der Diener des Mose, der auch bisher schon proleptisch als Josua vorgestellt worden war (Ex 17,9.10.13.14; Num 11,28), unter dem Namen also, unter dem er dann bekannt werden sollte, hieß ursprünglich „Hošea“ und wurde erst bei Gelegenheit der Kundschaftersendung von Mose umbenannt zu „Josua“. Damit ist die priesterschriftliche Namenstheologie gewahrt, denn Hošea konnte nicht seit seiner Kindheit den Jhwh-haltigen Namen Josua gehabt haben, den Mose erst kurz zuvor in Ex 3,14 f. enthüllt bekommen hat. Der Vorgang hat aber im gesamtbiblischen Kontext nun weitere (synchrone) Wirkungen: Indem die Tora Mose den Namen Hošeas nehmen und ihn neu mit dem ihm am Dornbusch offenbarten Namen Jhwh verbinden lässt, entsteht erstmals der Name Jehošua (Kurzform Ješua, […]). So ist nach biblischer Darstellung Mose nicht nur der Empfänger der Offenbarung des Namens Jhwh, sondern auch der Urheber des Namens „Jesus“.

Die mosaische Namensbildung hat im AT noch keine großen Konsequenzen. Ješua Ben Jozadak, der Hohepriester, der nach dem Exil mit Serubabbel den Zweiten Tempel baut, (Esr-Neh und Hag) sowie Ješua Ben Eleasar Ben Sira (Jesus Sirach) sind die prominentesten Träger des Namens im AT, neben denen es noch einige unbedeutende gibt (Neh 8,7; 9,4 f.).

Für das Neue Testament aber liegt mit dem von Mose in Num 13,16 gebildeten Namen „Jesus“ die Möglichkeit zu einer Fortführung dieser Theologie der Namensoffenbarungen bereit. Der Engel des Herrn muss den von Mose gebildeten Namen „Jesus“ nach Matthäus nur noch aufgreifen, um ihn an Josef mit einer interpretierenden Übersetzung weiterzugeben, wenn er zu ihm sagt: „[I]hm sollst du den Namen Jesus geben; denn er wird sein Volk von seinen Sünden erlösen“ (Mt 1,21). Beim Evangelisten Lukas richtet der aus Dan 8,16; 9,21 f. als Deuter göttlicher Botschaften bekannte Gabriel der Jungfrau Maria aus: „Du wirst ein Kind empfangen, einen Sohn wirst du gebären: dem sollst du den Namen Jesus geben“ (Lk 1,31). Eine Begründung gibt Gabriel nicht. Das ist im Kontext der Gesamtbibel auch nicht erforderlich. Der Name, der im ersten Kapitel des Neuen Testaments genannt wird, ist seit den Tagen des Mose mit größter Bedeutung aufgeladen: Es ist der Name dessen, der damals das durch Gottes Verfügung (Dtn 3,23–28) unvollendet gebliebene Werk des Mose vollendete: Josua. Der neue Josua, der mit seinen zwölf Abgesandten ([…]) eine neuerliche Verheißungserfüllung beginnt,17 trägt einen Namen, den kein geringerer als Mose selbst, dem keiner der Propheten gleichkommt (Num 12,7 f.; Dtn 34,10 f. ), „erfunden“ hat. Mose hat ihn gebildet für seinen Nachfolger und Vollender (vgl. Dtn 34,9) in Folge und innerem Zusammenhang mit der Offenbarung des Namens Jhwh im Dornbusch.