Zusammenfassung / Summary
Der geschichtliche Hintergrund für das Bemühen um ein zeitgemäßes Verständnis der Demut als einer christlichen Tugend könnte kaum widersprüchlicher erscheinen: Augustinus stellt die Demut pointiert als Grundlage aller Tugend der Ursünde des Hochmuts entgegen. Peter Abaelard und Thomas von Aquin dagegen verstehen sie im Blick auf das christologische Motiv der Niedrigkeit als Ermutigung und Mäßigung des Charakters im Dienst der Liebe. David Hume beschreibt sie im Rahmen seiner Affektenlehre als ein Minderwertigkeitsgefühl, das bisher von den Kanzeln zu Unrecht als Tugend gepriesen werde. Der Beitrag zeichnet den tugendtheoretischen Argumentationsrahmen der drei Hauptparadigmen nach, die das herkömmliche Demut-Verständnis maßgeblich bestimmen.
The historical background for the search for a contemporary understanding of humility as a Christian virtue could hardly appear more contradictory. Augustine pointedly contrasts humility, as the basis of all virtue, with pride as the main motive of original sin. Peter Abelard and Thomas Aquines, however understand humility, according to the Christological motif of lowliness, as encouragement and moderation of character in the service of love. David Hume describes it in terms of his theory of passions as an inferiority feeling that, until then, was being lauded from the pulpits as a virtue. This article traces the virtue-theoretical reasoning of the three main paradigms that usually defi ne the common understanding of humility.