Zusammenfassung / Summary
In der 1812 gehaltenen Vorlesung über die Sittenlehre entwickelt Fichte, auch in Abgrenzung zu Kants Metaphysik der Sitten, eine Ethik, die sich auf den ‚Begriff‘ im fichteschen Sinne gründet. Er setzt diesen Begriff in ein Verhältnis zum sittlichen Ich sowie zum moralischen Gesetz. Fichte beschreibt auf diesem Boden die sittliche Prägung von Ich und Welt und qualifiziert die Menschheit als den eigentlichen Ort des Sittlichen. Der Beitrag zeichnet die Argumentation nach und stellt abschließend die Frage nach der Freiheit des sittlichen Ich sowie nach der Perspektive, aus der eine Ethik formuliert werden kann. Er vertritt die These, dass die Freiheit des Ich nicht geleugnet wird und dass Fichte den Anspruch erhebt, eine Ethik 2 auch aus der Perspektive der dritten Person zu entwerfen. Darin, dies plausibel zu machen und ein Verständnis der Welt als Ergebnis sittlicher Handlungen rechtfertigen zu können, liegt der Wert einer vom ‚Begriff‘ her entwickelten Sittenlehre.
In his 1812 lectures on ethics, Fichte distances himself from Kant’s Metaphysics of Morals and develops moral philosophy founded on the Fichtean “concept”. He relates this concept to the moral subject and to moral law. Based on this, Fichte describes how the “I” and the world are morally formed, and specifi es humanity as the actual locus of morals. Following Fichte, this article fi nally raises the question of the freedom of the moral I, and of the perspective from which an ethic can be conceived. It argues that the freedom of the I is not denied, and that Fichte maintains that he is outlining a moral philosophy also from the third-person perspective. The value of an ethic developed from “concept” consists in actually making plausible this third-person approach and in promoting an understanding of the world as resulting from moral actions.