Die Mittelbronzezeit im Federseebecken

Rund um die ehemalige Insel Buchau kamen im Rahmen von Grabungen dendrochronologisch datierbare Siedlungen zutage. Analysen geben Aufschluss über das Zusammenspiel zwischen den Fundstellen im Moor und Plätzen auf festem Boden.

Während der Grabung in Bad Buchau-Pflegeheim kam der Rest eines abgeknickten Pfahls zu - tage. Dieser zeigt die gleiche abgesetzte Spitze wie die Bauhölzer der Siedlung Forschner. Im Vordergrund sind weitere Pfahllöcher erkennbar, im Hintergrund weiteres Bauholz.
Während der Grabung in Bad Buchau-Pflegeheim kam der Rest eines abgeknickten Pfahls zu - tage. Dieser zeigt die gleiche abgesetzte Spitze wie die Bauhölzer der Siedlung Forschner. Im Vordergrund sind weitere Pfahllöcher erkennbar, im Hintergrund weiteres Bauholz.© RPS-LAD/W. Hohl

Die Siedlung Forschner und weitere dendrochronologisch datierte Baustrukturen um die ehemalige Insel Buchau im Federseebecken bilden eine nördlich der Alpen einzigartige Abfolge von früh- und mittelbronzezeitlichen befestigten Anlagen mit Feuchterhaltung. Die Auswertung der Bauhölzer erlaubt einmalige Einblicke in die Art und Weise der Befestigungen sowie die zeitliche Abfolge der Baugeschichte. Durch die Feuchterhaltung der Fundstellen lässt sich nicht nur das Zusammenspiel zwischen Moorsiedlungen und Mineralbodensiedlungen mit hoher zeitlicher Auflösung rekonstruieren, sondern auch der menschliche Einfluss auf die Umwelt und die Ressourcennutzung in einer Siedlungskammer erforschen, die während der Bronzezeit über Jahrhunderte intensiv genutzt wurde.

Mittelbronzezeitliche Fundstellen im Federseebecken und Bohrtranssekte. Sf Siedlung Forschner, BuW Bad Buchau Wuhrstraße(Bohlenweg), Bad Buchau Pflegeheim (Brücke). BbH Bad Buchau Hanfweiher (Steg ). BbN Buchau Neuweiher (Einzelfund). Zahlen: dendrochronologisch datierte Schlagphasen bzw. Hölzer.
Mittelbronzezeitliche Fundstellen im Federseebecken und Bohrtranssekte. Sf Siedlung Forschner, BuW Bad Buchau Wuhrstraße(Bohlenweg), Bad Buchau Pflegeheim (Brücke). BbH Bad Buchau Hanfweiher (Steg ). BbN Buchau Neuweiher (Einzelfund). Zahlen: dendrochronologisch datierte Schlagphasen bzw. Hölzer. Zeichnung und Ergänzung A. Kalkowski LAD nach H. Schlichtherle in Siedlungsarchäologie im Alpenvorland XI. Forsch. u. Ber. Vor- u. Frühgesch. Baden-Württemberg 113 (Stuttgart 2009) 9ff.

Die Fundstelle wurde 1905 beim Torfstechen entdeckt und nach dem Biberacher Archäologen Heinrich Forschner benannt, der ihre wissenschaftliche Bedeutung bereits 1920 erkannte. Nach ersten Probesondagen 1975 und 1982 fanden 1983 bis 1989 groß angelegte Flächengrabungen durch das Landesdenkmalamt Baden- Württemberg und das Württembergische Landesmuseum statt, die durch das DFG-Schwerpunktprogramm »Siedlungsarchäologie im Alpenvorland« finanziert wurden. Wie die Auswertungen der Hölzer im Dendrochronologischen Labor Hemmenhofen des Landesamtes für Denkmalpflege gezeigt haben, bestand zwischen 1767 und 1731 / 30 v. Chr. eine mit Palisaden und Holzmauer stark befestigte Siedlung (Forschner 1), die in drei Phasen ausgebaut wurde. Eine weitere Siedlung um 1600 v. Chr. ist nur schwach belegt (Forschner 2). Gut bekannt ist dann wieder die mittelbronzezeitliche Siedlung Forschner 3 mit datierten Hölzern zwischen 1519 und 1481 v. Chr.

Sogar eine Zugbrücke?

Größere Bauaktivitäten lassen sich in den Jahren 1508 v. Chr. und 1504 v. Chr. fassen, um 1494 v. Chr. und 1481 v. Chr. finden letzte Erneuerungen statt. In ihrer Konstruktionsweise folgen diese Aktivitäten der Siedlung Forschner 1: Die umlaufende Befestigung bestand abschnittsweise aus einer Holzmauer (horizontal gefügte Eichenbretter) oder aus einer Palisade mit eng stehenden Pfählen. Pfahlreihen auf der Innenseite der Holzmauer deuten auf einen Wehrgang hin, Mehrfachstellungen massiver Eichenpfähle mit einer Lücke dazwischen lassen sich als befestigte (Zug-) Brücke mit Torturm interpretieren. Der weitere Verlauf des dazugehörigen Bohlenweges nach Süden in Richtung Wasserscheide ist noch nicht bekannt. Von der Innenbebauung ist nicht mehr viel erhalten, die Siedlung selbst ist aber deutlich größer als ihr frühbronzezeitlicher Vorgänger mit einer Innenfläche von um die 7000 m2 Fläche. Größe, Befestigungen und der Reichtum der Funde, die noch nicht publiziert sind, sprechen für eine zentralörtliche Funktion der bronzezeitlichen Siedlungen Forschner.

Buchau war ursprünglich eine Insel, deren höchste Erhebung etwa 3 km nordwestlich der Siedlung Forschner am westlichen Rand des Federseebeckens liegt. Von der kürzesten Verbindung der ehemaligen Insel zum Festland sind schon seit den 1990er-Jahren mehrphasige Bohlenwege bekannt, die teils in die Mittelbronzezeit datieren (Bad Buchau Wuhrstraße). In deren Fortsetzung fanden sich bei Rettungsgrabungen für ein Pflegeheim 2018 / 19 dichte Lagen von verstürzten, teilweise angekohlten Hölzern und Bauelementen, die als Reste von Brückenkonstruktionen interpretiert werden (AiD 4 / 2021, S. 8). Erste Jahrringanalysen an Buchen durch das Dendrochronologische Labor in Hemmenhofen zeigen Bauaktivitäten im Winterhalbjahr 1434 / 33 v. Chr., was durch 14C-Daten gestützt wird. Die typochronologische Ansprache des nicht sehr umfangreichen, aber qualitätvollen Fundmaterials deckt die Stufen Bz B2 bis Bz C2, evtl. auch noch Bz D ab. Offensichtlich befanden sich auf der Insel ab der Mitte des 15. Jh. v. Chr. bedeutende Ansiedlungen, bis jetzt sind aber nur Einzelfunde bekannt. Eine weitere mittelbronzezeitliche Steganlage konnte 2022 in der Flur Hanfweiher am Ostrand der ehemaligen Insel Buchau ausgegraben werden. Drei Waldkantendaten der verbauten Eschen liegen bei 1453 v. Chr. Die Jahrringmuster der Eschenhölzer sind sehr ähnlich zu jenen der Bohlenwege von Bad Buchau-Wuhrstraße, es handelt sich möglicherweise um Holz aus demselben an Eschen reichen Bestand. Im Pollendiagramm aus Bad Buchau-Torfwerk, nur 2 km südlich der Siedlung Forschner, sind in dieser Zeit kontinuierliche Anzeiger für Getreideanbau und Brache bzw. Beweidung vorhanden, es findet aber keine signifikante Entwaldung statt. Pollenanalytische Ergebnisse aus verschiedenen Bohrungen im südlichen Federseeried zeigen während der dendro- und typochronologisch fassbaren Zeiträume kontinuierliche menschliche Aktivitäten in der Landschaft an, die nach der Aufgabe der Siedlung Forschner um 1480 v. Chr. sogar noch zunehmen.

Enge Verbindungen zwischen den Siedlungen

Alle drei Fundstellen zeigen enge Verbindungen, einerseits zeitlich über die dendrochronologischen Datierungen, andererseits im Fundmaterial und in der Bautradition. Die ähnlichen Jahrringmuster weisen auf die Verwendung der gleichen Waldressourcen in der Umgebung hin. Obwohl bisher nur wenige Hölzer dendrochronologisch datiert wurden, zeichnet sich bereits jetzt eine Gleichzeitigkeit der Bauaktivitäten in der Siedlung Forschner 3 mit den Bohlenweg-Brücken-Konstruktionen und dem Steg auf die Insel Buchau ab.

Pollenprofil von Bad Buchau Torfwerk. Zeiger auf Ackerbau und Brache bzw. Beweidung sind rot markiert, die Besiedlungsphasen der Siedlung Forschner grau hervorgehoben.
Pollenprofil von Bad Buchau Torfwerk. Zeiger auf Ackerbau und Brache bzw. Beweidung sind rot markiert, die Besiedlungsphasen der Siedlung Forschner grau hervorgehoben. Überarbeitung E. Marinova LAD nach H. Liese-Kleiber, Siedlungsarchäologie im Alpenvorland XIII. Forsch. u. Ber. Vor- u. Frühgesch. Baden-Württemberg 128 (Darmstadt 2016) Beil. 5,6

Eine Gleichzeitigkeit zweier potenzieller Zentralorte im Federseebecken mit nur 3 km Abstand voneinander wirft neue Fragen zu den Territorien, der Selbstversorgung und der Kontrolle der Verkehrswege bzw. Teilhabe an entsprechenden Netzwerken auf. Hier könnte die Wasserscheide zwischen den Einzugsgebieten von Donau und Rhein und die damit verbundene direkte Verbindung von Donau über Schussen und Bodensee ins Alpenrheintal eine wichtige Rolle gespielt haben. Mit dem Bussen und der Heuneburg liegen die nächsten mittelbronzezeitlichen Höhensiedlungen nur 13 km in nördlicher bzw. 19 km in westlicher Richtung. Die Landschaft zwischen Donau und Bodensee bietet reiches Potenzial für interdisziplinäre Untersuchungen zur Hierarchisierung, zur Landnutzung und zum Ressourcenmanagement in einer vermutlich kontinuierlich genutzten mittelbronzezeitlichen Siedlungskammer.

Das Jahresabonnement der Archäologie in Deutschland

Nutzen Sie den Preisvorteil!

  • Abopreisvorteil (D):
    99.- € zzgl. 6,30 € Versand (D) statt 131,55 € im Einzelkauf
  • inkl. Digitalzugang
  • 11,- € pro Ausgabe im Abo
  • insgesamt 9 Ausgaben im Jahr: 6 reguläre Hefte und 3 Sonderhefte
  • ohne Risiko, jederzeit kündbar 
Jetzt gratis testen