Noch während des frühen Mittelalters lassen sich in den Siedlungsgebieten der Friesen gesellschaftliche Unterschiede im Hinblick auf wirtschaftliche Potenz an reich ausgestatteten Bestattungen auf Körpergräberfeldern ablesen. Mit der Christianisierung werden diese Nekropolen dann beigabenlos.
Erst wieder mit den friesischen Volksrechten des 11. bis 13. Jh. existiert eine Überlieferung, die Einblicke in die Gesellschaftsstruktur der Bewohner in den Marschlandschaften und der angrenzenden Geest zwischen Ems und Weser gestattet. Demnach lebten und wirtschafteten die Friesen dort auf genossenschaftlicher Basis frei und in Landesgemeinden organisiert zusammen und wählten bei Bedarf sogenannte Redjeven oder Richter, die die Belange der Gemeinschaft nach innen und außen vertraten. Daneben existierten geistliche Gewalten der Bischöfe von Bremen und Münster sowie weltliche Herrschaftsträger in Form der Oldenburger und westfälischen Grafen. Wie die Geschichtsschreibung festhält, konnten, diese ihre Machtansprüche in dem durch zahlreiche Wasserläufe stark zergliederten Marschland der friesischen Küstenregion, das zudem auf den Geestböden im Zentrum und im Süden durch einen schwer zu durchdringenden Moorgürtel abgegrenzt war, jedoch nicht vollumfänglich durchsetzen.
Von Richtern und Häuptlingen
In diesem Machtvakuum etablierten sich deshalb friesische Eliten, die Häuptlinge, als lokale Herrschaftsträger. Zur Festigung ihrer Macht und herrschaftlichen Repräsentation errichteten sie mit ihren Familien »Feste Häuser«, das heißt Turmhäuser aus Backstein, gründeten Eigenkirchen und pflegten eine besondere Bestattungskultur. Ein Forschungsprojekt des Niedersächsischen Instituts für historische Küstenforschung versucht, diese Prozesse auf Grundlage archäologischer Quellen und historisch-geografischer Untersuchungen zeitlich und räumlich näher zu fassen, als es allein mit der spärlichen schriftlichen Überlieferung möglich wäre.
Durch Auswertung archäologischer und historisch-archivalischer Quellen lässt sich auf der ostfriesischen Halbinsel und in Butjadingen eine stattliche Zahl von rund 420 Standorten ehemaliger Befestigungen nachweisen. Hinzu treten nicht weniger als 150 Kirchen aus Granitquadern, Tuff- oder Backstein, die oftmals in nur wenigen Kilometern Entfernung zueinander errichtet worden sind.
Wie lässt sich diese große Menge an Steinbauten erklären? Ein Schwerpunkt der Burgen und Kirchen liegt in der fruchtbaren, durch Klei geprägten Marsch, bei der es sich ursprünglich um ein durch Gezeiten geprägte, nacheiszeitliches Schwemmland handelt. Nur wenige Nachweise solcher Bauten finden sich hingegen auf der angrenzenden sandigen und leicht erhöhten Geest, deren Entstehung auf die Eiszeiten zurückgeht.
Beide Landschaftszonen erscheinen auf den ersten Blick ausnehmend flach. Unterschiede von nur wenigen Dezimetern lassen sich mit dem bloßen Auge in der Natur kaum erkennen. Bis zur vollständigen Eindeichung im 12. Jh. stellten die Marschen eine in hohem Maße veränderliche Schnittstelle zwischen Land und Meer dar. Als amphibische Landschaft dem Wechsel der Gezeiten sowie zahlreichen Sturmfluten ausgesetzt, zeigte sich dem in dieser Region seit dem Mesolithikum lebenden Menschen keine einheitliche Fläche. Vielmehr veränderten sich durch verschiedene Sedimentationsprozesse beständig die Küstenlinie und der Verlauf einzelner Priele, durch die das Wasser nach jeder Flut zurück in die Nordsee strömte.
Dieser Zustand wird noch heute deutlich, wenn man ein hochauflösendes Geländemodell betrachtet. Hierbei zeigt sich, dass die Marsch in zahlreiche, durch ehemalige Priele voneinander getrennte Areale zerfällt. Diese unterschiedlich großen Gebiete bildeten als agrarische Nutzfläche die wirtschaftliche Grundlage für die Errichtung von Gehöften. Großsiedlungen in Form von Städten fehlten in der Region bis in das ausgehende Mittelalter. Beispielsweise erhielten die Orte Jever und Aurich erst 1536 und 1539 Stadtrecht. Auch Emden, das bereits im 15. Jh. einen Bürgermeister besaß, stadtähnliche Strukturen aufwies und ein Wappen trug, blieb formal ohne dieses Recht.
Künstliche Hügel im flachen Land
Bei den sogenannten Wurten, auch als Warften bezeichnet, handelt es sich um künstliche, oftmals aus wechselnden Schichten von Mist und Klei aufgeworfene Siedlungshügel. Nach aktuellem Stand der Forschung sind Wurten in der Region vor allem während zweier Phasen entstanden: im Laufe der Römischen Kaiserzeit, beginnend vor rund 2000 Jahren, und dann nochmals seit dem frühen Mittelalter. Die kontinuierlichen Aufhöhungen waren einerseits ein Reflex auf den immer weiter steigenden Meeresspiegel, andererseits jedoch auch durch gesellschaftliche Faktoren verursacht, wie den zunehmenden Platzbedarf wachsender Siedlungen.
Oftmals errichtete der Mensch solche Wurten auf den ohnehin leicht erhöhten Strand- und Uferwällen, die sich entlang des Küstensaumes und der Priele durch kontinuierlichen Sedimenteintrag bildeten. Solchermaßen bieten sie den darauf stehenden Einzelhöfen, Gehöftgruppen, Mensch und Vieh bis heute einen gewissen Hochwasserschutz. In ihrem Umfeld bildeten sich zugehörige Wirtschaftsflächen heraus, etwa in Form von Salzwiesen und Viehweiden, jedoch auch agrarisches Nutzland. Möglich wurde dies, da die Bauern dieser Siedlungen schon vor der Jahrtausendwende begannen ihre Marschflächen zu schützen, indem sie ringförmige Deiche zwischen den Siedlungsstellen aufwarfen, die während des Sommers die Ländereien hochwasserfrei hielten, jedoch im Winter durch höher auflaufende Fluten überschwemmt wurden. Vorteilhaft erwies sich dabei eine beständige Düngung durch frisch aufgeschwemmten Klei.
Wer die Initiatoren dieser ersten Deichbaumaßnahmen waren, kann nur vermutet werden. Womöglich organisierten die wirtschaftlich potentesten Landbesitzer einer Siedlung das Vorgehen. Zumindest deutet sich eine gesellschaftliche Differenzierung innerhalb der Wurtensiedlungen bereits seit der Römischen Kaiserzeit durch deutlich unterschiedliche Hofgrößen und damit wirtschaftlicher Stärke an. Bei dem frühen Deichbau muss es sich jedoch um Gemeinschaftswerke einer oder mehrerer Siedlungen gehandelt haben, um den damit verbundenen hohen Arbeitsaufwand leisten zu können.
Nach der Christianisierung in karolingischer Zeit erfolgte eine systematische kirchliche Erschließung der Marschlandschaften. Die ersten Kirchstandorte wurden mit hervorragender Kenntnis wirtschaftlicher und verkehrstopografischer Gegebenheiten gewählt. Zu nennen sind die auf der hochwassersicheren Geest gelegenen Klöster in Reepsholt im Landkreis Wittmund und Rastede im Landkreis Ammerland sowie eine frühe Kirche in Leer auf einer Geestzunge unweit der wichtigen Verkehrsachse der Ems, die schon seit der Zeit um Christi Geburt eine Verbindung der Küstenregion mit dem Rheinland darstellte. Initiiert durch die Bischöfe von Münster und Osnabrück wurden dann spätestens im 12. Jh. Sendkirchen über das Land verteilt errichtet.
Die Auswahl dieser Kirchenstandorte scheint wesentlich durch zwei Parameter bestimmt worden zu sein: gute verkehrstechnische Anbindung und die Lage in wirtschaftlich besonders potenten Siedlungen. Als Beispiele können die Kirchen in Hohenkirchen und Sengwarden im Landkreis Friesland dienen: Die bereits zwischen dem 10. und 12. Jh. gegründeten Bauten liegen an geografisch zentralörtlichen Positionen in den historischen Landesgemeinden Wangerland und Östringen. Hier kreuzen sich bereits im 1. Jt. n. Chr. Land- und Wasserwege mit Anbindung zu den heute verlandeten Crildumer- und Maadebuchten.
Deiche, Vieh und Käse
Damit einhergehend scheint im 12. Jh. ein groß angelegter Landesausbau in den Marschen stattgefunden zu haben: Die Ringdeichstrukturen des frühen Mittelalters wurden durch einen Außendeich abgelöst. Diese gigantische Baumaßnahme und ihre fortwährende Unterhaltung gehören zu den größten mittelalterlichen Projekten in Europa. Die Träger dieser Unternehmung sind nicht eindeutig zu benennen: Sowohl bischöflicher Einfluss als auch ein Zusammenschluss der friesischen Landesgemeinden können diskutiert werden. Innerhalb einiger Jahrzehnte wurden die Agrarflächen dadurch um ein Vielfaches vergrößert, was eine bedeutende Steigerung der landwirtschaftlichen Produktion nach sich zog. Erzeugt wurden Käse, Butter und Mastvieh. Die Produkte transportierte man bevorzugt über den Seeweg in ihre Bestimmungsregionen. Während die ausgedehnten Moore und zahlreichen Wasserläufe für die Landwege Hindernisse darstellten, profitierten die Friesen auf dem Seeweg von der Anbindung an den wichtigen Flusshandel über die Elbe, Weser, Ems und den Rhein. Nicht unerhebliche Mengen Kapital flossen somit in den friesischen Küstenraum und führten in erheblichem Ausmaß zu gesellschaftlichen Veränderungen.
Diese Binnenkolonisation, begünstigt durch ein Klimaoptimum zwischen 800 und 1250 n. Chr., führte zu einer Überschussproduktion von Agrarerzeugnissen zur Versorgung der wachsenden Bevölkerung in den nicht-friesischen Gebieten, wie beispielsweise in den westfälischen Städten. In der Folge dessen gelang es einigen Familien, ihr wirtschaftliches und soziales Prestige deutlich zu steigern. Ihre Macht brachten sie durch den Bau von Eigenkirchen und Festen Häusern, auch Steinhäuser oder Stinzen genannt, zum Ausdruck.
Dendrochronologische Untersuchungen am erhaltenen historischen Dachwerk der St.-Sixtus- und Sinicius-Kirche in Hohenkirchen sowie der St.-Jakobus-Kirche in Sandel im Landkreis Friesland belegen den Beginn des Backsteinbaus in der Zeit um 1200, während Steinhäuser frühestens im fortgeschrittenen 13. Jh. zu fassen sind. Diese Häuser aus Backstein heben sich durch das Baumaterial und ihre drei Stockwerke mit den Funktionen Wirtschaften, Wohnen und Speichern deutlich von der übrigen Holzbebauung ab. Zu ihren fortifikatorischen Merkmalen gehören schmale Lichtschlitze oder Schießscharten, ein nur mittels einer Leiter oder Treppe erreichbarer Hocheingang und teils beträchtliche Mauerstärken von mehr als 1,5 m. Im Fehdewesen bildeten sie somit einen sicheren Rückzugsort und steigerten nicht zuletzt das Ansehen ihrer Erbauer.
Feste Häuser für die Häuptlinge
Das Feste Haus und weitere hölzerne Gebäude, darunter auch ein mutmaßliches Wohnhaus, sowie eine Süßwasserquelle, etwa in Form eines Brunnens, lagen geschützt auf einer Wurt in der Marsch oder auf der Geest und wurden gemeinhin durch mindestens einen Graben gesichert. Archäologische Grabungen auf der Burg der Häuptlingsfamilie »tom Brok« in Aurich sowie der Burg des Häuptlings Edo Wiemken und seines Enkels Sibet († 1433), der Sibetsburg im heutigen Stadtgebiet Wilhelmshavens, zeigen, dass teils auch die Nebengebäude Fundamente und Böden aus Backstein besaßen, obgleich Aussparungen im Mauerwerk ein aufgehendes Fachwerk vermuten lassen.
Folglich können Häuptlingsburgen als eigenständige Wirtschaftseinheiten ver- standen werden, deren Funktion über einen reinen Verteidigungscharakter hinausgeht. Hierbei konnten sie integraler Bestandteil einer Wurtensiedlung sein, oftmals hat man sie in unmittelbarer Nähe der Kirchen errichtet, wie noch heute in den Orten Hinte, Loquard und Uttum im Landkreis Aurich ersichtlich ist. In solchen Fällen standen sie entweder auf der eigentlichen Dorfwurt oder waren ihr auf einem separaten, kleineren Burghügel vorgelagert. Prominente Beispiele wie die Westerburg in Groothusen oder die Burg Westerhusen nahe Hinte verdeutlichen, dass der solchermaßen verfügbare Platz die Errichtungen ausgedehnter Wall-Graben- Anlagen erlaubte, die Burg und Ort gleichermaßen zu sichern halfen. Im Falle Osterhusens, östlich von Hinte, ist durch Schriftquellen sogar bekannt, dass sich »ummelang« des ganzen Ortes ein »bollwerck « befunden habe, welches 1430 zerstört worden sei. Die Reste eines entsprechenden Erdwalls sind noch heute im Geländerelief sichtbar.
Nicht immer ist diese Konstellation von Burg, Steinhaus und Siedlung jedoch vorzufinden. Eine Vielzahl trifft man abseits der Ortslagen an. Oftmals können sie kleinen Hofwurten zugeordnet werden, die im Zuge des Landesausbaus entstanden. Auch ist der fortifikatorische Charakter dieser kleineren Bauten nicht immer gesichert. Große Anlagen wie die Alte Beningaburg zwischen Wirdum und Grimersum im Landkreis Aurich oder die bereits genannte Sibetsburg dienten hingegen nicht nur der Sicherung familiären Landbesitzes, sondern ebenso der Kontrolle wichtiger Knotenpunkte von Land- und Wasserwegen zwischen den Siedlungen sowie als regionale Machtzentren.
Ein besonderes Phänomen ist in diesem Zuge der Umbau einiger aufgegebener Siedlungswurten zu Burgen: Im Falle des Woltersbergs bei Jever und der Burg Inhausen nahe Sengwarden ist ersichtlich, dass Burggräben in ältere Wurten eingetieft wurden. Die Flanken des Wurtenhügels sind hierbei gleichsam zu Wällen umgestaltet worden. Die Untersuchungen des Projekts zeigen, dass es sich um Burgen des 14. und 15. Jh. handelt, diese Wurten jedoch zuletzt in der Römischen Kaiserzeit und im Frühmittelalter besiedelt gewesen sind. Aufgegebene Wurten sind prinzipiell nicht ungewöhnlich, das Besondere ist jedoch die Art ihrer sekundären Nutzung: Offenbar waren sie aufgrund ihrer räumlichen Lage und des bereits vorhandenen Hügels für den Burgenbau attraktiv.
Wer es sich leisten konnte, errichtete darüber hinaus eine Eigenkirche in seiner Wurtensiedlung. Großkirchen, wie zum Beispiel in Marienhafe im Landkreis Aurich mit Dimensionen wie etwa der Osnabrücker Dom, werden an Schnittpunkten wichtiger Land- und Seewege errichtet, ohne dass dort dann auch eine größere Siedlung entsteht. Vielmehr dürften diese Sakralbauten unter Zusammenschluss mehrerer potenter Familien umliegender Einzelwurten als Bauträger entstanden sein.
Um die Mitte des 15. Jh. brachten einige Familien durch Fehden und geschickte Heiratspolitik großen Landbesitz zusammen. Gleichzeitig entstand ein neuer Bautyp auf den größeren Herrensitzen: Die bestehenden Steinhäuser wurden zu großen Gebäuden mit einer Länge von bis zu 30 m erweitert, die über einem Hochkeller oder im ersten Stock einen Saal aufnehmen konnten. Dieser repräsentative Raum wurde durch wappengezierte offene Kamine beheizt und diente sicherlich zur Ausrichtung von Festen und Versammlungen.
Aus dem Alltag der Ostfriesen
Schlaglichtartig gestatten archäologische Bodenfunde aufschlussreiche Einblicke in das Leben der Menschen während des Mittelalters. Kämpferische Auseinandersetzungen im Rahmen von Familienfehden und Belagerungen werden durch zahlreiche auf Burg- und Kirchplätzen geborgene Armbrustbolzenspitzen offenbar. Den Einsatz von großen Schleudern (Bliden) und frühen Feuerwaffen belegen bis zu 80 kg schwere Steingeschosse.
Neben lokal gefertigtem Kochgeschirr aus Keramik dienten Holzbecher dem Genuss von Getränken. Vermögendere Haushaltungen konnten sich demgegenüber glasierte Keramik aus Frankreich und von der Britischen Inseln oder auch Steinzeugkrüge aus dem Rheinland, Sachsen und Südniedersachsen leisten. Verfeinerte Tischsitten belegen tiergestaltige Gießgefäße, sogenannte Aquamanilen. Trinkgläser wurden ebenfalls aus Südniedersachsen und Nordhessen importiert.
Funde von Werkzeugen und goldene Schnittreste zeigen die Herstellung von Edelmetallschmuck auf den Befestigungen. Zu den zahlreichen Goldfunden gehören Fingerringe, zum Teil mit magischen Inschriften, Spangen und Anhänger, einige gefertigt aus arabischen Münzen. Sogar ein Messerheft wurde durch einen Silberbeschlag mit Drachendarstellungen verziert.
Die Kirchbauten auf der friesischen Halbinsel dienten einerseits als Gemeindekirche und Rückzugsort, andererseits aber auch zur herrschaftlichen Grablege und Repräsentation. Ein beredtes Zeugnis davon legt ein romanisches Giebelfeld in der Kirche von Larrelt bei Emden ab. Dort ließ sich der Stifter Ippo im Zentrum des Tympanons auf einem Thron mit seinen Waffen darstellen, wie er mildtätige Gaben verteilt.
Ausgrabungen geben einen guten Einblick in die hoch- und spätmittelalterliche Bestattungskultur: Die Toten wurden in der Regel mit ihrer Kleidung in Holzsärgen beigesetzt. Über dem Gesicht eines jungen Mädchens aus Victorbur konnte zudem ein Schleier nachgewiesen werden. Deutlich lassen sich seit der zweiten Hälfte des 12. Jh. aufwendigere Gräber nachweisen, bei denen der Verstorbene in einem Sarkophag beerdigt wurde. Setzte man im europäischen Binnenland nur höchste Eliten in Steinsärgen bei, so lassen sich im friesischen Küstenraum über 150 Sarkophage belegen, die über die Flusssysteme und den küstennahen Schiffsverkehr aus dem Maingebiet und den Bentheimer Bergen westlich von Osnabrück in die Seemarschen transportiert wurden. Neben christlichen Dekoren tragen sie stilisierte menschliche Darstellungen, die zu den ältesten ihrer Art im deutschen Mittelalter gezählt werden können.
Wandel durch Krisen?
Die Bildung des Häuptlingswesens und der Burgenbau scheinen nicht nur Folge eines wirtschaftlichen Aufschwungs gewesen zu sein. Vielmehr geriet die landesgemeindliche Ordnung in eine Zeit der Krisen. Mit der »Kleinen Eiszeit« verschlechterte sich um 1300 die Situation: Schwere Sturmfluten überwanden Deiche und zerstörten ganze Landstriche. 1349 erreichte die Pest Ostfriesland. Gegen Ende desselben Jahrhunderts gelangten die aus der Ostsee vertriebenen Vitalienbrüder in die Region und verbündeten sich mit den friesischen Häuptlingen. Durch den zunehmenden Seeraub gerieten sie daraufhin in Konflikt mit der Hanse. Der Druck auswärtiger Machthaber auf die Region blieb bestehen. In Folge dessen erschütterten Fehden die Landschaft, neue Befestigungen entstanden. Schlussendlich wurde Ostfriesland in der Mitte des 15. Jh. Reichsgrafschaft unter der Führung nur einer Familie, den Cirksena.