»Wohlauf, lass uns eine Stadt bauen«

»Wohlauf, lass uns eine Stadt bauen«

Liebe Leserinnen und Leser, noch nie zuvor lebten so viele Menschen auf der Erde wie heute. Wir befinden uns in einer Zeit des Umbruchs und des Wandels, alles ist in Veränderung. Als völlig logisch erscheint uns daher das gewählte Zitat von Oscar Wilde sowie die existierende unglaubliche Menge an Städten, Ballungszentren und immer größer werdenden Megacitys, in denen sich solche Transformationen in hohem Maße ablesen lassen.

Auf tiefgreifende Veränderungen haben auch die Menschen in der Vergangenheit immer wieder aufs Neue reagieren müssen. Ganz besonders deutlich wird das in der späten Keltenzeit. Kriege, soziale Unruhen, eine neue Qualität und Quantität von Informationsfluss, Handel und Austausch führten zu elementaren Veränderungen im Gebiet des heutigen Europas. Zur Zeit der Kelten entstanden sehr bevölkerungsreiche Orte mit urbanem Charakter, sowohl die befestigten Oppida wie das sehr gut bekannte Manching an der Donau, als auch unbefestigte Großsiedlungen wie zum Beispiel Neubau bei Linz. In diesen Zentren wie Manching oder Altenburg-Rheinau prosperierten Wirtschaft und Wohlstand auf der einen Seite. Als Konsequenz des engen menschlichen Miteinanders folgten jedoch auf der anderen Seite Entsorgungsschwierigkeiten und damit Hygienemissstände sowie Sicherheitsprobleme, die zu sozialen Spannungen bis sogar zur Siedlungsaufgabe führten.

Wer waren diese Menschen, die in oder mit jener frühen Urbanität lebten? Hier kann die Archäologie sogar Antworten liefern, die sich auf Religion und Gesellschaft, auf Werte- und Glaubensvorstellungen jener Zeit fokussieren. Der Stamm der Treverer beispielsweise zeichnet sich durch elitäre Prunkgräber und Kultbezirke aus, demgegenüber stehen Funde, die ein hartes und schweres Leben der restlichen Bevölkerung bescheinigen. Auf den britischen Inseln, abseits des Kontinents, haben sich teilweise andere Lebensweisen erhalten, die von externen Einflüssen und kultureller Adaption zeugen.

Neben dem Schwerpunktthema weisen auch die anderen Beiträge einen indirekten Bezug zu unserem heutigen modernen Leben auf. Seien es Gesundheitsaspekte des Mittelalters, eisenzeitliche Hair-Extensions, die Wikingerzeit als Sehnsuchtsort oder aber die Sportarchäologie der Moderne, ein Beitrag, der gerade recht kommt zu den Olympischen Spielen in Paris.

Sie werden sehen, dass sowohl der gesellschaftliche Wandel als auch eine damit verbundene Transformation der Städte und Bräuche der Menschheit nicht unbekannt ist und diese sich ständig neu erfindet. Dies sollte uns zu hoffen geben und auf jeden Fall den Spaß am Lesen dieses Heftes noch bestärken.

Ihr Dirk Rieger, Leiter der Archäologie und Denkmalpflege der Hansestadt Lübeck 

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