Von Santa Eulalia zu den SuebenDas spätantike Mérida

Jahrhunderte lang war die Iberische Halbinsel Teil des Römischen Reiches. Mit dem Ende der römischen Herrschaft gingen umfangreiche Veränderungen einher, die sich auch im Antlitz der Städte widerspiegelten. Ein gutes Beispiel dafür ist die Colonia Augusta Emerita, das heutige Mérida.

Im Jahr 304 wurde in Mérida die junge Eulalia aufgrund ihres Bekenntnisses zum Christentum hingerichtet. Digitale Rekonstruktion des Innenraumes der Eulalienkirche, Blick nach Osten.
Im Jahr 304 wurde in Mérida die junge Eulalia aufgrund ihres Bekenntnisses zum Christentum hingerichtet. Digitale Rekonstruktion des Innenraumes der Eulalienkirche, Blick nach Osten.© ATLAS-Iconem-IRAA, LVR-Archäologischer Park Xanten/LVR-RömerMuseum

Im Jahr 25 v. Chr. gründete Kaiser Augustus anlässlich seines Sieges über die Kantabrer und Asturer im Südwesten der Iberischen Halbinsel eine Colonia, die seinen Namen trug: Augusta Emerita, das heutige Mérida in der spanischen Extremadura. Schon kurz nach der Gründung wurde die noch junge Colonia zur Hauptstadt der neu eingerichteten Provinz Lusitanien bestimmt und von Augustus besonders gefördert. Das verdeutlichen die ummauerte Fläche der Stadt von 85 ha, die Größe des ihr zugewiesenen Umlandes von rund 20 000 km2 und die öffentlichen Monumentalbauten. Augusta Emerita sollte die kaiserliche Macht und den Glanz Roms im Südwesten der Iberischen Halbinsel eindrücklich vor Augen führen.

Trotz ihrer politisch-administrativen Bedeutung ist über die weitere Geschichte der Stadt bis zum Ende des 3. Jh. wenig bekannt. Dies änderte sich erst in der Zeit um 300 n. Chr. Mit den Reformen der Kaiser Diokletian und Konstantin stieg Augusta Emerita zum Sitz des Vicarius der Dioecesis Hispaniarum auf, einem Verwaltungsbezirk, der die gesamte Iberische Halbinsel und Nordmarokko umfasste. In der Folge wurden Renovierungsarbeiten an Theater und Zirkus ausgeführt sowie die alte augusteische Stadtmauer instandgesetzt und mit zusätzlichen Türmen verstärkt.

Die konstantinische Zeit sorgte für einen Aufschwung, der sich auch in der privaten Wohnbebauung bemerkbar macht. Bei den Ausgrabungen im Wohnquartier Moreria wurden mehrere Stadthäuser untersucht, die – in augusteischer Zeit wohl für Veteranen errichtet – im Laufe der Zeit durch Einbeziehung von ehemals öffentlichem Raum vergrößert worden waren. Im 4. Jh. baute man luxuriöse Wandverkleidungen, Böden und Säulen aus Marmor ein.

Goldene Zikadenfibeln aus einem Grab in der Nekkropole Corralón de los Blanes,, vermutlich einer im frühen 5. Jh. aus dem östlichen oder südöstlichen Europa eingewanderten Person.
Goldene Zikadenfibeln aus einem Grab in der Nekkropole Corralón de los Blanes,, vermutlich einer im frühen 5. Jh. aus dem östlichen oder südöstlichen Europa eingewanderten Person. Consorcio Ciudad Monumental de Mérida

Bischöfe und Märtyrer

Mindestens ebenso bedeutsam wie die Erhebung zur Hauptstadt der Dioecesis war für die weitere Entwicklung der Stadt die im Jahr 304 vollzogene Hinrichtung des Mädchens Eulalia, das sich seines christlichen Glaubens wegen geweigert hatte, den heidnischen Göttern und den Kaisern zu opfern. An ihrem zu einer Gedenkstätte (memoria) ausgebauten Grab, das außerhalb der Stadtmauern im Nordosten von Augusta Emerita lag, entwickelte sich schon im Laufe des 4. Jh. ein bedeutender frühchristlicher Märtyrerkult.

Vermutlich noch im 5. Jh. errichtete man über dem Grab eine Kirche, in deren Krypta sich fortan die Bischöfe der Stadt bestatten ließen. Schließlich entstanden ein Kloster und unweit der Martyriumkirche auch eine Pilgerherberge (xenodochium), die fromme Gläubige von auswärts aufnahm. Dies unterstreicht die zunehmende Verehrung der Heiligen. Den Schriftquellen zufolge muss es weitere Kirchen und Klöster außer- und innerhalb der Stadt gegeben haben, die sich dem archäologischen Nachweis bislang weitgehend entziehen.

Die römische Colonia Augusta Emerita in der Extremadura Spaniens: Schon bei der Gründung durch Kaiser Augustus als Metropole geplant. Digitale Rekonstruktion.
Die römische Colonia Augusta Emerita in der Extremadura Spaniens: Schon bei der Gründung durch Kaiser Augustus als Metropole geplant. Digitale Rekonstruktion. digital heritage/J. R. Casals, LVR-Arch. Park Xanten/LVR-RömerMuseum

Nachdem Vandalen, Sueben und Alanen gelungen war, 408 / 09 die Pyrenäen zu überqueren, geriet Augusta Emerita in den Fokus der mit Rom und auch untereinander um die Kontrolle der Iberischen Halbinsel ringenden barbarischen Verbände. Erst nach dem Abzug der Vandalen und Alanen nach Nordafrika brachten die Sueben die Stadt in ihren Besitz und machten sie zur königlichen Residenz. 456 mussten sie sich jedoch den Westgoten geschlagen geben, die von Südfrankreich aus Zug um Zug ihre Vormachtstellung auf der Iberischen Halbinsel ausbauten, und zogen sich in den Nordwesten der Halbinsel zurück.

In dieser Zeit veränderte die Stadt ihr Antlitz: Die öffentlichen Monumentalbauten wurden in ihrer ursprünglichen Funktion aufgegeben und partiell umgenutzt. So sind sowohl im Bereich der beiden Foren als auch im Theater und Amphitheater Einbauten festgestellt worden, die als private Behausungen dienten. Spätestens im 5. Jh. waren auch zwei der drei Aquädukte nicht mehr in Betrieb und verfielen. Größere private Wohnhäuser in- und außerhalb der Stadtmauern wurden entweder verlassen oder – wie im Fall jener Häuser in der Moreria – zu kleineren Wohneinheiten umgestaltet, wobei man die luxuriösen Peristylhöfe in gemeinschaftliche Hinterhöfe umwandelte, in denen Kleingärtnerei und Handwerk betrieben wurden.

Säulen, Boden- und Wandverkleidungen aus Buntmarmor zierten im 4. Jh. die Häuser der wohlhabenden Bevölkerung. Die »Casa de los Marmoles« in der archäologischen Zone »Morería« in Mérida.
Säulen, Boden- und Wandverkleidungen aus Buntmarmor zierten im 4. Jh. die Häuser der wohlhabenden Bevölkerung. Die »Casa de los Marmoles« in der archäologischen Zone »Morería« in Mérida. Ch. Eger, Xanten

Sueben in Mérida?

Lange Zeit konnte die Archäologie keinerlei eigenständige Zeugnisse für die historisch belegte Anwesenheit barbarischer Gruppen in Mérida vorweisen. Dies änderte sich erst 2006 mit der Ausgrabung der suburbanen Nekropole »Corralón de los Blanes«, die aufgrund des stratigrafischen Kontextes in die erste Hälfte des 5. Jh. datiert wird. Von den insgesamt mehr als 100 zumeist beigabenlosen Körperbestattungen hob sich eine Gruppe von neun Gräbern ab, die sich durch die Bestattung der Toten mit Gefäßbeigaben sowie mit Schmuck und Kleidungszubehör von den übrigen Gräbern auszeichnet.

Bemerkenswert und auf der Iberischen Halbinsel zu dieser Zeit unbekannt sind bestimmte Formen des Kleidungszubehörs, wie Goldblechappliken, Silberblechfibeln und goldene Zikadenfibeln, die paarweise an den Schultern getragen wurden. Die Parallelen solcher Funde weisen überwiegend in das östliche Mittel- und südöstliche Europa. Somit dürften die Bestatteten zu jenen Migranten zählen, die mit den historisch bekannten Verbänden im frühen 5. Jh. auf die Iberische Halbinsel kamen. Ob es sich indes um Sueben oder andere Barbaren handelt, kann mit archäologischen Mitteln nicht entschieden werden.

Der Aufenthalt der Sueben in Mérida blieb ein kurzes Intermezzo. Ihre Präsenz hat im Stadtbild keine bleibenden Spuren hinterlassen. In der nachfolgenden Zeit der westgotischen Herrschaft war der Einfluss der katholischen Kirche für die weitere Entwicklung der Stadt maßgeblich. An ihrer Spitze stand der Bischof, der neben seiner geistlichen Funktion auch weltliche Macht ausübte und sich als Bauherr betätigte. Erst mit der arabisch-islamischen Eroberung im Jahr 713 setzte ein religiöser und kultureller Wandel ein, der im nachrömischen Stadtbild zu tiefgreifenden Veränderungen führte.

 

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