Jede historische Darstellung hat es schwer gegen das gängige Venedig-Bild: Seemacht, Skrupellosigkeit, Prunk und Ausschweifungen, dann Verfall bis in die modernden Fundamente und eine seit Jahrzehnten totgesagte Stadt – man »weiß doch schon alles«? Unter Federführung der DAMALSRedaktion behaupten sich die namhaften Autorinnen und Autoren brillant gegen diese Klischees und rücken sie behutsam, aber entschlossen zurecht. Stil und Tonfall der Einzelbeiträge sind bestens aufeinander abgestimmt: ein klares Vorgehen mit viel Platz für Kontext und Sachgehalt. Auch – und gerade – mit demonstrativ wenigen Skandalgeschichten lässt sich die Stadt zwischen den Elementen mit ihren Institutionen, Rivalitäten und energischen Vorstößen in die Außenwelt faszinierend darstellen.
Lebendig und dabei differenziert führt ein Sonderkapitel in die Welt des Handels ein, der Lebensgrundlage des Modells Venedig. Eingehend beleuchtet wird auch die unrühmliche Erfindung des Gettos in Wort und Sache samt der Selbstbehauptung der jüdischen Bevölkerung. Das Bild- und Kartenmaterial, nie zu erdrückend für die Beiträge, ist gut balanciert – mal holt es uns beim Vertrauten ab, mal überrascht es gekonnt. Für alle Wünsche von Urlaubsvorbereitung bis Lehnstuhlreise, von Zugfahrt bis zum ersten Einlesen vor Semesterbeginn eine mehr als solide Einführung in eine der bedeutendsten Stadtgeschichten Europas.