Bereits in den Jahren 2003 bis 2011 stand der Arendsee, mit seinen Abmessungen von etwa 3,5 mal 2 Kilometern und bis zu 50,5 Metern Tiefe der größte natürliche See Sachsen-Anhalts, im Mittelpunkt unterwasserarchäologischer Untersuchungen des Landesamtes für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt und des Tauchclubs Arendsee e. V., die von zahlreichen weiteren Institutionen aus verschiedenen Bundesländern unterstützt wurden. Der Auslöser der ersten unterwasserarchäologischen Untersuchung in Sachsen-Anhalt war die Entdeckung eines versunkenen Einbaums durch einen Sporttaucher des Tauchclubs Arendsee e. V., dem weitere bedeutende Funde und Erkenntnisse folgten.
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Im Jahr 2019 wurde die Erforschung des Arendsees durch das LDA Sachsen-Anhalt wieder aufgenommen und erbrachte bereits zahlreiche aufschlussreiche Erkenntnisse. So konnte etwa 2022 das bekannte, mittels einer Jahrringuntersuchung auf den Zeitraum um 1265 nach Christus datierte Wrack eines Prahms einer erneuten, detaillierten Untersuchung unterzogen werden. Zu den Neuentdeckungen gehören Metallbeschläge und Schnitzereien auf der Bordwand sowie am Bug des Schiffes. Der Neufund einer Rah mit Takellagen lässt den Schluss zu, dass es sich bei dem Prahm nicht um ein gerudertes Boot, wie bislang angenommen, sondern um einen Lastensegler handelte. Ebenfalls im letzten Jahr gelang 150 Meter vor dem Südufer des Sees der Nachweis einer alten Uferlinie, die sich in 16 Metern Tiefe über eine Länge von 300 Metern verfolgen lässt. Sie ist womöglich mit dem in mittelalterlichen Quellen benannten ›arnseo‹ beziehungsweise ›antiquum Arnesse‹ in Verbindung zu bringen, dem ›alten See‹, der von kleinerer Ausdehnung war und bis etwa 822 nach Christus bestand. Für diesen Zeitraum ist ein Erdfall überliefert, durch den der See deutlich vergrößert wurde. Seine heutige Gestalt erhielt er durch den dokumentierten Erdfall des Jahres 1685, bei dem auch eine Windmühle am Südostufer und etwa 20 Hektar Land versanken. Zwei Mühlsteine der versunkenen Mühle wurden geborgen und sind seit 1983 beziehungsweise 2000 auf dem Freigelände des ehemaligen Benediktinerinnenklosters in Arendsee zu sehen. In unmittelbarer Nähe zu der als ›Neue Tiefe‹ bekannten Stelle des Seefalls von 1685 wurde infolge neuer hochauflösender Sonaraufnahmen jüngst ein bisher unbekannter weiterer Seefall erkannt, der darauf hindeutet, dass auch nach 1685 sogenannte Subaquatische Subrosionsprozesse im Arendsee stattfanden.
Die Grundlage für die Untersuchungen des laufenden Jahres stellt eine hochauflösende Sonarerfassung des gesamten Sees dar, die Anfang 2023 im Auftrag des LDA Sachsen-Anhalt erstellt wurde. Aus deren Ergebnissen wurde ein aktuelles Datenmodell des Gewässers berechnet und durch das LDA ausgewertet. Im Ergebnis war es möglich, zahlreiche bislang unbekannte archäologisch relevante Objekte und Bereiche zu identifizieren. Insgesamt 25 Stellen sollen im Laufe dieser Woche in Zusammenarbeit mit dem Fraunhofer-Institut für Optronik, Systemtechnik und Bildauswertung – Institutsteil Angewandte Systemtechnik in Ilmenau, der Carl Zeiss Jena GmbH, dem Technischen Hilfswerk und den Tauchern des Wasserrettungsdienstes Halle (Saale) e. V. systematisch erkundet und dokumentiert werden. Neben Tauchern und Booten kommen hierbei zwei ferngesteuerte Unterwasserfahrzeuge zum Einsatz.
Dabei gelang in diesem Jahr mit Hilfe einer innovativen Unterwasserkamera der Carl Zeiss Jena GmbH eine eindrucksvolle 3D-Vermessung des mittelalterlichen Prahms. Daneben bilden die Fischzaunanlagen im Arendsee einen Schwerpunkt der diesjährigen Untersuchung. Ein erster Fischzaun konnte bereits in den Jahren 2005 bis 2007 dokumentiert und teilweise geborgen werden. Die Fischfangeinrichtung besteht aus einer Konstruktion aus vorgefertigten mattenartigen Zaunelementen, die im See, an dünnen Staken befestigt, zu einem Zaun verbunden wurden. Den senkrecht unter Wasser aufgestellten hölzernen Zaun entlang wurden die Fische in eine bestimmte Richtung gelenkt, um sie an den gewünschten Stellen abzufischen. Die Altersbestimmung durch die Kohlenstoff-14-Analyse lieferte ein erstaunliches Alter von 4.600 Jahren. Die Konstruktion, die auf einer Länge von 150 Metern verfolgt werden konnte, stammt somit aus der späten Jungsteinzeit und stellt die älteste und längste Passivfischereieinrichtung des deutschen Binnenlandes dar. Auf jüngsten Sonarbildern konnten nun etliche Fundplätze mit unzähligen Staken identifiziert werden, die auf das Vorhandensein weiterer Fischzäune hinweisen. Diese wurden nun vor Ort durch ein zwölfköpfiges Team näher untersucht. Besondere Bedeutung kommt der gezielten Entnahme von Proben zu, die in den kommenden Monaten analysiert werden sollen und vor allem im Hinblick auf die Zeitstellung der Fischfanganlagen, die rund um den gesamten See beobachtet und beprobt wurden, aufschlussreich sein werden. So konnten zwei weitere, 2010 entdeckte Fischzäune in die Zeit um 1000 nach Christus datiert werden, so dass davon auszugehen ist, dass die Methode des Fischfangs mit Hilfe der beschriebenen Konstruktionen mindestens bis in diese Zeit gebräuchlich war.
Pressemitteilung des Landesamts für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt – Landesmuseum für Vorgeschichte