Amphoren – ISO-Container der Antike

Transportamphoren aus dem gesamten Mittelmeerraum wurden von Forscher:innen der ÖAW und einem internationalen Team untersucht. Sie stellten fest, dass Produktionsstätten bereits seit dem 1. Jahrtausend v. Chr. Standardformen und Standardgrößen herstellten. Nicht viel anders als heute, reagierten sie damit auf eine erhöhte Nachfrage und passten Gewicht und Volumen der Amphoren an, um eine rasche und effiziente Versorgung mit Gütern zu ermöglichen.

Amphoren unter Wasser
Die geborgenen Amphoren werden im Wassertank am Centre d’Arqueologia Subaquàtica de Catalunya in Spanien gereinigt. (© ÖAW-ÖAI/H. González Cesteros)

In einer aktuellen Publikation beschreiben die Forscher:innen, dass die Produktion der Transportgefäße für flüssige und halbflüssige Waren einem stetigen Standardisierungsprozess unterworfen war. So existierten Standardformen, die beispielsweise gut von einer Person alleine zu tragen waren oder sich für den Transport per Land, Fluss oder Meer gleichermaßen eigneten.

Vergleichbar mit heutigen Frachtcontainern, wie den bekannten ISO-Containern auf Schiffen, Zügen und Lastwägen, war der Grund dafür vor allem eine effiziente Transportlogistik sowie die optimale Abstimmung von Produktions- und Absatzprozessen. Die Ergebnisse geben damit auch Einblick in die starke Vernetzung und hohe Komplexität der damaligen Wirtschaft.

MIT SPANISCHEM OLIVENÖL GERMANIEN EROBERT

Das internationale Team untersuchte in mehreren Case Studies Transportamphoren aus unterschiedlichen Produktionsstätten aus vorrömischer, römischer und byzantinischer Zeit. Dabei wurden jeweils die Form, das Fassungsvermögen, Stempel und Beschriftungen, Materialzusammensetzung und Handwerkstechniken der Amphoren ermittelt und verglichen. Die Forscher:innen setzten diese Ergebnisse dann in Beziehung zu regionalen Entwicklungen und historischen Ereignissen.

So lässt sich ein Anstieg der Produktion von Amphoren für Olivenöl in Südspanien durch die römische Eroberung Germaniens erklären. Die Ankunft einer großen Anzahl von Soldaten an der Nordgrenze des Römischen Reiches in augusteischer Zeit hatte einen direkten Einfluss auf die dortige Olivenölproduktion, da die Versorgung der Truppen mit Öl, Wein und anderen Mittelmeerprodukten gewährleistet werden musste.

STEIGENDE NACHFRAGE IM RÖMISCHEN IMPERIUM

Produktionsstätten passten sich also an veränderte wirtschaftliche Rahmenbedingungen an. Erhöhte Nachfrage führte dazu, dass neue Amphorenformen eingeführt wurden und variantenreichere lokale Formen nicht mehr produziert wurden. Das Verhältnis von Volumen zu Gewicht wurde regelmäßig erhöht, um die starke Nachfrage eines wachsenden Römischen Imperiums nach Waren aus den Provinzen zu befriedigen. Geliefert wurde in die gesamte damals bekannte Welt – sogar bis nach Indien.

„Von einer ‚industriellen‘ Produktion im heutigen Sinn kann man trotzdem nicht sprechen,“ erklärt Horacio González Cesteros. „Die Standardisierung der Amphoren ging nicht mit Industrialisierung, extremer Spezialisierung und Massenproduktion einher. Denn anders als heute wurden die Produkte von den Töpfern handgefertigt, womit eine gewisse Abweichung vom Standard unvermeidbar war.“

Je nach Art des Produkts wurde übrigens eine andere Form der Transportamphore gewählt. Während Wein in zylindrischen Amphoren transportiert wurde, waren Amphoren für Öl häufig bauchig. Die durchschnittliche Kapazität für Amphoren umfasste beeindruckende 20 bis 30 Liter.

Die kürzlich gemachte Entdeckung eines Schiffswracks aus dem 1. Jahrhundert v. Chr. im Meer nördlich von Rom, auf dem hunderte Amphoren waren, zeigt, dass es entlang der antiken Seehandelswege immer noch neue Funde zu entdecken gibt. Die fast unversehrte Ladung mit Amphoren bietet Archäologen neues Material, um das antike Wirtschaftssystem weiter zu erforschen.

Meldung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften

Publikation:

Horacio González Cesteros – Justin Leidwanger (Hg.), Regional Economies in Action. Standardization of Transport Amphorae in the Roman and Byzantine Mediterranean, Proceedings of the International Conference at the Austrian Archaeological Institute and the Danish Institute at Athens, 16–18 October 2017, Sonderschriften des Österreichischen Archäologischen Instituts 63 (Wien 2023). 

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