In den letzten Jahren haben Studien gezeigt, dass die heute trockene Region Nordarabiens einst viel wasserreicher und grüner war und den Menschen während des Neolithikums Zugang zu Wasser und Wild bot. Durch die heutige Trockenheit der Region bleibt jedoch nur wenig organisches Material erhalten, was eine Rekonstruktion der neolithischen Lebensweise erschwert.
In einer neuen Studie, die in der Fachzeitschrift PLOS ONE veröffentlicht wurde, präsentieren Forschende vom Max-Planck-Institut für Geoanthropologie (MPI-GEA), dem National Research Council of Italy, dem Institute of Heritage Science (CNR ISPC) und dem University College London eine Analyse der Abnutzung von Mahlwerkzeugen, die in Jebel Oraf in der Nefud Wüste in Saudi-Arabien gefunden wurden. Sie geben damit neue Einblicke in dieses bisher wenig verstandene Kapitel der Menschheitsgeschichte. Die Abnutzungsanalyse zeigt, dass Mahlwerkzeuge zur Verarbeitung von Knochen, Pigmenten und Pflanzen verwendet wurden und während ihrer Lebensspanne mitunter für andere Zwecke eingesetzt wurden, bevor sie letztendlich aufgelöst und auf Feuerstellen platziert wurden.
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Menschliche Konstruktionen haben seit Jahrtausenden den natürlichen Raum verändert. Dennoch existieren nur wenige überlieferte Pläne oder Karten aus der Zeit der schriftkundigen Zivilisationen in Mesopotamien und im alten Ägypten. Forscher*innen der französischen Forschungsorganisation „Centre national de la recherche scientifique“ (CNRS) konnten gemeinsam mit Prof. Dr. Frank Preusser der Universität Freiburg, nun Gravuren in Jordanien und Saudi-Arabien als die ältesten bekannten maßstabsgetreuen Baupläne der Menschheitsgeschichte identifizieren. Diese 8.000 bis 9.000 Jahre alten Gravuren bilden sogenannte Wüstendrachen ab – kilometerlange prähistorische Megastrukturen, die dem Fangen von Tieren dienten.
In dieser Studie verwenden die Forschenden Hochleistungsmikroskope, um die Abnutzungsmuster der archäologischen Werkzeuge mit denen experimenteller Werkzeuge zu vergleichen. Bei Experimenten entstehen durch das Zermahlen von Getreidekörnern, anderen Pflanzen, Knochen oder Pigmenten charakteristische Makro- und Mikrospuren auf der benutzten Oberfläche der Werkzeuge – darunter Bruchstellen, Kantenabrundungen einzelner Körner, abgeflachte Bereiche, Rillen und verschiedene Arten von Polituren. Diese charakteristischen Spuren wurden auch auf den neolithischen Mahlwerkzeugen entdeckt, welche es dem Forschungsteam ermöglichen herauszufinden, welche Materialien verarbeitet wurden.
Obwohl tierische Überreste bereits gezeigt haben, dass in Jebel Oraf Fleisch gekocht und verzehrt wurde, deuten die Abnutzungsmuster darauf hin, dass Fleisch und Knochen zunächst auf Mahlsteinen bearbeitet wurden, was die Möglichkeit offenbart, dass Knochen zerbrochen wurden, um an das Knochenmark zu gelangen.
Mahlwerkzeuge wurden auch für die Verarbeitung von Pflanzen verwendet. Es gibt zwar keine Hinweise für domestiziertes Getreide in Nordarabien in dieser Zeit, doch die Autor:innen argumentieren, dass Wildpflanzen gemahlen und eventuell zu einfachen Broten gebacken wurden.
„Die Feuerstellen, an denen wir die Mahlwerkzeuge gefunden haben, waren extrem kurzlebig, und die Menschen waren möglicherweise sehr mobil – Brote wären somit ein gutes und leicht transportables Nahrungsmittel für sie gewesen“, sagt Maria Guagnin, Forscherin am MPI-GEA und eine der Hauptautor:innen der Studie.
Das Forschungsteam fand auch Hinweise auf die Verarbeitung von Pigmenten, die ihrer Meinung nach mit den neolithischen Malereien in Verbindung stehen könnten. Ihre Ergebnisse zeigen, dass Pigmente in viel größerem Umfang gemahlen und verarbeitet wurden als bisher angenommen. Dies deutet darauf hin, dass es mehr neolithische Felsmalerei gegeben haben könnte, als die wenigen erhaltenen Tafeln vermuten lassen.
„Es ist klar, dass Mahlwerkzeuge für die Bewohner von Jebel Oraf während des Neolithikums wichtig waren. Viele waren stark beansprucht, und einige wiesen sogar Löcher auf, die darauf schließen lassen, dass sie transportiert wurden. Das bedeutet, dass die Menschen schwere Mahlwerkzeuge bei sich trugen und ihre Funktionalität ein wichtiges Element des täglichen Lebens gewesen sein muss”, sagt Giulio Lucarini vom National Research Council of Italy, der zweite Hauptautor der Studie.
Diese Art der Analyse wurde bisher nur selten auf archäologisches Material von der arabischen Halbinsel angewandt, kann aber wichtige Informationen über die Herstellung, die Nutzung und die Wiederverwendung von Mahlwerkzeugen liefern, die wiederum Aufschluss über die Existenz, die Wirtschaft und die Kunst der Menschen geben, die sie hergestellt haben.
Die an dieser Studie beteiligten Forschenden arbeiten in enger Partnerschaft mit dem Saudischen Ministerium für Kultur zusammen. Weitere Partner sind die King Saud University und Kerninstitutionen im Vereinigten Königreich, Irland und Australien.
Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für Geoanthropologie