Als Vorlage für die Nachbildungen, die für die Experimente verwendet werden, dienten Funde aus den beiden bedeutenden Welterbestätten Göbekli Tepe und Çukuriçi Höyük in der Türkei. Laura Dietrich, Archäologin am Österreichischen Archäologischen Institut (ÖAI) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW): „Geschliffene Steinbeile sind eine Erfindung der frühen Jungsteinzeit um 9.600 bis 8.000 v. Chr. in Südwestasien. Sie ermöglichen eine der größten Veränderungen in der Geschichte der Menschheit: den Übergang vom Jagen und Sammeln zu Ackerbau und Viehzucht. Mit Beilen konnten große Flächen für den Ackerbau gerodet und erstmals dauerhafte Siedlungen mit massiver Holzarchitektur errichtet werden. Die neue Lebensweise war so erfolgreich, dass sie sich ab 6.500 v. Chr. bis nach Europa ausdehnte.“
Wertvolles Rohmaterial Grünstein
Während jungsteinzeitliche Geräte häufig aus lokal vorhandenen Gesteinen gefertigt wurden, sticht in Südwestasien eine Gruppe von Beilen aus grünlichen Gesteinen heraus. Die Rohmaterialien dafür wurden mit enormem Aufwand über weite Distanzen, teils mehrere hundert Kilometer, ohne Rad und Wagen transportiert. Diese Werkzeuge wurden nicht entsorgt, wenn sie brachen. Sie waren so wertvoll, dass sie immer wieder repariert, verkleinert und teils gelocht und zu Schmuck verarbeitet wurden.
Drei Experimente im MAMUZ sollen Funktion der Grünsteinbeile klären
Für die Experimente im MAMUZ Schloss Asparn/Zaya werden erstmals Beile aus Grünstein verwendet. Laura Dietrich: „Wir wissen, dass die Grünsteinbeile benutzt wurden, aber nicht wofür oder wie lange. Es ist unklar, ob sie nur für spezielle Tätigkeiten, etwa im rituellen Bereich verwendet wurden, oder auch für gewöhnliche Arbeiten. Dieser Frage möchte ich gemeinsam mit den Studierenden durch drei Experimente auf den Grund gehen. In einem Versuch wird ein totes Schwein zerteilt, in einem zweiten wird aus einem Kalksteinblock ein T-förmiger Pfeiler gehauen und im dritten ein Baum gefällt.“ Welche Ergebnisse die Experimente liefern werden, ist offen.
Hochleistungsmikroskope machen Spurenmuster sichtbar
Die Funktionen von Steinbeilen und anderen Geräten können Archäolog:innen heute mit modernster Technologie nachweisen. Unter Hochleistungsmikroskopen zeigen sich charakteristische Spurenmuster, die etwa vom Fällen von Bäumen, von Zimmermannsarbeiten, dem Säubern von Tierhäuten oder dem Schlachten von Tieren stammen können. Um diese Spurenmuster deuten zu können, sind Experimente nötig. Laura Dietrich hat eine spezielle Methode entwickelt, nach der diese Experimente ablaufen werden: Die jungsteinzeitlichen Geräte werden mit vorgeschichtlichen Techniken nachgebildet, zum Einsatz gebracht und im Anschluss auf die entstandenen Spuren untersucht. Von Repliken und Originalen werden dazu 3D-Modelle angefertigt und am Computer mithilfe KI-gestützter Programme verglichen.
Die archäologischen Experimente dienen nicht nur der Ausbildung von Studierenden des Instituts für Urgeschichte und Historische Archäologie der Universität Wien, sondern die erhobenen Daten fließen auch in ein neues Forschungsprojekt ein, das im Herbst startet. Ziel ist es, eine KI-gestützte Software zu entwickeln, die erkennen kann, welche Beile wie lange und für welche Tätigkeiten verwendet wurden.
Archäolog:innen im MAMUZ über die Schulter blicken
Besucher:innen des MAMUZ Schloss Asparn/Zaya können die Arbeit der Forscher:innen und Studierenden während der wissenschaftlichen Experimente beobachten und zusehen, wie der Verlauf dokumentiert, protokolliert und die Objekte mittels 3D Scan erfasst werden.
Nach Pressemitteilung der ÖAW