Meteoritisches Eisen ist sehr selten
Der Nachweis einer so frühen Verwendung von meteoritischem Eisen ist extrem selten. Die Pfeilspitze ist im Besitz des Bernischen Historischen Museums, sie ist 39 Millimeter lang und 2,9 Gramm schwer und stammt aus einer bronzezeitlichen Pfahlbaustation bei Mörigen am Bielersee (900 bis 800 v. Chr.). Dort wurde sie im 19. Jahrhundert bei Ausgrabungen gefunden. Um das unersetzliche historische Artefakt nicht zu beschädigen, musste bei der Analyse auf zerstörungsfreie Untersuchungsmethoden zurückgegriffen werden.
Die Kunst, aus Erz Eisen herzustellen, ist in Zentraleuropa seit Beginn der Eisenzeit um 800 v. Chr. nachgewiesen. Vor dieser Zeit galt das Metall als äußerst rar und kostbar – es war nur aus Meteoriten bekannt. Archäologische Objekte aus meteoritischem Eisen sind darum extrem selten und wurden einst wohl nicht als Gebrauchsgegenstände eingesetzt. In ganz Eurasien und Afrika sind nur 55 solche Objekte bekannt, diese stammen von 22 verschiedenen Fundstellen. Allein 19 Objekte stammen aus dem Grab des Pharaos Tutanchamun in Ägypten. Nur ein Teil der Artefakte wurde allerdings bisher mit modernen analytischen Methoden untersucht.
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Artefakte im Experiment
Naturwissenschaftliche Methoden haben die Erforschung
der Vorzeit in den vergangenen Jahrzehnten entscheidend
voran gebracht. Nichts zeigt dies so deutlich wie die Experimentelle Archäologie: Mittels Versuchen werden die Thesen der Geisteswissenschaftler auf den Prüfstand gestellt.
Neue Untersuchungsmethoden für Meteoriten
Die nun eingesetzten Methoden für die Analyse der Pfeilspitze in Bern umfassen Lichtmikroskopie, Rasterelektronenmikroskopie, Röntgentomographie, Röntgenfluoreszenz, Myonen-induzierte Röntgenspektrometrie (MIXE) sowie hochempfindliche Gammaspektrometrie. „Mit Gammaspektrometrie können wir von jeder beliebigen Probe einen radioaktiven Fingerabdruck erstellen und auch relativ kurzlebige Isotope finden“, sagt Physiker Schumann. „Die Produktion mancher dieser Isotope findet nur im Weltall statt.“ Dazu gehört sogenanntes Aluminium-26, das Schumann mit seinem Team in der Pfeilspitze finden konnte. „Damit konnten wir den zweifelsfreien Beweis erbringen, dass es sich bei dem Material um einen Meteoriten handelt, der über lange Zeit im Weltall der kosmischen Strahlung ausgesetzt war.“
Überraschendes Untersuchungsergebnis
Allerdings stammt dieser überraschenderweise nicht vom nahen Twannberg-Meteoritenstreufeld im Berner Jura/Schweiz. Mit rund 8,3 Prozent Nickel ist der Gehalt dieses Elementes in der Pfeilspitze fast doppelt so hoch wie im Twannberg-Meteorit. Ein hoher Germanium-Gehalt zeigt außerdem, dass es sich sehr wahrscheinlich um einen Meteoriten des Typs IAB handelt. Weiter deutet die eher niedrige Konzentration von Aluminium-26 darauf hin, dass die Probe aus dem Innern eines Meteoriten stammt, der ursprünglich eine Masse von mindestens zwei Tonnen hatte.
Bekannte große IAB-Eisenmeteoriten gibt es in Europa nur wenige. Als wahrscheinlichste Herkunft wird der Meteorit Kaalijarv angenommen, der während der Bronzezeit um etwa 1500 v. Chr. in Estland fiel. Der Fall dieses Meteoriten produzierte mehrere Krater mit bis zu 100 Metern Durchmesser. Da die größten Meteoritenfragmente am Boden explodierten, müssten viele kleine Splitter entstanden sein. Weitere Analysen in archäologischen Sammlungen Europas könnten Hinweise geben, ob sich die Spur der Pfeilspitze aus Mörigen nach Estland bestätigen lässt.
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Originalpublikation: Hofmann, B.A., Bolliger Schreyer, S., Biswas, S., Gerchow, L., Wiebe, D., Schumann, D., Lindemann, S., Ramírez García, D., Lanari, P., Gfeller, F., Vigo, C., Das, D., Hotz, F., v. Schoeler K., Ninomiya, K., Niikura, M., Ritjoho, N., Amato, A.: An arrowhead made of meteoritic iron from the late Bronze Age settlement of Mörigen, Switzerland and its possible source. In: Journal of Archaeological Science (2023). DOI: https://doi.org/10.1016/j.jas.2023.105827.
Das Projekt wurde koordiniert vom Naturhistorischen Museum Bern. Weiter beteiligt waren das Bernische Historische Museum, das Physikalische Institut der Universität Freiburg, das Institut für Geologie der Universität Bern/Schweiz und das Paul-Scherrer-Institut in Villigen/Schweiz.
Marc Schumann ist Professor für Astroteilchenphysik am Physikalischen Institut der Universität Freiburg. Zu seinen Forschungsschwerpunkten zählen die experimentelle Suche nach extrem seltenen Prozessen, wie etwa der dunklen Materie. Dazu baut er höchst empfindliche Detektoren mit geringster Eigen-Radioaktivität.
Pressemitteilung der Universität Freiburg