Die High-Tech Analyse eines Wurfholzes mit zwei Spitzen, das 1994 zusammen mit weiteren Holzwaffen in Schöningen, Lkr. Helmstedt, in einem Braunkohletagebau entdeckt wurde, zeigt, dass es geformt, getrocknet und geschliffen wurde, bevor es bei der Jagd auf Tiere zum Einsatz kam. Die neuen Forschungen belegen, dass die Technik der Holzverarbeitung des frühen Menschen deutlich entwickelter und ausgefeilter war, als bisher angenommen.
Die Ergebnisse, die heute in der Zeitschrift PLOS ONE veröffentlicht werden, lassen zudem vermuten, dass die Entwicklung leichter Jagdgeräte die Gruppenjagd auf kleine und mittelgroße Tiere ermöglichte. Wurfhölzer konnten von allen Gruppenmitgliedern – einschließlich der Kinder – verwendet werden.
Dr. Annemieke Milks von der Abteilung für Archäologie der University of Reading leitete die Untersuchung. Sie sagt: » Die Entdeckung von Holzwerkzeugen hat unser Verständnis des frühen menschlichen Verhaltens revolutioniert. Erstaunlicherweise zeigen diese bereits die Fähigkeit zu einer großen Planungstiefe, ein umfassendes Wissen über die Eigenschaften von Holz und viele Holzbearbeitungstechniken, die wir auch heute noch nutzen. Diese leichten Wurfhölzer waren wahrscheinlich einfacher zu werfen als die schwereren Speere, und solche Werkzeuge dürften auch von Kindern zum Erlernen des Werfens und Jagens verwendet worden sein«.
Co-Autor Dr. Dirk Leder vom Niedersächsischen Landesamt für Denkmalpflege ergänzt: »Die frühen Menschen von Schöningen nutzten einen Fichtenzweig, um dieses aerodynamische und ergonomische Werkzeug herzustellen. Die Holzverarbeitung umfasste mehrere Schritte, darunter das Einschneiden und Abziehen der Rinde, das Schnitzen in eine aerodynamische Form, das Abschaben eines größeren Teils der Oberfläche, das Trocknen des Holzes, um Risse und Verformungen zu vermeiden, und das Schleifen zur sicheren Handhabung«.
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Exklusiv in der AiD 2/2020
Jagdwaffe mit hoher Durchschlagskraft
Das 1994 gefundene, 77 Zentimeter lange Wurfholz ist eines von mehreren in Schöningen entdeckten Werkzeugen, darunter Wurfspeere, Stoßspeere und ein zweites ähnlich großes Wurfholz.
Das Wurfholz mit Doppelspitze, das für diese neue Studie mit Hightech bis ins Detail analysiert wurde, kam wahrscheinlich zur Jagd auf mittelgroßes Wild wie Reh und Rothirsch zum Einsatz. Auch schnelle kleine Beutetiere wie Hasen und Vögel, die sonst schwer zu fangen waren, konnten so erbeutet werden. Die Wurfhölzer wurden – ähnlich einem Bumerang – rotierend geworfen. Solche Jagdgeräte sind leicht und können auf Distanzen bis zu 30 Metern hohe Geschwindigkeiten erreichen, die zu tödlichen Treffern führten.
Die geglättete Oberfläche, die sorgfältig geformten Spitzen und der durch die Handhabung entstandene Glanz lassen auf eine aufwändig hergestellte Waffe schließen, die längere Zeit genutzt wurde und am Ufer des ehemaligen Schöninger Sees nach einem Wurf im Schilf verloren ging.
Projektleiter Thomas Terberger zeigt sich begeistert von den Ergebnissen: »Die von der Deutschen Forschungsgemeinschaft finanziell geförderte systematische Analyse der Holzfunde des Fundortes Schöningen liefert wertvolle neue Erkenntnisse für die Zeit vor 300.000 Jahren, und es sind bald weitere spannende Ergebnisse zu diesen einmalig erhaltenen frühen Holzwaffen zu erwarten«.
Das Wurfholz kann im Forschungsmuseum Schöningen am Fundort im Original besichtigt werden.
Publikation: A. Milks/ J. Lehmann/ D. Leder/ M. Sietz/ T. Koddenberg/ U. Böhner/ V. Wachtendorf/ T. Terberger, A double pointed wooden throwing stick from Schöningen, Germany: Results and new insights from a multianalytical study. PLOS ONE 18(7): e0287719. https://doi.org/10.1371/journal.pone.0287719