Der Schutz afrikanischen Kulturgutes

Die Rückgabe und der Schutz kolonialer Kulturgüter ist immer wieder ein Thema in Politik und Gesellschaft. Welches Recht gilt, welche politischen Überlegungen mitunter eine Rolle spielen und was Wissenschaftler:innen zur Debatte beitragen können, darüber spricht Dr. Hatem Elliesie vom Orientalischen Institut der Universität Leipzig im Kurzinterview.

Reliefplatte mit einem König (Oba) und vier Begleitern. 16. Jh. In Deutschand wurden die sog. Benin-Bronzen das Sinnbild für die Rückgabe und den Schutz afrikanischen Kulturgutes.
Reliefplatte mit einem König (Oba) und vier Begleitern. 16. Jh., III C 8208 (© Foto: Staatliche Museen zu Berlin, Ethnologisches Museum, Fotograf/in: Claudia Obrocki)

Dr. Hatem Elliesie vertritt aktuell die Professur für Islamisches Recht an der Universität Leipzig. Zudem ist er Gruppenleiter am Max-Planck-Institut für ethnologische Forschung in Halle/Saale und Nachwuchsgruppenleiter an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg.

Die Rückgabe von Kulturgütern ist ein großes Thema, das immer wieder aufgegriffen wird. Zuletzt gab es sogar ein Plädoyer für eine Rückgabe der Büste der Nofretete und des Pergamonaltars. Doch handelt es sich hierbei um rein politische Debatten und was kann die Wissenschaft beitragen?

Das Thema fand hierzulande Ende vergangenen Jahres wieder intensiver Eingang in die öffentliche Debatte um die Rückführung von Kulturgütern aus kolonialen Kontexten. Diese wurde in Frankreich im Jahr 2017 durch Präsident Macron angestoßen. In Deutschland wird sie seit 2019 mit Bezug auf die Benin-Bronzen geführt. Anlass dazu gab die Berliner Staatssekretärin Gomis. Sie hatte sich für die Rückgabe des bekanntesten Kunstschatzes des alten Ägypten ausgesprochen. Dieser wurde 1912 bei einer Ausgrabung der Deutschen Orient-Gesellschaft entdeckt und 1913 nach Deutschland verbracht. Zu dieser Zeit herrschte die Protektoratsmacht England in Ägypten und den Franzosen oblag die Antikenverwaltung. Seit 1924 fordert Ägypten die Büste regelmäßig zurück.

Dr. Elliesie ist sich sicher, dass eine Entscheidung einer gesellschaftlichen Debatte bedürfe. Der Wissenschaft wird dabei sicherlich wieder, wie es jüngst in Frankreich und in Italien zu sehen war, die verantwortungsvolle Rolle der Versachlichung der politischen Diskussion beigemessen.

Immer wieder ist in diesen Debatten von Raubgut die Rede. So kündigte der französische Staatspräsident Emmanuel Macron an, das Raubgut, das sich in französischem Besitz befindet, zurückzugeben. Wann spricht man von Raubgut, wann nicht?

Dr. Elliesie erklärte: „Der Begriff Raubgut wird im deutschen Sprachraum bei den Debatten in erster Linie auf Kulturgut bezogen, das zwischen 1933 und 1945 verfolgten Personen in der nationalsozialistischen Gewalt­herrschaft entzogen worden ist. Der Begriff und seine oft in Entsprechung verwendete Begrifflichkeit wie die „Raubkunst“ sind national und international nicht verbindlich definiert. Unter Raubkunst versteht man gemeinhin angeeignete Kunst- bzw. Kulturobjekte, die gewaltvoll oder durch Übervorteilung erlangt wurden. Diese Objekte müssen nicht unbedingt geraubt worden sein.“

Die Bezeichnung Kulturgut umfasst sowohl bewegliche als auch unbewegliche sowie immaterielle Güter. Kulturgüter sind in der Regel von archäologischer, geschichtlicher, literarischer, künstlerischer oder wissenschaftlicher Bedeutung. Materielle Kulturgüter können Bestände von Bibliotheken, Archiven und Museen, aber auch Baudenkmäler sein.

Dr. Elliesie thematisiert in seinen Vorträgen rechtliche Aspekte des Schutzes afrikanischen Kulturgutes und mögliche Ansprüche auf deren Rückführung in die Herkunftsländer. Welches beziehungsweise wessen Recht gilt denn?

Aufgrund der oft übernationalen Kontexte sind völkerrechtliche Vereinbarungen maßgeblich. So etwa das UNESCO-Übereinkommen über Maßnahmen zum Verbot und zur Verhütung der unzulässigen Einfuhr, Ausfuhr und Übereignung von Kulturgut von 1970, die UNIDROIT-Konvention über gestohlene oder rechtswidrig ausgeführte Kulturgüter von 1995 oder die Erklärung der Vereinten Nationen über die Rechte der indigenen Völker von 2007 (UNDRIP). Das UNESCO-Übereinkommen erstreckt sich dem Wortlaut nach explizit nicht auf den Zeitraum vor dessen Inkrafttreten. Dadurch scheiden kolonial erlangte Kulturgüter aus. Ähnlich verhält es sich beim nationalen Kulturgutschutzgesetz, dass eine 30-jährige Verjährungsfrist statuiert. Der UNIDROIT-Konvention nach können sogar Privat­personen Ansprüche erheben, was aber dazu geführt hat, dass nur wenige Länder die Vereinbarung ratifiziert haben.

Eine Rechtsverbindlichkeit lässt sich also ebenso wie bei der UNDRIP nicht ableiten. Daher wird in den Debatten auch stets von einem „moralischen Recht“ auf Rückführung gesprochen. Die Aussage Macrons ist demgemäß nicht rechtlich, sondern im Interesse der französischen Afrikapolitik zu sehen, die mit dem wachsenden Einfluss Chinas zu kämpfen hat und die frankophone Welt weiter an sich binden möchte.

Das Kurzinterview fand im Rahmen des Afrikanist:innen-Tages 2023 vom 04. bis 06.05.23 an der Universität Leipzig statt.
Nach einer Pressemeldung der Universität Leipzig

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