Burg der Thüringer Landgrafen und national wertvolles Kulturdenkmal
Hoch über Freyburg an der Unstrut (Burgenlandkreis) erhebt sich ebenso eindrucksvoll wie malerisch das Schloss Neuenburg. Die Anlage wurde Ende des 11. Jahrhunderts von Graf Ludwig dem Springer errichtet, stellte die größte Burg der Thüringer Landgrafen dar und stand auch in ihrer Bedeutung anderen wichtigen Burgen, wie etwa der ebenfalls von Ludwig dem Springer begründeten Wartburg, sicherlich in nichts nach. Heutzutage gilt sie als national wertvolles Kulturdenkmal sowie herausragende Station auf der Straße der Romanik.
Archäologie im Vorfeld der geplanten Baumaßnahmen auf Schloss Neuenburg
In den kommenden Jahren wird die Kulturstiftung Sachsen-Anhalt das Gelände von Schloss Neuenburg im Rahmen des Sonderinvestitionsprogramms (SIP) 1 des Bundes und des Landes Sachsen-Anhalt ausbauen und weiterentwickeln. Zu den geplanten Maßnahmen zählen unter anderem die Entstehung eines neuen Werkstatt- und Verwaltungsgebäudes im Bereich der ehemaligen Bettenmeisterei der Kernburg sowie eine neue barrierefreie Eingangssituation zur Vorburg, die einen angemessenen Auftakt beim Betreten des Geländes bilden und die Größe und Bedeutung der gesamten Anlage wahrnehmbar machen soll.
Im Planungsvorfeld dieses umfangreichen Vorhabens führt das Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt (LDA) seit 2022 bauvorbereitende archäologische Voruntersuchungen auf dem Gelände der Neuenburg durch. Bereits seit den 1990er Jahren ermöglichte die archäologische Begleitung von Sanierungs- und Umbaumaßnahmen auf dem Burgareal grundlegende Erkenntnisse zur Bau- und Nutzungsgeschichte der bedeutenden Anlage. Die aktuellen Sondagegrabungen ergänzen diese wichtigen Einblicke und verdeutlichen zugleich, dass im Untergrund der Burg weiterhin qualitativ hochwertiges Kulturgut in außergewöhnlicher und hochkomplexer Erhaltung schlummert.
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So konnten 2022 im Bereich der Vorburg, die mit ihren 11.500 Quadratmetern Fläche eine der umfangreichsten Vorburgen in Deutschland darstellt, am alten Hauptzugang zur Burg die baulichen Überreste eines Turmes aufgedeckt werden, der aus drei Lageplänen des 19. und 20. Jahrhunderts als ›alter Turmes‹ bekannt war (siehe Fund des Monats Februar 2023: Der ›alte Thurm‹ der Neuenburg, https://archlsa.de/bodendenkmalpflege/fund-des-monats/2023/februar-2023.html).
Eine herausragende Entdeckung auf dem Gelände der Kernburg gelang in Zusammenhang mit der bauvorbereitenden Untersuchung des Baugrundes im Bereich der ehemaligen Bettenmeisterei. Hier war bereits vor einigen Jahren bei Leitungsverlegungen auf dem Hof ein achteckiger Turm an der östlichen Ringmauer der Burg angeschnitten worden. Völlig überraschend jedoch konnte im Zuge der aktuellen Maßnahmen festgestellt werden, dass bis in eine Höhe von 2,20 Metern noch aufgehendes Mauerwerk dieses imposanten Turmes erhalten ist. Sein Durchmesser beträgt etwa zehn Meter, die Mauerstärke beläuft sich auf circa 1,70 Meter. Im kreisförmigen Turminneren konnten Fußbodenreste und Versätze eines Treppenaufgangs festgestellt werden. Errichtet wurde das mächtige Bauwerk um 1100. Ein weiterer vergleichbarer Turm ist etwa 50 Meter südlich erfasst. Beide gehören zu einem Befestigungssystem aus der ersten Ausbauphase der Burg und sind als wichtige Elemente der Verteidigung der Kernburg anzusprechen. Annähernd zeitgleich wurden ein Wall aus Kalkschotter, eine innere Ringmauer sowie eine weitere, in etwa sechs bis acht Metern Abstand parallel verlaufende äußere Mauer angelegt. Vorgelagert war ein circa zehn Meter tiefer Graben. Die gewaltige Befestigung mit den beiden achteckigen Türmen muss einen imposanten Anblick geboten haben.
Mehrecktürme wurden in der Forschung lange mit der Stauferzeit (1138 bis 1254) und hier vor allem mit Kaiser Friedrich II. (geboren am 26. Dezember 1194 in Jesi bei Ancona, Reichsitalien; gestorben am 13. Dezember 1250 in Castel Fiorentino bei Lucera, Königreich Sizilien) und seinem Castel del Monte in Apulien in Verbindung gebracht. Dessen Errichtung erfolgte allerdings etwa 150 Jahre später als der Bau des Achteckturms auf der Neuenburg. Ältere Beispiele aus dem Burgenbau im Heiligen Römischen Reich sind selten. Zu nennen sind etwa Türme von Befestigungsanlagen in Hilpoltstein in Franken und Sulzbach in der Oberpfalz, die ebenfalls aus der Zeit um 1100 stammen. Möglicherweise standen für diese frühen Achtecktürme entsprechende Kirchtürme Pate. Denkbar ist aber auch, dass die Türme der Stadtmauern von Konstantinopel als Vorbild dienten, die die ersten Kreuzfahrer auf ihrem Wege in das Heilige Land (1096 bis 1099) nachhaltig beeindruckten.
Ein internationaler Realisierungswettbewerb liefert Ideen für den ›Erlebnisort Schloss Neuenburg‹
Vorhandene historische Spuren zu respektieren und sie zugleich zeitgemäß zu gestalten und in die Gegenwart zu überführen – das ist die Aufgabe, der sich die Kulturstiftung Sachsen-Anhalt in den kommenden Jahren stellt. Die Stiftung ist als Eigentümerin der Burganlage auch für die Betreibung des Museums Schloss Neuenburg verantwortlich und plant, nicht zuletzt im Hinblick auf den Museumsbetrieb, umfangreiche Baumaßnahmen, um die Nutzungsbedingungen für alle Zielgruppen langfristig zu verbessern. Das umfasst Um- und Neubauten – zum Beispiel für ein neues Besucherzentrum – ebenso wie eine neue Landschaftsarchitektur für die Freifläche der Vorburg von etwa 1.000 Quadratmetern. Dafür stehen 20 Millionen Euro Fördermittel aus dem Sonderinvestitionsprogramm (SIP) 1 des Bundes und des Landes Sachsen-Anhalt zur Verfügung. Mit diesen Mitteln sollen Kern- und Vorburg ganzheitlich und denkmalgerecht als kulturtouristischer ›Erlebnisort Schloss Neuenburg‹ ausgebaut werden.
Auf der Grundlage eines bereits 2020 im Auftrag der Kulturstiftung Sachsen-Anhalt erarbeiteten Masterplans wurde Anfang Juli dieses Jahres ein interdisziplinärer Realisierungswettbewerb für Architekten und Landschaftsarchitekten ausgelobt. 14 ausgewählte Büros arbeiten zurzeit daran, die bestmöglichen Lösungen für dieses anspruchsvolle Vorhaben zu finden. Gefordert ist dabei der sensible Umgang mit der Denkmalsubstanz und eine dem Stellenwert von Schloss Neuenburg entsprechende hohe architektonische und gestalterische Qualität der Entwürfe. Für die spätere Bewertung der Entwürfe werden Besucherkomfort und Raumqualität sowohl bei den geplanten Neubauten als auch im Freiraum wichtige Kriterien sein. Hohe Anforderungen werden auch an die Funktionalität gestellt: Besucherführung, die Anbindung an den baulichen Bestand, Zugänglichkeit, Erschließung und Barrierefreiheit, bis hin zu Fragen von Anlieferung, Müllentsorgung oder die Schaffung von Fahrradstellplätzen sind hier Stichworte. Ressourceneffizienz, etwa im Hinblick auf Baustoffe, der Einsatz erneuerbarer Energien und Überlegungen zur Wirtschaftlichkeit sind weitere Punkte, die bei der Beurteilung der Entwürfe eine Rolle spielen werden.
Anfang November tritt das Preisgericht zur Begutachtung der Entwürfe aus dem Wettbewerb zusammen. Unter Würdigung der Empfehlungen des Preisgerichts wird einem der Preisträger dann die weitere Bearbeitung mit den Leistungen für die Objektplanung der Gebäude und die Freianlagenplanung übertragen – und das Großprojekt geht damit in seine nächste Phase.
Das Sonderinvestitionsprogramm (SIP) 1
Mit dem SIP 1 investieren der Bund und das Land Sachsen-Anhalt gemeinsam insgesamt 200 Millionen Euro in den Denkmalerhalt und in eine verbesserte kulturelle Nutzung ausgewählter Schlösser und Burgen der Kulturstiftung Sachsen-Anhalt. Schloss Neuenburg ist dabei eine von aktuell insgesamt elf Liegenschaften, an denen derzeit insgesamt 25 Einzelprojekte parallel in Vorbereitung bzw. Planung sind. Die Ausgangslage ist bei jedem Standort anders – daraus ergeben sich große Unterschiede bei der Entwicklung der einzelnen Projekte. Einige Zielsetzungen lassen sich jedoch auf nahezu alle Projekte übertragen: Es geht um die Sicherung der Denkmalsubstanz und damit um den Erhalt der Baudenkmale als Zeugnis der Geschichte für nachfolgende Generationen. Ebenso sollen durch eine Modernisierung und Entwicklung der Baudenkmale langfristig verbesserte Voraussetzungen für ihre kulturelle und wirtschaftliche Nutzung geschaffen werden.
Pressemitteilung des Landesamts für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt – Landesmuseum für Vorgeschichte –