Das internationale Forschungsteam wird Sedimentbohrkerne aus dem Meeresboden entlang der griechischen Küste entnehmen. Mithilfe dieser wollen die Wissenschaftler das Zusammenspiel von Klima-, Umwelt- und Kulturwandel während der vergangenen 11.500 Jahre rekonstruieren. Dem Forschungsteam gehören auch Heidelberger Archäologen und Geographen sowie Kooperationspartner aus Griechenland, Frankreich und den USA an.
Einblicke in Klima- und Kulturwandel
„Sedimentkerne aus dem Meeresboden können einzigartige Einblicke in den Klima- und Umweltwandel gewähren, der im Laufe der Geschichte im Mittelmeerraum stattgefunden hat. Gelingt es, sie zeitlich mit archäologischen Befunden auf dem Land zu korrelieren, wird es möglich, neue Rückschlüsse auf Zusammenhänge zwischen klimatischen Ereignissen und sozioökonomischen oder soziokulturellen Umbrüchen zu ziehen“, erläutert Prof. Dr. Jörg Pross, Forscher am Institut für Geowissenschaften der Universität Heidelberg und wissenschaftlicher Leiter der Forschungsexpedition. Das Besondere an den entnommenen Sedimentkernen ist, dass sich mit ihnen sowohl die Umweltbedingungen im Meer als auch auf dem nahegelegenen Festland rekonstruieren lassen. Sie enthalten ein breites Spektrum verschiedener Klima- und Umweltindikatoren. Diese stammen nicht nur aus dem Meer, sondern auch von Land – darunter Pollen von Landpflanzen oder molekulare Biomarker, die ins Meer gewaschen und am Meeresboden abgelagert wurden.
Ein Ziel wird es sein, die Auswirkungen kurzfristiger Klima- und Umweltveränderungen auf frühe menschliche Kulturen im ägäischen Raum nachzuvollziehen. So könnten etwa veränderte Klimabedingungen zum Ende der frühen Bronzezeit in Griechenland vor rund 4.200 Jahren beigetragen haben. Untersucht werden soll auch, ob eine Veränderung des Klimas Einfluss auf den soziokulturellen Wandel vor etwa 3.200 Jahren hatte, als die mykenische Kultur in Griechenland und das hethitische Großreich in Kleinasien zusammenbrachen. Zudem will das Forschungsteam anhand der Bohrkerne bestimmen, wie sich die Ausbreitung menschlicher Kulturen über die vergangenen 11.500 Jahre auf Ökosysteme an Land und zu Wasser ausgewirkt hat.
Massive Eingriffe in die Umwelt
Die Wissenschaftler haben auf ihrer Forschungsexpedition bereits erste Sedimentkerne, die während einer Vorgängerexpedition im Januar 2018 in der Ägäis entnommen wurden, ausgewertet. Die neuen Daten belegen, dass Menschen bereits vor tausenden Jahren massiv in die Umwelt eingegriffen haben. „Durch die Analyse der Bleigehalte und Blei-Isotopenverhältnisse in den marinen Sedimentkernen konnten wir zum Beispiel rekonstruieren, dass die darin erkennbare starke Zunahme der Bleikonzentration auf die massive Ausbeutung der Silberminen von Laurion vor etwa 2.700 bis 2.500 Jahren zurückzuführen ist. Diese Minen haben maßgeblich zum Reichtum und Aufstieg Athens beigetragen“, erklärt Prof. Pross. Gleichzeitig ging die Bewaldung im Hinterland massiv zurück – ein Hinweis auf den großen Holzbedarf bei der Erzgewinnung und Erzverhüttung, so der Heidelberger Paläoklimatologe.
Die bereits vorliegenden Daten lassen auch auf eine drastische Veränderung der marinen Nahrungskette schließen. So lebten bis vor rund 6.000 Jahren in der Ägäis wesentlich mehr Fische als heute, und die Fischpopulationen waren völlig anders zusammengesetzt. Ob hier neben klimatischen Einflüssen auch Überfischung durch frühe Kulturen eine Rolle gespielt haben könnte, will das Forschungsteam ebenfalls mithilfe der aktuellen Expedition beantworten. „Von Sedimentkernen aus der Nähe von Zentren früher menschlicher Zivilisationen, zum Beispiel auf Kreta oder der Peloponnes-Halbinsel, erhoffen wir uns neue Erkenntnisse zur Sensitivität und Resilienz früher Kulturen gegenüber dem Umweltwandel und zur Verwundbarkeit von Ökosystemen durch frühen menschlichen Einfluss“, so Jörg Pross.
Die Forschungsexpedition mit dem Forschungsschiff METEOR wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung sowie von der Deutschen Forschungsgemeinschaft gefördert.
Nach einer Meldung der Universität Heidelberg