Obwohl das Gelände durch zahlreiche moderne Bodeneingriffe wie zum Beispiel eine Tankstelle stark überprägt war, legten die Fachleute auf etwa 1.500 Quadratmetern Baubefunde und Bodenverfärbungen frei, die bis ins 13. Jahrhundert und somit in die Zeit der Stadtgründung zurückdatieren.
So wurden sechs Brunnen aus sorgfältig gesetzten Kalksteinplatten in den Hinterhöfen entlang der Königstraße wiederentdeckt. Allein drei davon lagen auf einer einzigen historischen Parzelle. „Aufgrund der Überschneidungen der Baugruben können wir erkennen, dass jeder Brunnen etwa 200 Jahre in Betrieb war, bevor er verfüllt wurde – nur um danach knapp fünf Meter entfernt einen neuen zu graben“, erläutert Grabungsleiter Thies Evers von der Fachfirma EggensteinExca die Situation.
Während die mittelalterlichen Häuserzeilen noch aus ebenerdigen Fachwerkbauten bestanden – hiervon haben sich kaum Überreste erhalten – begannen die Bewohner im 16. und 17. Jahrhundert auf einigen Parzellen massive Backsteinkeller zu errichten. Diese besaßen ein einheitliches Innenmaß von etwa vier Metern Breite. Die Menschen kamen über gemauerte Treppenstufen oder hölzerne Stiegen ins Innere, als Bodenbelag dienten große Kalksteinplatten oder Backsteine.
Kurz nach dem verheerenden Dreißigjährigen Krieg, in den 1650er Jahren, wurde entlang der Königstraße offenbar eine ganze Häuserzeile abgebrochen und die Keller dabei verfüllt. „Das Ereignis können wir ziemlich genau einordnen, weil im Abbruchschutt kleine Kupfermünzen zum Vorschein kamen“, so Evers weiter.
Alltägliches und Besonderes aus den Kellerverfüllungen
Alltägliches und Besonderes finden sich in der Kellerverfüllung nebeneinander: Koch- und Vorratsgefäße aus Eisen und Keramik, Klappmesser mit Knochengriffen, elegante Trinkgläser, Pinzetten für die Körperpflege, Gürtelschnallen aus Bronze, Stecknadeln für Schleier und Kopftücher sowie ein lederner Hausschuh wurden geborgen. Auch Bruchstücke aufwendig bemalter bunter Fensterscheiben mit Wappen und Figuren traten zutage.
Nach Mitte des 18. Jahrhunderts entstand neues Gewerbe auf dem Areal. 1761 erteilte der Bischof in Münster die Erlaubnis, in Telgte eine Keramikmanufaktur zu errichten und nach Ton für die Produktion zu graben. Auf einer Fläche von etwa 40 mal 15 Metern zeichnen sich Überreste einer möglichen Produktionshalle ab, in der wohl 1763 der Betrieb aufgenommen wurde.
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In den Jahren um 1770 fanden über 20 Menschen bei dieser Keramikherstellung Arbeit. „Hier sind unter anderem sogenannte Fayencen entstanden, die qualitätvolles und daher teures Porzellan imitierten. Man brannte günstige Teller aus hellem Ton, brachte eine deckende weiße Glasur auf und bemalte die Objekte anschließend so, dass die Erzeugnisse – mehr oder weniger – Porzellanvorbildern glichen“, ordnet Dr. Andreas Wunschel von der LWL-Archäologie für Westfalen die Befundsituation ein. 1771 wurden an die 200.000 Stück „Massenware“ wie Teller, Schalen und Näpfchen produziert. Hinzu kamen weitere Produkte wie Butterdosen, Tintenfässer, Bierkrüge, Nachtgeschirre, Kronleuchter, Salzfässer oder Weihwasserbecken. Der Export reichte bis nach Minden und Bremen. Wohl im Jahr 1822 stellte die Fabrik ihren Betrieb ein.
Dass die Manufaktur im Nahbereich des aktuellen Bauareals lag, ist unter anderem aus Kartenwerken des 19. Jahrhunderts bekannt. Als typisches Fundmaterial für einen Manufakturstandort fand sich Ausschussware, die in diversen Abfallgruben entsorgt worden war.
Nach den Grabungsarbeiten folgt nun die Auswertung und Restaurierung der Funde.
Meldung des LWL