Die Jagd auf den heute ausgestorbenen Waldelefanten (Palaeoloxodon antiquus) war unter Neandertalern weit verbreitet. Zu diesem Ergebnis kommt ein Forschungsteam der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU), des Leibniz-Zentrums für Archäologie (LEIZA), ebenfalls in Mainz, und der Universität Leiden in den Niederlanden. Die Studie wurde gerade in der Fachzeitschrift PNAS veröffentlicht.
Die Forschenden hatten die etwa 125.000 Jahre alten Knochen von Waldelefanten, die vor Jahrzehnten in Gröbern in Sachsen-Anhalt und Taubach in Thüringen entdeckt worden waren, genau untersucht. Sie konnten Schnittspuren von Steinwerkzeugen von Neandertalern identifizieren, die auf eine intensive Nutzung der Kadaver hindeuten. Vor zwei Jahren hatte dasselbe Team bei der Analyse von Knochen, die an der Fundstelle Neumark-Nord in einem ehemaligen Braunkohletagebau in Sachsen-Anhalt gefunden worden waren, den allerersten Beweis dafür entdeckt, dass Neandertaler aktiv Jagd auf Waldelefanten machten, die größten Landsäugetiere des Pleistozäns. Diese Entdeckung war Anfang dieses Jahres in der Zeitschrift Science Advances veröffentlicht worden.
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Neandertaler jagten Waldelefanten – Erster Beweis für Elefantenjagd durch den frühen Menschen
Der Europäische Waldelefant besiedelte im Zeitraum von vor 800.000 bis vor 100.000 Jahren die Landschaften Europas und Westasiens. Er war das größte Landsäugetier des Pleistozäns, also der letzten drei Millionen Jahre, und nicht nur deutlich größer als der heutige Afrikanische Elefant und der Asiatische Elefant, sondern auch als das ebenfalls ausgestorbene Wollhaarmammut. Die Überreste von mindestens 70 dieser Waldelefanten wurden in den 1980er- und 1990er-Jahren bei Abbauarbeiten in einer riesigen Braunkohlegrube bei Halle entdeckt.
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„Die Ergebnisse der Untersuchung der Knochen aus Gröbern und Taubach zeigen nun, dass die Jagd von Neandertalern auf Waldelefanten keine Ausnahme, sondern regelhaftes Verhalten war“, sagt Prof. Dr. Sabine Gaudzinski-Windheuser, Professorin im Arbeitsbereich für Vor- und Frühgeschichte der JGU und Leiterin des Archäologischen Forschungszentrums und Museums für menschliche Verhaltensevolution, MONREPOS, in Neuwied, das zum LEIZA gehört. Gaudzinski-Windheuser war maßgeblich an der Untersuchung der Knochen sowohl in Gröbern und Taubach als auch zuvor in Neumark-Nord beteiligt.
Ein Waldelefantenbulle konnte den täglichen Kalorienbedarf von 2.500 Neandertalern decken
Der Europäische Waldelefant lebte zirka von vor 800.000 bis vor 100.000 Jahren in weiten Teilen Europas und Westasiens. Mit einer Schulterhöhe von bis zu vier Metern und einem Gewicht von bis zu 13 Tonnen war er das damals größte an Land lebende Tier und nicht nur deutlich größer als der heutige Afrikanische oder Asiatische Elefant, sondern auch als das ebenfalls ausgestorbene Mammut. „Wir gehen davon aus, dass das Fleisch und Fett eines ausgewachsenen Waldelefantenbullen den täglichen Kalorienbedarf von mindestens 2.500 erwachsenen Neandertalern decken konnte“, sagt Gaudzinski-Windheuser. „Diese Zahl ist wichtig, denn sie führt zu neuen Einblicken in das Verhalten der Neandertaler.“
So war die Forschung bisher allgemein davon ausgegangen, dass sich Neandertaler in Gruppen von nicht mehr als 20 Individuen zusammenschlossen. Die jetzt gewonnenen Informationen über die systematische Ausbeutung von Waldelefanten deuten jedoch darauf hin, dass sich die Neandertaler zumindest zeitweise in größeren Gruppen versammelten oder Techniken beherrschten, die es ihnen erlaubten, große Mengen an Nahrungsmitteln zu konservieren und zu lagern – oder beides. In einem Folgeprojekt wollen die Forschenden mehr darüber erfahren, wie die Neandertaler diese massiven Elefanten jagten und wie sich ihre Jagdaktivitäten auf diese und andere Beutetiere sowie auf ihre Umwelt auswirkten.
Pressemeldung der Universität Mainz
Originalpublikation:
S. Gaudzinski-Windheuser et al., Widespread evidence for elephant exploitation by Last Interglacial Neanderthals on the North European plain, PNAS 120, 0, 4. Dezember 2023,
DOI: 10.1073/pnas.2309427120