Neues vom ältesten Gräberfeld Deutschlands

In einer gemeinsamen Pressekonferenz haben Wissenschaftler*innen erste Ergebnisse der letzten Blockbergung aus dem vermutlich ältesten Gräberfeld Deutschlands präsentiert. Die Untersuchung der Blockbergung erfolgt an der Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW Berlin). Der nun vollständig freigelegte Block zeigt eine sehr gut erhaltene Bestattung mit stark angewinkelten Beinen. 

Studierende der HTW Berlin bei der Freilegung des Blocks (Foto: BLDAM/C. Krauskopf).

Der Fundplatz auf dem Weinberg in Groß Fredenwalde (Uckermark, Brandenburg) birgt das vermutlich älteste Gräberfeld Deutschlands. Mittlerweile konnten zwölf Individuen geborgen werden. Davon kamen acht als mehr oder weniger vollständige Skelette, in verschiedenen Positionen in Gräbern niedergelegt, zum Vorschein. Die meisten beigesetzten Individuen gehören in die Zeit vor etwa 8000 Jahren als der Mensch noch als Wildbeuter lebte. Als besonders spektakulär kann die Bestattung eines Kleinkindes gelten. Kinderbestattungen oder auch nur -knochen sind aus dieser lange zurückliegenden Zeit sehr selten, da die noch recht weichen Knochen von jüngeren Individuen meist nicht lange im Boden überdauern.

Ein weiterer aufsehenerregender Befund war der stehend bestattete Mann. Offenbar hatte man in diesem Fall die senkrechte Grabgrube zunächst nicht vollständig verfüllt, so dass der Tote eine Zeit lang noch Umwelteinflüssen und Tierverbiss ausgesetzt war.

Die freigelegte Bestattung in der HTW Berlin (Foto: Sara Jagiolla, CAU Kiel).

Aktuell wird die letzte Blockbergung aus dem Jahr 2019 in der Hochschule für Technik und Wirtschaft in Berlin untersucht. Durch die Kontaktbeschränkungen während der Corona-Pandemie hatte sich die Bearbeitung verzögert. Der nun vollständig freigelegte Block zeigt eine sehr gut erhaltene Bestattung mit stark angewinkelten Beinen. Die anthropologische Begutachtung durch die Osteoanthropologin Dr. Bettina Jungklaus ergab einige erste Hinweise. Die Person starb offenbar recht jung, wohl bereits mit Anfang 20. Das Geschlecht ist zum jetzigen Zeitpunkt nur vorläufig einzuschätzen, da die relevanten Knochen noch nicht gut zu sehen sind. Der Schädel ist grazil, was auf ein weibliches Individuum hinweisen könnte. Die Geschlechtsmerkmale können aber auch aufgrund des jungen Alters noch nicht voll entwickelt sein. Krankhafte Veränderungen sind bisher nicht feststellbar und die Todesursache ist bislang unklar. Genaue Aussagen sind erst nach der Entnahme aller Knochen aus dem Block möglich.

Zeitnah sollen u.a. paläogenetische Analysen und Strontium-Isotopen-Analysen erfolgen, um beispielsweise Hinweise auf das Aussehen und mögliche Verwandtschaftsbeziehungen zu anderen auf dem Bestattungsplatz entdeckten Individuen sowie zur Herkunft des oder der Toten zu erhalten. Die Bestattung soll archäologisch eingehend durch eine Masterkandidatin im Hinblick auf die Bestattungsweise und den Bestattungsritus, die Beigaben und Parallelen bearbeitet werden. Anschließend wird der Block abgebaut, es werden alle Knochen und Beigaben für weitere Untersuchungen entnommen. Mit der weiteren Blockbergung hat sich die exzellente Erhaltung der Bestattungen auf dem Weinberg bestätigt, die uns diese einzigartigen Einsichten in die Zeit der späten Jäger und Sammler ermöglicht.

Groß Fredenwalde ist mit inzwischen zwölf Individuen nicht nur das älteste, sondern auch das größte mittelsteinzeitliche Gräberfeld Deutschlands. Mit der wachsenden Zahl von Bestattungen erhalten wir auch die Chance, durch weitere Analysen mehr über die Menschen und ihre Verwandtschaftsverhältnisse auf dem Bestattungsplatz zu erfahren und so Einblicke in die soziale Organisation der Menschen dieser Zeit zu gewinnen. Erste paläogenetische Ergebnisse zeigen uns, dass es sich tatsächlich um die mittelsteinzeitlichen Ureinwohner Mitteleuropas handelt, die eine eher dunkle Hautfarbe und häufig blaue Augen hatten.

Isotopenanalysen zeigen, dass Fisch für die Ernährung in dieser Zeit eine wichtige Rolle spielte. Insgesamt erlauben uns die Individuen, die Lebensweise dieser Zeit am Vorabend der „Neolithischen Revolution“ und während der Einwanderung und Sesshaftwerdung der ersten Bauern in Brandenburg neu zu bewerten. Allem Anschein nach lebten die Menschen schon deutlich ortsfester als bislang gedacht und bewahrten sich lange ihre (unabhängige) Jäger-Sammler-Identität. Ferner können wir den Einfluss des etwa 150 Jahre dauernden Kälteeinbruchs vor ca. 8200 Jahren (6.200 v.Chr.) als besondere Herausforderung für das Leben der Menschen dieser Zeit neu bewerten.

Es zeigt sich, dass die interdisziplinäre und internationale Zusammenarbeit die hervorragenden Ergebnisse ermöglicht hat. Das DFG-Projekt zu Groß Fredenwalde ist eine ausgesprochen erfolgreiche Kooperation der Universitäten Göttingen und Kiel sowie der HTW Berlin und der Landesarchäologie in Brandenburg.

Projektbeteiligte

  • Prof. Dr. Thomas Terberger, Niedersächsisches Landesamt für Denkmalpflege / Universität Göttingen
  • Prof. Dr. Franz Schopper, Brandenburgisches Landesamt für Denkmalpflege und Archäologisches Landesmuseum (BLDAM)
  • Dr. Andreas Kotula, BLDAM
  • Prof. Dr. Thomas Schenk, Grabungstechnik, Dokumentationsmethoden in der Archäologie, Archäologische Prospektion, Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin
  • Prof. Dr. Henny Piezonka, Juniorprofessur für Anthropologische Archäologie am Institut für Ur- und Frühgeschichte, Universität Kiel
  • Dr. Bettina Jungklaus, Anthropologin, Berlin 

Nach einer Pressemeldung der HTW Berlin.

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