Das Diskussionspapier richtet den Fokus auf Organisationen, die höchst zuverlässig funktionieren müssen und schlägt vor, deren Risikostrategien als Vorbild für die Notfallvorsorge von Kulturgütern zu nehmen: Hochkomplexe Systeme wie Atomkraftwerke oder Notfallstationen in Krankenhäusern gehen tagtäglich mit hohen Risiken um, da kleinste Fehler große Folgen haben können. In der Praxis zeigt sich, dass solche Organisationen sehr zuverlässig arbeiten. Eine Analyse der Vorsorgestrategien solcher Einrichtungen kann deshalb bei der Etablierung effektiver Maßnahmen für den Kulturgutschutz dienen, wie das Diskussionspapier darstellt.
Das könnte Sie auch interessieren!
Kulturerbe in Nord- und Ostsee
Nicht nur steinzeitliche Jäger und Sammler hinterließen ihre Spuren auf den ehemals begehbaren Flächen in unseren Meeren, tausende von Schiffswracks und versunkene Ladungen zeugen von Jahrhunderten regen Seehandels und kriegerischen Auseinandersetzungen auf See. Allein während der beiden Weltkriege fanden unzählige Schiffe und Flugzeuge ihre letzte Ruhestätte in Nord- und Ostsee. Doch was wissen wir eigentlich über dieses einzigartige »unsichtbare« Kulturerbe? Wie können wir Fundstellen am Meeresgrund schützen? Welche Zielkonflikte entstehen durch Bauvorhaben Offshore und wie kann das Unterwasserkulturerbe bei Planungs- und Bauprozessen berücksichtigt werden?
Exklusiv in der AiD 5/22
Die Fachleute analysieren zudem bestehende Ansätze für Betreiber von Kultureinrichtungen und für Notfallorganisationen. Sie erläutern Handreichungen wie den Sicherheitsleitfaden Kulturgut, beschreiben die Gründung von Notfallverbünden und Organisationen, die sich mit dem Erhalt von Kulturgut befassen. Vielerorts fehlt es jedoch noch an einem Bewusstsein für die Erfordernisse des Kulturgutschutzes sowie an einem flächendeckenden Aufbau von Notfall-Strukturen.
Das Diskussionspapier empfiehlt den Kultureinrichtungen, die eigenen Voraussetzungen für die Notfallvorsorge zu prüfen und gegebenenfalls zu erweitern. Dies umfasst die Risikoanalyse und den Aufbau von Ressourcen zur Notfallbearbeitung (Personal, Technologien, Ausrüstung, Budget). Zudem müssen Verantwortlichkeiten und Ablaufschemata für die Notfallbewältigung festgelegt werden. Zusätzlich zum Aufbau eigener Ressourcen sollten enge Kooperationsbeziehungen zu anderen örtlich oder regional ansässigen Kultureinrichtungen und zu Notfallorganisationen wie Feuerwehr oder THW etabliert werden. Die Autorinnen und Autoren empfehlen außerdem einen regelmäßigen Austausch zwischen Kultureinrichtungen und Notfallorganisationen, Schulungsangebote und Fachberatung sowie die organisatorische wie finanzielle Unterstützung durch die Politik.
Publikationen in der Reihe „Leopoldina-Diskussion“ sind Beiträge der genannten Autorinnen und Autoren. Mit den Diskussionspapieren bietet die Akademie Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern die Möglichkeit, flexibel und ohne einen formellen Arbeitsgruppen-Prozess Denkanstöße zu geben oder Diskurse anzuregen und hierfür auch Empfehlungen zu formulieren.
Die Autorinnen und Autoren sind Mitglieder der Leopoldina-Arbeitsgruppe „Archäologisches Kulturerbe”. Diese arbeitet unter anderem an Publikationen zu Katastrophenvorsorge und Risikomanagement für das kulturelle Erbe, illegalen Ausgrabungen und illegalen Handel. Die Arbeitsgruppe veröffentlichte bereits die Diskussionspapiere „Spuren unter Wasser – Das kulturelle Erbe in Nord- und Ostsee erforschen und schützen“ sowie „Die rechtlichen Grundlagen der Notfallvorsorge für Kulturgüter“.
Links
Diskussionspapier „Organisatorische Voraussetzungen der Notfallvorsorge für Kulturgüter“ (2023)
Arbeitsgruppe „Archäologisches Kulturerbe”
Weitere Publikationen zum Thema
Nach einer Pressemeldung der Leopoldina.
Das könnte Sie auch interessieren!
Rechtslage zum Schutz von Kulturgütern
Ein wirkungsvoller Kulturgutschutz benötigt klare rechtliche Grundlagen, um im Falle von Naturkatastrophen, Bränden oder terroristischen Anschlägen den Erhalt von Kulturgütern zu sichern. In Deutschland gibt es jedoch bisher keine detaillierten, verbindlichen Regelungen, so das Mitte Dezember 2022 veröffentlichte Leopoldina-Diskussionspapier „Die rechtlichen Grundlagen der Notfallvorsorge für Kulturgüter“.
Weiterlesen