Paviane im Alten Ägypten: Einem Mysterium auf der Spur

Ein interdisziplinäres Kooperationsprojekt unter Leitung der Primatenforscherin Gisela Kopp sucht mittels genetischer Analysen nach dem geografischen Ursprung der Paviane im Alten Ägypten und findet Hinweise, dass die beiden legendären Handelsregionen Punt und Adulis möglicherweise ein und denselben Ort bezeichneten.

Illustration eines Pavianschädels mit Bezug auf Geografie und DNA-Analysen
Illustration eines Pavianschädels mit Bezug auf Geografie und DNA-Analysen © 2023 Mike Costelloe, lizenziert unter CC BY-NC-ND 4.

Im Alten Ägypten wurden verschiedene Gottheiten durch Tiere repräsentiert. So wurde Thot, der Gott für Gelehrsamkeit und Weisheit, durch einen Mantelpavian verkörpert. Aus diesem Grund wurden in Ägypten Paviane gehalten, von denen einige nach ihrem Tod als Opfergaben mumifiziert wurden. Heute gibt es in Ägypten keine frei lebenden Paviane, und nichts deutet darauf hin, dass es diese Primaten im Alten Ägypten in freier Wildbahn gab. Die Konstanzer Biologin Gisela Kopp, die über nicht-menschliche Primaten forscht, ging im Rahmen eines interdisziplinären Projekts aus Biologie, Ägyptologie und Anthropologie der Frage nach, wie und woher die Paviane nach Ägypten gelangt sind. Die Ergebnisse sind in der aktuellen Ausgabe des Wissenschaftsjournals eLife erschienen.

Paviane im Alten Ägypten importiert

Um der Gottheit Thot zu huldigen, wurden Paviane vermutlich aus weit entfernten Regionen importiert und im Land auch über mehrere Generationen in Gefangenschaft gehalten. Wie Untersuchungen von Skeletten belegen, wurden ihnen die gefährlichen Eckzähne entfernt. Zur Bestimmung des geografischen Ursprungs der Paviane nutzten Gisela Kopp und ihr Team genetische Analysen. Anhand des mitochondrialen Genoms der Tiermumien lässt sich die Region bestimmen, aus der die Tiere ursprünglich stammten. Die Verbreitung der genetischen Diversität der Paviane über den gesamten afrikanischen Kontinent ist gut erforscht.

„Wir haben aus fast allen Regionen, in denen es heute Paviane gibt, Vergleichsproben“, sagt Gisela Kopp. Ergänzt wurden diese mit zirka 100 bis 150 Jahre alten Proben aus Museumssammlungen. Vergleiche der Proben aus den weit auseinanderliegenden Zeiträumen sind möglich, weil die lokale Verortung der unterschiedlichen genetischen Varianten der Pavianpopulationen sehr konsistent ist.

Eine Vergleichsprobe verweist auf Eritrea

Ein Kooperationspartner der Studie, der Anthropologe Nathaniel Dominy vom Dartmouth College in den USA, hatte zuvor bereits eine geografische Zuordnung antiker Paviane mittels stabiler Isotopen unternommen. Mit dieser Methode chemischer Signaturen lässt sich unterscheiden, wo die Tiere geboren wurden und wo sie aufgewachsen sind. Die 2020 erschienene Studie konnte die Herkunftsregion der Paviane in Ägypten am Horn von Afrika festmachen. Mithilfe der genetischen Analyse, die darüber hinaus feststellen kann, wo die Tiere und ihre Vorfahren ursprünglich herkamen, konnte der Befund auf einen gut abgegrenzten Bereich von Eritrea und angrenzende Gebiete präzisiert werden. Eine Vergleichsprobe, die der genetischen Variante der Mumienprobe am ähnlichsten war, stammt aus der Küstenregion in Eritrea, wo sich in der Antike vermutlich der wichtige Hafen Adulis befand. Aus antiken Texten ist er bekannt als Umschlagplatz für Luxusgüter und Tiere.

Die Mumienprobe, die der Studie von Gisela Kopp und Team zugrunde liegt, wurde 1905 im „Tal der Affen“ ausgegraben und befindet sich heute im Musée des Confluences in Lyon. Sie wird auf einen Zeitraum zwischen 800 und 500 Jahre vor unserer Zeitrechnung datiert und fällt damit in die Spätzeit des Alten Ägypten. Dies ist lange vor der Blütezeit von Adulis als wichtigem Umschlagsplatz und Hafenstadt.

In frühen historischen Texten wird als Ursprungsort der Paviane hingegen Punt genannt, eine sagenumwobene Region, aus der Ägypten über mehrere Jahrhunderte, bis in das frühe erste Jahrtausend vor unserer Zeitrechnung, Luxusgüter importierte. Die genaue Lage Punts ist allerdings unbekannt. „In der Ägyptologie wird schon lange über Punt gerätselt, auch weil es von einigen Wissenschaftler*innen als früher maritimer Zweig weltweiter Handelsnetzwerke und so als Beginn der wirtschaftlichen Globalisierung gesehen wird“, so Gisela Kopp.

Die ägyptologische Expertise ermöglichte die Verbindung von Punt zu Adulis

Die Region Punt ist für die Zeit, aus der die Mumienproben stammen, in antiken Abbildungen und Texten belegt. Es war die ägyptologische Expertise im Kooperationsprojekt, die dann die Verbindung von Punt zu Adulis ermöglichte. „Die von uns untersuchte Probe passt zeitlich zu den letzten bekannten Expeditionen nach Punt, geografisch passt sie zu Adulis, das allerdings erst einige Jahrhunderte später als Handelsposten, auch für Affen, belegt ist. Wir stellen die Hypothese auf, dass Punt und Adulis unterschiedliche Bezeichnungen des gleichen Ortes zu unterschiedlichen Zeiten waren“, so Gisela Kopp. Und: „Erst als wir unsere biologischen Resultate in den Kontext der historischen Forschung stellten, wurde eine stimmige Geschichte daraus.“

In der Biologie ist der Befund ein Durchbruch, da das erste Mal erfolgreich alte DNA aus mumifizierten Affen analysiert wurde. Dies eröffnet etwas die Möglichkeit, die Auswirkungen von Mensch-Wildtier-Interaktionen auf die genetische Diversität oder die Übertragung von Krankheiten zu untersuchen. Die Kontakte der alten Ägypter mit exotischen Tieren sind frühe Belege für intensive Interaktionen zwischen Wildtieren und Menschen. Die massenhafte Mumifizierung verschiedener Tierarten und auch unterschiedlicher Affen ist eine sehr außergewöhnliche Kulturpraxis.

Paviane in der altägyptischen Kunst

Auch die bildlichen und künstlerischen Darstellungen von Pavianen sind seit der Antike nur aus Ägypten überliefert. Weshalb diese Primaten in den Rang eines Repräsentanten der Gottheit Thot erhoben wurden, ist nicht bekannt. Bevölkerungen, die mit Pavianen leben, schätzen die Tiere hingegen normalerweise nicht sehr. Für sie waren und sind sie eine Plage, die die Felder verwüsten.

Originalpublikation: Franziska Grathwol, Christian Roos, Dietmar Zinner, Benjamin Hume, Stéphanie M Porcier, Didier Berthet, Jacques Cuisin Stefan Merker, Claudio Ottoni, Wim Van Neer, Nathaniel J. Dominy, Gisela H. Kopp: Adulis and the transshipment of baboons during classical antiquity. eLife 12:e87513. DOI: https://doi.org/10.7554/eLife.87513

Das Projekt wird unter der Leitung der Primatenforscherin Dr. Gisela Kopp durchgeführt. Sie ist Mitglied des Zukunftskollegs der Universität Konstanz und affiliiert mit dem Max-Planck-Institut für Verhaltensbiologie.

Nach einer Meldung der Universität Konstanz

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