Der Bauplatz war unter besonderer Beobachtung der Denkmalschutzbehörde, weil nur 50 Meter entfernt im Jahr 1995 eine aus Schilfmatten konstruierte mittelalterliche Slipanlage gefunden worden war, mit deren Hilfe nach dem Bau des Mühlenstaus zwischen der Neustadt, der Dominsel und der Krakauer Straße alle durch Brandenburg fahrenden Schiffe und Boote über den Damm gebracht werden mussten.
Beim Abziehen des Bauplanums zeigten sich in unerwarteter Dichte und Erhaltung bronze- bis eisenzeitliche Speichergruben, ein Meter tiefe Siedlungsgruben der mittelslawischen Zeit (9./10. Jh.) und jungsteinzeitliche Einzelfunde.
Die eigentliche Sensation stellt aber ein bislang unbekanntes slawisches frühchristliches Körpergräberfeld dar, das dem späten 10. bis 11. Jh. angehören dürfte und auf dem in einer lockeren Reihengräberstruktur slawische Erwachsene und Kinder begraben wurden.
Die Gräber der Krakauer Straße unterscheiden sich deutlich von den bisher bekannten spätslawischen Gräbern auf dem nördlichen Teil des Neustädtischen Marktes. Während auf dem Markt nur wenige Gräber Beigaben enthalten und eine Anordnung in Reihen nicht feststellbar ist, sind in der Krakauer Straße 18 Gräber und Grabreste untersucht worden, in denen sich bisher fast in jedem Grab Beigaben fanden. 4 Tongefäße gehören nach ihren Merkmalen in die Übergangszeit von den mittelslawischen frei aufgebauten Tongefäßen zu den auf der schnell rotierenden Töpferscheibe gedrehten spätslawischen Gurtfurchengefäßen, entstanden also um 1000 nach Christus.
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Die Grabeinbauten aus Holz sind sehr unterschiedlich und zeigen fast alle bekannten Varianten von einfachen Grabgruben ohne Sarg und Holzspuren, über Seitenbretter mit und ohne Deckbrett und Bodenbrett zu den Gräbern mit Seitenbrettern und überstehenden Kopf- und Fußbrettern zu einfachen Holzkisten.
Baumsärge, wie in der kleinen Münzenstraße und auf dem Neustädtischen Markt beobachtet, fehlen bisher. Die für Grabtypologien gerne herangezogen Schläfenringe fehlen bisher ebenfalls. Dafür konnten in drei Kindergräbern Reste von Perlenketten ausgesiebt werden. Zwei Ketten bestanden aus 2mm kleinen Fadenglasperlen aus gelbem Glas und ähnlich kleinen Fischwirbeln. In Grab 14 befand sich eine Kette aus 15 Glas- und 25 Fischwirbelperlen, die auf einen sehr dünnen Faden aufgezogen gewesen sein mussten. Dazu gehörte auch eine kleine Bronzeperle, die als Anhänger an der Kette oder separat getragen wurde. Eine gestern geborgene Perlenkette war aus 6mm großen Perlen und überaus wertvoll. Die Perlen waren aus Bergkristall, Karneol, schwarzbraunem Glas und einem blauen durchscheinenden Edelstein oder Glas gefertigt. Zusammen mit einer vergangenen gedrechselten Holzschale, zwei Ohrringen und einem Fingerringfragment gehört dieses Grab eines ca. 6-jährigen Kindes, vermutlich ein Mädchen, einer sozialen Elite an, die in Brandenburg bisher noch nie nachgewiesen werden konnte.
Von allen Gräbern wurden dreidimensionale Digitalaufnahmen hergestellt. Diese „Structure for Motion“ Aufnahmen ermöglichen eine dynamische Betrachtung und Auswertung der Skelette von allen Seiten.
Dieser Ausschnitt eines Friedhofes des frühen 11. Jh. wirft eine Vielzahl von Fragen auf, die sich möglichweise erst durch interdisziplinäre Auswertungen durch die Radiocarbondatierung, anthropologische und genetische Untersuchungen beantworten lassen. So ist der Bezug der Toten zu einer konkreten Siedlung nicht eindeutig. Die Gräber könnten zur Bevölkerung der Brandenburg gehören und aus der Zeit vor, oder nach dem Lutizenaufstand von 983 stammen. Ebenso gut könnte es sich um die Bevölkerung der bisher noch nicht lokalisierten slawisch / deutschen Ortswüstung Krakau handeln. Wie das Verhältnis zu den 1938 untersuchten slawischen Hügelgräbern des 9. Jh. in der Krakauer Landstraße zu interpretieren ist, lässt sich noch nicht klären. Auch die mittelslawischen Funde und die Haus- und Siedlungsbefunde lassen sich noch nicht unmittelbar einordnen.
Insgesamt konnte vor allem mit der lobenswerten Unterstützung und Geduld des Bauherren ein bedeutender Fundort entdeckt und in kurzer Zeit untersucht werden, der die Burg- und Stadtgeschichte um ein wesentliches Kapitel erweitert.
Pressemitteilung der Stadt Brandenburg an der Havel