Stadtarchiv mit über 2.000 Siegelabdrücken in Doliche freigelegt

Archäologinnen und Archäologen der Forschungsstelle Asia Minor haben in der antiken Stadt Doliche im Südosten der Türkei das städtische Archiv freigelegt und dabei mehr als 2.000 Siegelabdrücke zum Verschluss von Schriftstücken geborgen. Das Team um Prof. Dr. Michael Blömer und Prof. Dr. Engelbert Winter von der Universität Münster machte damit einen bedeutenden Fund: Zwar gab es Archive etwa zur Verwahrung von Verträgen in jeder Stadt, bisher wurden aber erst eine Handvoll Archivbauten des Römischen Reiches identifiziert. Die gut erhaltenen Siegelabdrücke und ihre Motive geben zudem Auskunft über die antike Verwaltungspraxis.

Zwei Abdrücke von offiziellen Siegeln der Stadt Doliche
Zwei Abdrücke von offiziellen Siegeln der Stadt Doliche (Foto: © Forschungsstelle Asia Minor).

Einblicke in die kulturelle Prägung der Bewohner

Die Abdrücke bestehen aus gestempelten Tonklumpen mit Größen von etwa fünf Millimetern bis zwei Zentimetern. Mit ihnen wurden Dokumente aus Papyrus und Pergament verschlossen. „Die Bilder der offiziellen Stadtsiegel haben einen direkten städtischen Bezug. In der Regel zeigen sie deren wichtigste Gottheiten wie Jupiter Dolichenus, den Hauptgott der Stadt“, erläutert Michael Blömer. Die Abdrücke der kleineren privaten Siegel zeigen eine breite Palette von Bildern und Symbolen, die viel über die kulturelle Prägung der Bewohner Doliches verraten. „Die Götter auf den Siegeln geben Einblicke in die religiöse Umwelt der Menschen. Mythische Figuren oder seltene Privatporträts sprechen für eine starke griechisch-römische Prägung“, führt der Wissenschaftler aus.

Das Archivgebäude von Doliche in Flammen

Vom Archivgebäude sind nur noch die unteren Lagen der Fundamente erhalten, die aus massiven Kalksteinquadern errichtet seien, ergänzt Engelbert Winter. „Sie lassen jedoch eine Abfolge von Räumen erkennen, die sich zu einem lang gestreckten Baukomplex zusammenfügen“, beschreibt er. Die genaue Größe sei jedoch noch nicht zu ermessen. Bislang ist das Gebäude mit acht Metern Breite und 25 Metern Länge nachgewiesen. Die Breite der Mauern zeigt zudem, dass es mehrstöckig war. Das internationale Forschungsteam legte die Gebäudeteile über einen Zeitraum von acht Wochen im vergangenen Sommer frei.

Die Archivdokumente selbst wurden bei einem großen Brand vernichtet. 253 n. Chr. zerstörte der persische Großkönig Šāpūr I. als Folge eines Krieges zwischen dem römischen und persischen Reich zahlreiche Städte der römischen Provinz Syrien, darunter Doliche. Das Stadtzentrum, das auch eine Badeanlage und einen monumentalen Tempel umfasste, wurde nach dem Brand nicht wieder aufgebaut. „Für die Archäologie ist dies ein Glücksfall, da somit der Zustand aus der Zeit bis 253 n. Chr. konserviert wurde“, betonen die Forscher.

Blick auf die Grabungen im freigelegten, ehemaligen Stadtarchiv Doliche
Blick auf die Grabungen im freigelegten, ehemaligen Stadtarchiv Doliche (Foto: © Forschungsstelle Asia Minor).
Siegelabdrücke aus dem Archiv von Doliche
Siegelabdrücke aus dem Archiv von Doliche (Foto: © Forschungsstelle Asia Minor).

Über den Hintergrund der Forschungen in Doliche

Die Forschungsstelle Asia Minor ist seit Jahrzehnten auf die Erforschung der Südosttürkei spezialisiert. Als führende internationale Forschungseinrichtung für die Provinzen Gaziantep und Adıyaman arbeiten die münsterschen Experten mit lokalen Museen, Forschern und Behörden zusammen. Seit 1997 untersucht die Forschungsstelle Asia Minor in Kooperation mit der türkischen Antikendirektion unter anderem die Hinterlassenschaften der antiken Stadt Doliche nahe der türkischen Metropole Gaziantep. Die Experten haben das Ziel, die Entwicklung der ca. 300 v. Chr. gegründeten Stadt, die unter römischer Herrschaft zu einem regionalen Zentrum wurde, und den Alltag der dort lebenden Menschen unter sich wandelnden politischen und kulturellen Rahmenbedingungen zu untersuchen. Unterstützt wurden die Arbeiten dieses Jahres vor allem von der Universität Münster, der „Gerda Henkel Stiftung“ und der Universität Pisa.

Nach einer Pressemeldung der Universität Münster

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