Von der Vermutung zum Beweis
Zwar wiesen die Indizien auf einen römischen Wachturm hin, doch waren diese Befestigungsanlagen in der Zeit um 1900 systematisch gesucht und zahlreiche Anlagen auf der Strecke von Basel bis nach Stein am Rhein gefunden und erforscht worden. Ein neuer Standort war östlich des Rheinfalls nur einmal, 1991 in Diessenhofen beim Unterhof, entdeckt worden – dies bei der Renovation der Burganlage. Hatten die eifrigen Forscher vor über 100 Jahren wirklich etwas übersehen? Die Hinweise und auch die Lage der Verdachtsfläche sprachen dafür. Da Forstarbeiten im Gange waren, erlaubten schliesslich die Forstorgane der Kantone Thurgau und Schaffhausen (der Wald ist Schaffhauser Staatswald) eine Sondiergrabung. In zehntägiger Arbeit Ende Januar 2023 wurde schliesslich das Gebiet sondiert.
An der Oberfläche der bei Waldarbeiten weitgehend geräumten Fläche war praktisch nichts zu sehen. Wie bei römischen Bauwerken üblich wurde in späteren Zeiten das Steinmaterial abgetragen und wiederverwendet. Vom Fundament eines nahezu quadratischen, rund 7×7 Meter messenden Gebäudes mit rund 1 Meter dicken Mauern verblieben nur Mörtelreste, einige Steine sowie der Fundamentgraben. Der um die Anlage im Abstand von etwa 5 Meter gezogene Spitzgraben zeichnete sich dagegen deutlich im kiesigen Untergrund ab. Es ist zu vermuten, dass dazu eine Palisade oder Holzbefestigung bestand. Funde – mit Ausnahme einer grossen Menge römischer Dachziegel und Teile von Tuffquadern – blieben selten, kamen aber doch vereinzelt vor. Die Grabung blieb auf einige Schnitte beschränkt und hatte das «Archiv im Boden» und das empfindliche Waldgebiet zu schonen; die Grabungsflächen wurden wieder sorgfältig eingedeckt.
Teil eines Systems und offene Fragen
Es bestehen aufgrund der Beobachtungen wenig Zweifel daran, dass die untersuchten Spuren wirklich zu einer turmartigen Befestigung der Zeit ab Ende des 3. bis Ende des 4. Jahrhunderts gehören. Dies zeigen die Funde, aber auch die Vergleiche mit anderen, besser erhaltenen Anlagen entlang des Rheines. Auffällig ist, dass auch diese Neuentdeckung schlechter erhalten ist als die Befestigungen westlich des Rheinfalls, von denen einige – etwa auf der Tössegg im Kanton Zürich – die Zeit relativ gut überdauert haben. Wurden die römischen Bauten am thurgauischen Rheinufer besonders stark abgebaut? Waren sie nur zeitweise in Betrieb? Sicher ist: Das grosse Kastell Stein am Rhein, dessen mächtige Überreste noch heute gut sichtbar sind, wurde kurz vor 300 n. Chr. erbaut. Damals entstanden auch Festungen in Pfyn, Konstanz, Arbon, Zurzach, Kaiseraugst und Bregenz. Die kleineren Anlagen zwischen diesen «Kastellen» wurden wohl erst allmählich errichtet. Einen klaren Akzent setzte schliesslich Kaiser Valentinian kurz nach 370 n. Chr., der ein letztes Mal versuchte, mit Bauten die Rheingrenze und das Hinterland zu befestigen; Grund dafür waren zweifellos die von Norden her drohende Gefahr von Einfällen und Raubzügen und mangelnde Ressourcen des römischen Reiches, das seit dem 3. Jahrhundert zumindest im Westen in einem eigentlichen Niedergang begriffen war.
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ANTIKE WELT 1.22 — Die Römer an der Donau
Im Juli 2021 hat das Welterbekomitee den an der Donau gelegenen Abschnitt des Limes zum UNESCO-Welterbe ernannt. Wir blicken mit der Hilfe von einem internationalen Autorenteam in die heutigen osteuropäischen Länder Serbien, Kroatien, Rumänien und Bulgarien, um uns weitgehend unbekannte neue Forschungen kennenzulernen. Die Römer haben imposante Spuren hinterlassen, die aber weitaus weniger bekannt sind als die Limes-Anlagen in Deutschland und Österreich.
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Während der neu entdeckte Wachturm gut in die allgemeinen historischen Überlegungen passt, ist doch unklar, wann genau er entstand und mit welchen Anlagen er in Beziehung stand. Sind doch östlich und westlich weitere Türme bekannt, über die man allerdings auch nicht viel mehr weiss. Ausser wenigen Funden gibt es kaum Hinterlassenschaften einer Besatzung. Aus anderen solchen Befestigungen gibt es Hinweise, dass offensichtlich germanische Hilfstruppen im Dienst standen und auch Gewerbe ausgeübt wurde; die Grenztruppe musste sich – so auch die schriftlichen Berichte – weitgehend selber versorgen.
Von der Anlage ist im Gelände nichts zu sehen, sie wird aber im Rahmen der historischen Pfade im Gebiet Schaaren erklärt und sichtbar gemacht werden. Die wissenschaftliche Auswertung der Beobachtungen und Funde steht noch bevor. Weiter gilt das Interesse nun auch den übrigen Anlagen zwischen Feuerthalen und Stein am Rhein. Das Amt für Archäologie wird dafür auch die anderen Standorte, die bereits bestehenden Funde und natürlich die alten Berichte genauer unter die Lupe nehmen; Belege für eine bewegte Zeit in einer historisch bedeutsamen Umgebung.
Nach Pressemitteilung der Kantonsarchäologie Thurgau