Das südliche Afrika spielt eine wichtige Rolle in der Erforschung der Menschheitsgeschichte, vor allem bei der erfolgreichen globalen Ausbreitung des Homo sapiens, also des heutigen Menschen. Vor über 100.000 Jahren, während des sogenannten Middle Stone Age des marinen Isotopenstadiums 5, findet unter anderem in Südafrika eine entscheidende Phase in der kulturellen Evolution des Menschen statt: Frühe Erfindungen aus dieser Zeit belegen, dass die Gruppen von Jägern und Sammlern bereits Fähigkeiten wie Planungstiefe, Multitasking und abstraktes Denken besaßen, die mit jenen des modernen Menschen vergleichbar sind.
Ideenreichtum des Homo Sapiens
Noch ist jedoch ungeklärt, wie, wann und warum sich diese Entwicklungsprozesse vollzogen haben. Diesen Fragen widmet sich die Archäologin Viola Schmid vom Österreichischen Archäologischen Institut (ÖAI) der ÖAW im Rahmen ihres FWF-Projekts »Zeit essentieller Veränderungen in der Menschheitsgeschichte«. Gemeinsam mit einem internationalen Forschungsteam untersucht sie die drei Fundstellen Bushman Rock Shelter, Rose Cottage Cave und Sibhudu Cave in der Republik Südafrika. Die drei Orte liegen in drei unterschiedlichen Vegetationszonen und in Regionen, die bislang noch wenig erforscht sind.
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Vernetztes Afrika
Das Titelthema der ANTIKEN WELT 324 (Erscheint 24. Mai 2024) beschäftigt sich mit der Vergangenheit Afrikas – ein Kontinent, der ein reiches Erbe der Menschheitsgeschichte birgt. Im Rahmen eines vom DFG geförderten Schwerpunktprogramms untersuchen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus Deutschland und mehreren afrikanischen Partnerländern Gebiete südlich, östlich und südwestlich der Sahara – allesamt Regionen, die in der bisherigen Forschung vernachlässigt wurden. Genuin afrikanische Vorgänge, eigenständige Entwicklungen und Prozesse, wie sie an archäologischen und naturwissenschaftlichen Daten aus dem Kontinent ablesbar sind, sowie globale Interaktionen stehen im Fokus der neuesten Untersuchungen. Die einstige Vernetzung Afrikas zeigt sich dabei auf vielfältige Weise – ob nun in der Übertragung von Handwerkstechniken oder in der Verbreitung bestimmter Güter wie Keramik, Grabtypen und Nutzpflanzen. In den methodisch interdisziplinär aufgestellten Projekten konnten die Forscherinnen und Forscher wichtige Ergebnisse erzielen, die in dieser Ausgabe präsentiert werden.
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Viola Schmid: „Alle drei Fundorte weisen Besiedelungsschichten aus dem sogenannten Middle Stone Age des marinen Isotopenstadiums 5 auf, das die Zeit von 135.000 bis 75.000 Jahren einschließt. Es handelt sich dabei um eine Periode mit guten klimatischen Bedingungen, nämlich insgesamt wärmer und humider als in den Phasen direkt davor und danach. Zu dieser Zeit treten vermehrt neue Verhaltensweisen auf und der Beginn von erkennbaren, regional organisierten Jäger- und Sammlergesellschaften mit unterschiedlichen Kompetenzen und Vorstellungen macht sich bemerkbar. Damit manifestieren sich deutliche Entwicklungen in der kulturellen Evolution des Menschen. Funde zeigen, dass der Mensch zu dieser Zeit neue Ideen testete und seine Verhaltenskomplexität aufgrund verschiedener interner sowie externer Umstände zunahm. Wir versuchen die möglichen Auslösemechanismen dafür zu identifizieren und analysieren auch die Vernetzung und den Wissenstransfer zwischen den drei Fundplätzen.“
Im Speziellen untersuchen die Forscher die Versorgung mit Rohmaterialien, die Produktion von Werkzeugen, die Beschaffung von Nahrungsmitteln, Landnutzungsstrategien und technologische Neuerungen.
Funde zeigen frühe technologische Errungenschaften des Homo Sapiens
Das Team um Viola Schmid und Will Archer, Direktor der Abteilung für Anthropologie und Archäologie am Nationalmuseum in Bloemfontein in Südafrika, arbeitet in der Rose Cottage Cave, die auf einer Höhe von 1.676 m liegt und als Wohnsitz diente. Es handelt sich dabei weniger um eine Höhle als um einen geschützten Felsüberhang. Der Ort bot neben einer nahegelegenen Wasserstelle auch einen guten Ausblick auf das umgebende Grasland und die damals existierende üppige Tierwelt. Das Besondere ist, dass es sich dabei um den einzigen ‚überdachten Fundplatz‘ in dem Gebiet aus dem Zeitabschnitt des Middle Stone Age handelt, während die anderen Fundorte Freilandfundstellen sind. Erhalten ist eine Abfolge von Kulturschichten mit bis zu sieben Metern, die von den ältesten Schichten, die auf ca. 100.000 Jahre vor heute datieren, bis hin zu Besiedlungshorizonten der letzten Wildbeuter mit einem Alter von ca. 500 Jahren reichen.
Die bisherigen Analysen der ältesten Funde aus früheren Grabungen, beispielsweise speziell gefertigte Spitzen, die als Speerspitzen gedient haben dürften, und Stücke, die den Einsatz neuartiger Verarbeitungsweisen der Rohmaterialien zu Steinwerkzeugen belegen, deuten auf einen Homo sapiens mit komplexen kognitiven Fähigkeiten, ähnlich denen des modernen Menschen. Die Bewohner waren gute Jäger, die fortgeschrittene Jagdwaffen und -strategien besaßen.
Neue Grabungen in der Rose Cottage Cave auf 1.600 Metern
In diesem Jahr sind Oberflächenbegehungen in der Umgebung und einem erweiterten Radius geplant. Die Archäologen sammeln dabei Informationen über die verwendeten Gesteinsarten, deren Herkunft, das Ressourcenmanagement sowie die Strategien zur Beschaffung der Rohmaterialien durch die steinzeitlichen Gruppen. Nach ersten Feldarbeiten Ende 2023 findet im November dieses Jahr eine neuerliche Grabung statt. Das neue Fundmaterial und gezielte Datierungen der Befunde werden weitere Antworten zur Geschichte der Fundstelle liefern können.
Um die aktuellen Ergebnisse zu präsentieren, findet Anfang Dezember gemeinsam mit den Kooperationspartnern von der Universität Witwatersrand und dem österreichischen Außenministerium der „Austrian Archaeology in South Africa Day“ am Origins Centre in Johannesburg statt.
Meldung des ÖAW