Vor- und frühgeschichtliche Besiedlung
Das Grabungsareal liegt auf einer in die Ohreniederung vorspringenden flachen Sand-/Kiesterrasse. Aufgrund der verkehrs- und siedlungstopographisch äußerst günstigen Lage des Platzes am Fluss ist es nicht verwunderlich, dass er bereits vor dem Mittelalter genutzt wurde. So lassen zahlreiche Befunde auf eine intensive Besiedlung während der Bronzezeit (etwa 2200 vor Christus bis 750 vor Christus) schließen. Neben Siedlungsgruben wurden ein Brunnen, in den ein vollständig erhaltenes Gefäß gefallen war, freigelegt und zahlreiche Siedlungsfunde wie Keramik und Tierknochen geborgen. Den interessantesten Fund dieser Epoche stellt eine bronzene Ösenkopfnadel der Aunjetitzer Kultur dar. Aus der Eisenzeit (ungefähr 750 vor Christus bis um Christi Geburt) konnten ebenfalls zahlreiche Siedlungsbefunde aufgedeckt werden. Für diese Zeit ist ein Kalkbrennofen hervorzuheben.
Die mittelalterliche Siedlung an der Burg
Für das Früh- und Hochmittelalter ist erneut eine intensive Nutzung der flachen Terrasse an der Ohre nachweisbar. So konnten unter anderem 12 Grubenhäuser und zahleiche Pfostengruben ebenerdiger Gebäude dokumentiert werden. Die Siedlung existierte bereits im 9./10. Jahrhundert und damit vor der Errichtung der 2010/11 ausgegrabenen Burganlage, die aus der zweiten Hälfte des 11. Jahrhunderts stammt. In einigen eingetieften Gebäuden dieser älteren Phase konnten Reste kleiner Öfen freigelegt werden. Im Norden und Nordwesten wurde die Siedlung von der Ohre begrenzt, nach Südwesten und Süden durch einen breiten Graben, der wahrscheinlich primär dazu diente, Schichtenwasser abzuleiten. Im 11./12. Jahrhundert dehnte sich die Siedlung, an die nun im Südwesten die bereits bekannte, mächtige Burganlage anschloss, in südliche Richtung über den Graben aus.
Zur Sicherung der Burgsiedlung wurde ein Spitzgraben ausgehoben. Von einem anzunehmenden zugehörigen Befestigungswall, haben sich allerdings keine Reste erhalten. Die Grubenhäuser der Siedlung sind nun teilweise ungewöhnlich groß. Von besonderer Bedeutung ist ein größeres Grubenhaus, in dem über Standspuren von Webstühlen und zahlreiche Webgewichte und Spinnwirtel Textilherstellung nachgewiesen ist. Derartige Webhäuser sind charakteristisch für Vorburgareale herrschaftlicher Zentralorte dieser Zeit. Ebenerdige Gebäude sind über Herdstellen und Reste von aufwendig konstruierten Steinspeicheröfen nachgewiesen. Derartige Ofenanlagen erlaubten ein rauchfreies Beheizen von Wohngebäuden. Ein Gebäude verfügte über einen Keller in Steinbauweise.
Dem Fundmaterial zufolge waren einige der Häuser auch nach der Zerstörung der angrenzenden Burg im Jahr 1167 bis ins ausgehende 13. Jahrhundert in Nutzung. Das gilt auch für drei sehr unterschiedliche Brunnen beziehungsweise Wasserentnahmestellen im südlichen Bereich der Grabungsfläche, der durch an die Oberfläche tretendes Schichtenwasser gekennzeichnet ist. Ungewöhnlich ist eine fünfeckige Holzkonstruktion, in der getrennt durch eine Steinpackung ein runder Flechtwerkeinbau saß. Die innere Konstruktion diente wahrscheinlich der Wasserreinigung. Ein weiterer Brunnen bestand aus einem sekundär verwendeten Holzfass. Unter dem Fundmaterial verdienen, neben charakteristischen Kugeltöpfen aus Keramik, eiserne Messer, Bronzebeschläge, ein verzierter Knochenkamm sowie bronzene Pfrieme und Nadeln Erwähnung.
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Historische Einordnung: Burg und Siedlung Niendorf
In der schriftlichen Überlieferung taucht ›Niendorp‹ erstmals Anfang des 11. Jahrhunderts auf. Die 2010/11 ausgegrabene Burg wurde dendrochronologischen Untersuchen zufolge in den Jahren 1076 bis 1078 errichtet. Ihre Erbauung erfolgte wahrscheinlich durch die Gräfin Gertrud von Haldensleben in Folge des sogenannten Sachsenaufstands gegen das salische Königshaus, bei dem die Gräfin eine zentrale Rolle spielte. Zum Jahr 1167 ist überliefert, dass die an den Ururenkel Gertruds, Heinrich den Löwen, übergegangene Burg Niendorf durch den Magdeburger Erzbischof Wichmann von Seeburg zerstört wurde. Nach der Verwüstung Neuhaldenslebens im Jahr 1181 legte der Erzbischof in Niendorf eine mit Wall und Graben befestigte etwa 35 Hektar große, stadtartige Siedlung an, die auch das Areal der Burg und der angrenzenden älteren Siedlung umfasste. Das Zentrum des Ortes lag nun weiter südöstlich, außerhalb des bei den aktuellen Untersuchungen neu entdeckten Befestigungsgrabens der Burgsiedlung. Das Fundmaterial zeigt allerdings, dass auch dieser Bereich bis zur Aufgabe der unter Erzbischof Wichmann gegründeten städtischen Siedlung im 13./14. Jahrhundert weiter genutzt wurde.
Meldung Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt