LWL-Stadtarchäologin Dr. Sveva Gai: "Schon Ende der 1930er Jahre hatte der Baurat Bernhard Ortmann Untersuchungen auf dem Areal südlich des sogenannten Winkellands durchgeführt und ein bronzezeitliches Urnengräberfeld gemeldet." Gai weiter: "Leider ist kaum Fundmaterial aus diesem Kontext erhalten. Auch die Dokumentation der Befunde - also Fotos, Zeichnungen und beschreibende Texte - war damals noch nicht so ausgeprägt, dass sie den heutigen Standards genügen würde."
Die Erschließung des bisher landwirtschaftlich genutzten Areals, in dem ein Neubaugebiet entstehen soll, und der Verdacht auf archäologische Hinterlassenschaften rechtfertigten hier eine archäologische Untersuchung, so Gai.
Die Archäolog:innen erwarteten zu Beginn der Ausgrabung, die Reste eines großen Gräberfeldes zu finden und rechneten mit Urnengräbern oder älteren Grabhügeln. Doch es stellte sich heraus, dass sie nicht auf eine vorgeschichtliche Begräbnisstätte gestoßen waren, sondern auf Reste einer frühmittelalterlichen Siedlungsstruktur. "Die zunächst als Rest eines Grabhügels gedeutete, runde große Verfärbung in dem weichen, sandigen Boden, ließ sich beim Abtragen als eine Wasserschöpfstelle interpretieren. Diese war tief in den Boden bis zum Grundwasser angelegt worden", berichtet Grabungsleiter Robert Gündchen. "Mehrere solcher Stellen verteilen sich über die Gesamtfläche und haben schachtenartige Formen, deren Wände oft mit Holz befestigt wurden", so Gündchen weiter.
Weitere Grabungsarbeiten legten den Verdacht nahe, dass die Schächte und Gräben die Überreste eines Systems von Wasserleitungen darstellen könnten. "Die ausgegrabene Fläche wäre demnach schon im Frühmittelalter, wie auch in der jüngsten Vergangenheit, landwirtschaftlich genutzt worden", sagt Phillip Robinson, der zweite Grabungsleiter.
Auf der mittlerweile über zwei Hektar großen Fläche hat die Ausgrabung an die 300 Befunde, das heißt unbewegliche Spuren erbracht.
"Besonders hervorzuheben ist noch das komplette Grubenhaus, das am südlichen Flächenrand der Grabung freigelegt wurde", so Gündchen. "Hier zeigte sich, eingetieft in den gewachsenen Boden, ein annähernd rechteckiger Grundriss von zwei mal drei Meter Größe. Nachdem wir die Verfüllung herausgenommen hatten, kamen auch sechs Pfostenlöcher zum Vorschein, die das Dach trugen."
Trotz der Zahl der Befunde sei die Menge der Funde erstaunlich gering, was ebenfalls für die These einer landwirtschaftlichen Fläche sprechen könnte. Hauptsächlich wurden typische Überreste menschlichen Wohnens und Arbeitens gefunden: Holzkohle und einige Keramikscherben, dazu Speisereste in Form von Tierknochen und Zähnen. Vor allem auf die Keramik stützt sich die Datierung ins Frühmittelalter, weil Form, Materialzusammensetzung und Machart getöpferter Ware für die Fachleute auf ungefähr fünfzig Jahre genau zu datieren sind.
Vor diesem Hintergrund sticht ein Fund besonders hervor: Ein aus Buntmetall bestehender und aufwändig verzierter Schwertgurtbeschlag. Das Stück zeigt eine Mischung von Stilelementen unterschiedlicher Herkunft, erkennbar anhand von Flechtbandornamentik und Rautenmuster. Diese Kombination ist typisch für die Zeit der sogenannten karolingischen "Renovatio" (deutsch: Erneuerung), die in Paderborn das späte 8. und das 9. Jahrhundert umfasst. Gai: "Die aufwändigen Verzierungen lassen vermuten, dass als Besitzer:in nur eine sozial hochstehende Person infrage kommt. Was diese Person aber zwischen den Grubenhäusern und Bewässerungsgräben der einfachen Landbevölkerung gesucht hat, wieso sie dort einen Teil ihres Schmucks verlor und wo der Rest des Objekts geblieben sein mag, all diese Fragen sind nicht mehr restlos zu klären."
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