Viele heutige Schnecken zeigen auffällige Muster aus Punkten, Flecken und Bändern. Die häufigsten Farben auf den Gehäusen sind Gelb, Orange, Pink, Rot und Schwarz. Erzeugt werden die Farben durch Einlagerung von Farbstoffen, sogenannten Pigmenten. Diese werden von den Tieren in speziellen Zellen erzeugt und in unterschiedlicher Konzentration in die Schale eingelagert. Die chemische Zusammensetzung der Pigmente ist vielfältig. Zu den wichtigsten chemischen Verbindungen zählen Melanine und Carotinoide. Melanine geben unseren Haaren und der Haut die dunkle Farbe und Carotinoide verleihen auch Vogelfedern und dem Eigelb rote und gelbe Farben.
Die Schalen der Schnecken bestehen aus Aragonit, einer Form von Kalk, der sich über Millionen Jahre wenig verändert. Im Gegensatz dazu sind Pigmente sehr empfindlich und zerfallen rasch in ihre organischen Bestandteile. Fossile Schalen sind daher meist bleich und unscheinbar. Reste von Farbmustern auf Fossilien sind sehr selten. Fundstellen für solche Fossilien befinden sich an der österreichisch/ungarischen Grenze in Schottergruben südlich von St. Margarethen im Burgenland und bei Nexing in Niederösterreich.
Paläontologen des Naturhistorischen Museums Wien entdeckten dort Schalen von Nadelschnecken, die hier vor 12 Millionen Jahren am Ufer eines tropischen Meeres lebten. „Es war aber unklar, ob die Muster die ursprüngliche rötliche Färbung zeigen oder durch spätere Prozesse in Sediment entstanden sind“, so Univ.-Prof. Dr. Mathias Harzhauser, Direktor der Geologisch-Paläontologischen Abteilung des NHM Wien.
Um dieses Rätsel zu lösen, wurden die Schalen an das Geowissenschaftliche Zentrum der Universität Göttingen geschickt, wo Dr. Klaus Wolkenstein schon seit vielen Jahren die Chemie fossiler Farbstoffe erforscht. Den Erfolg brachte die Untersuchung mittels Raman-Spektroskopie. Dabei wird die Probe mit Laserlicht bestrahlt und die abgestrahlten Spektren werden untersucht. Jedes Spektrum ist ein Fingerabdruck des untersuchten Materials und erlaubt eine eindeutige Bestimmung.
„Zu unserer Überraschung zeigte sich, dass die Farbstoffe tatsächlich 12 Millionen Jahre nahezu unverändert erhalten geblieben sind. Damit gelang uns der älteste Nachweis derartiger Pigmente in Fossilien weltweit!“, so der Geochemiker und Studienleiter Wolkenstein. Chemisch zählen die nachgewiesenen Pigmente zu den Polyenen, das sind organische Verbindungen, zu denen auch die Carotinoide gerechnet werden.
Pressemeldung des Naturhistorischen Museums Wien
Originalpublikation:
Die Ergebnisse wurden als „Rapid Communication“ im Fachjournal Palaeontology publiziert.
Wolkenstein, K., Schmidt, B.C., Harzhauser, M. (2024) Detection of intact polyene pigments in Miocene gastropod shells. Palaeontology, e12691.
https://doi.org/10.1111/pala.12691