Die Celsusbibliothek befand sich einst im Zentrum der antiken Metropole Ephesos und grenzte an das Südtor der Tetragonos Agora, dem damaligen Handelsmarkt. Die zweigeschossige Bibliotheksfassade wurde aus Marmor errichtet und ist 21 Meter breit und über 16 Meter hoch. Eine optische Verbreiterung der Fassade (Scheinperspektive) wurde durch die Kurvatur der horizontalen Bauglieder und zur Mittelachse konsequent gesteigerte Erhöhung der vertikalen Bauglieder erreicht.
Nischen in der Wand des Untergeschosses enthielten Statuen der antiken Tugenden Sophia (Weisheit), Arete (Charakter), Episteme (Urteilskraft) und Ennoia (Sachverstand). Die Originale befinden sich heute im Kunsthistorischen Museum in Wien. Der Zugang erfolgte über eine imposante neunstufige Treppe und drei symmetrisch angeordnete Türen, die in eine Vorhalle führten. Das Herzstück der Bibliothek, der 178 Quadratmeter große Saal, besaß auf zwei Etagen Regale und Nischen für die Schriftrollen, die über von Säulen getragene Gänge zugänglich waren. Ein Gang führte schräg hinab zur kleinen Grabkammer des Celsus mit seinem Sarkophag.
Die Bibliothek wurde im 2. Jahrhundert n. Chr. von Gaius Iulius Aquila zu Ehren seines Vaters, des römischen Senators Tiberius Iulius Celsus Polemaeanus, erbaut und gilt als das bekannteste antike Bauwerk der Türkei. Die Bibliothek, die über der Grabkammer des Verstorbenen errichtet wurde, beherbergte einst rund 10.000 Schriftrollen aus Papyrus.
Nach einer schweren Beschädigung durch ein Erdbeben um 270 n. Chr. scheint der Bibliotheksbetrieb aufgegeben worden zu sein. In der Spätantike wurde der Rest des Gebäudes in eine Brunnenanlage umgebaut, während die noch stehende Prachtfassade als Schauwand diente. Nach der Ausgrabung zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurde die Celsusbibliothek zwischen 1970 und 1978 aus Originalteilen und zusätzlichen Materialien rekonstruiert. Sie ist seitdem ein Publikumsmagnet und Wahrzeichen der UNESCO-Weltkulturerbestätte Ephesos. 50 Jahre nach der aufwendigen Wiedererrichtung zeigen sich nun deutliche Alterserscheinungen.
Erste Maßnahmen und Bestandsaufnahme abgeschlossen
Das Österreichische Archäologische Institut der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW), das seit rund 130 Jahren in Ephesos forscht, startet daher ein mehrjähriges Restaurierungsprojekt. Bereits im Oktober 2024 führte ein Team aus Architekten, Restauratoren und Statikern eine Bestandsaufnahme durch. Denn der Zahn der Zeit nagt gemeinsam mit Wind und Wetter an dem Prachtbau. Dokumentiert wurden von den Experten unter anderem Schäden wie Risse, Schalenbildung und Zuckerkorrosion an den Marmoroberflächen. Erste Sicherungsmaßnahmen konnten durchgeführt und die Fassade teilweise eingerüstet werden, um Proben zu entnehmen und den Zustand der Bauteile genauer zu analysieren.
Die Ergebnisse dieser Untersuchungen bilden die Grundlage für ein umfassendes Restaurierungsprogramm, das in Kürze vorliegen wird. Ziel ist es, die strukturelle Integrität des Bauwerks zu sichern und es somit für die nächsten Jahrzehnte zu erhalten. Die Restaurierungsarbeiten sollen Ende 2027 abgeschlossen sein.
Meldung ÖAW