Ein Raum für eine besondere Frau – die »Schamanin« von Bad Dürrenberg

Das Grab der ›Schamanin‹ von Bad Dürrenberg, einer der bedeutendsten Funde der mitteleuropäischen Archäologie, wurde 1934 zufällig im Kurpark von Bad Dürrenberg entdeckt. In den letzten Jahren stand es im Fokus neuer umfangreicher und intensiver Untersuchungen am Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie (LDA) Sachsen-Anhalt. Mittels modernster Methoden und interdisziplinärer Untersuchungen haben Forscher nicht nur den bereits bekannten Fundstücken neue Erkenntnisse entlockt. Bei erneuten Grabungen des LDA Sachsen-Anhalt am Fundort konnten sogar Reste der ehemaligen Grabgrube sowie weitere Fundobjekte geborgen werden. Um den wichtigen neuen Forschungsergebnissen Rechnung zu tragen und sie der Öffentlichkeit zugänglich zu machen, wurde die Präsentation zur ›Schamanin‹ von Bad Dürrenberg im Landesmuseum für Vorgeschichte Halle (Saale) nun inhaltlich überarbeitet und neu gestaltet.

Eine besondere Frau Schamanin von Bad Dürrenberg
Die ›Schamanin‹ von Bad Dürrenberg imneu gestalteten Ausstellungsraum.© Landesamt für Denkmalpflege undArchäologie Sachsen-Anhalt, Juraj Lipták.

Die 30- bis 40-jährige Frau war vor etwa 9.000 Jahren sitzend zusammen mit einem etwa sechs bis zwölf Monate alten Kind bestattet worden. Ein möglicher Kopfschmuck aus Rehgeweih und Tierzahngehänge zeigen die besondere Stellung der Toten als ›Schamanin‹, als spirituelle Anführerin ihrer Gruppe.

Neuuntersuchung der Grabgrube

Man hat das Grab 1934 innerhalb nur eines Nachmittages geborgen. Die Neugestaltung des Kurparks im Vorfeld der diesjährigen Landesgartenschau eröffnete die Möglichkeit, den Fundort erneut zu untersuchen. Die Nachgrabungen durch das Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie (LDA) Sachsen-Anhalt ab Dezember 2019 erbrachten beeindruckende neue Erkenntnisse. Man konnte die genaue Fundstelle des Grabes lokalisieren. Zudem wurden sogar Reste der mit Rötel durchsetzen Grabgrube angetroffen, die 1934 in der Eile nicht komplett ausgegraben worden war. Diese wurden im Block geborgen und in den Werkstätten des LDA Sachsen-Anhalt unter Laborbedingungen untersucht. Dabei hat man zahlreiche neue Funde geborgen, die die bedeutende Stellung der Frau innerhalb ihrer Gesellschaft untermauern. Sie erweitern die bekannte Grabausstattung erheblich. Gleichzeitig erbrachten die Ausgrabungen neue Erkenntnisse zur Grabarchitektur und dem Aussehen der Grabgrube.

Die Gesamtheit dieser neuen, herausragenden Ergebnisse machte eine visuelle und inhaltliche Neugestaltung des Ausstellungsraums zur ›Schamanin‹ von Bad Dürrenberg im notwendig. Neben dem aktualisierten Lebensbild der ›Schamanin‹ lässt das ebenfalls von Karol Schauer neu gestaltete Panorama über der Vitrine der ›Schamanin‹ Besucherinnen und Besucher in die Zeit vor über 9.000 Jahren eintauchen. Der Blick von der Hochterrasse über der Saale, auf der ihre Bestattung lag, führt eindrücklich die damalige Landschaft mit Eichenmischwäldern, Kiefern- und Ulmenbeständen sowie besonders Haselnusssträuchern vor Augen. 17 Schubladen bieten den Besucherinnen und Besuchern vertiefende Informationen zur Lebenswelt der Mittelsteinzeit und der ›Schamanin‹ selbst. Eine 3D-Nachbildung und eine Filmanimation erläutern Anomalien an Wirbeln und Hinterhauptloch der ›Schamanin‹, die bei bestimmten Bewegungen des Kopfes ein anfallartiges Rollen der Augen (Nystagmus) auslösten. Dies muss auf ihre Zeitgenossen wie ein Zeichen des Kontakts mit der Geisterwelt gewirkt haben.

In der Vitrine der ›Schamanin‹ werden nun auch die Neufunde aus den Nachgrabungen am Fundort im Kurpark von Bad Dürrenberg gezeigt. Herausragend sind beispielsweise 14 durchbohrte fossile Gyraulus-Schneckenhäuser von nur etwa fünf Millimetern Größe. Sie könnten zu einer Kette gehört haben, ins Haar geflochten oder auf der Kleidung aufgenäht gewesen sein und stammen aus dem Steinheimer Becken im heutigen Baden-Württemberg. Damit zeugen die filigranen Objekte nicht nur von der Fingerfertigkeit der mittelsteinzeitlichen Menschen, sondern auch von erstaunlichen Fernkontakten in der Zeit vor 9.000 Jahren.

Meldung des Landesamtes für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt

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