Nach dem Ostteil mit Apsis und Presbyterium im letzten Jahr stand in diesem Sommer der Westteil der Kathedrale mit dem Eingang und dem Übergang vom Bereich des Atriums zum Hauptschiff im Fokus. Der angetroffene Erhaltungsgrad war dieses Jahr viel besser als erwartet – nicht nur die Mauern standen höher an, in großen Bereichen des Westteils der Kirche ist auch der Fußboden erhalten. Erstmals konnten hier nicht nur Architekturteile wie Säulen und ein Kapitell der konstantinischen Kirche, sondern sogar Teile des originalen Mosaikbodens freigelegt werden.
Sowohl im Atrium als auch im Westteil der Kirche waren zudem sekundär zahlreiche Bestattungen eingebracht worden, zumeist in wiederverwendeten Sarkophagen, die alle bereits antik oder auch modern beraubt und zumeist zur Wiederverwendung des Marmors zerstört worden waren. Neben etlichen Fragmenten von Marmorskulptur konnten auch spannende Inschriften, alle in Form von Spolienmarmor, entdeckt werden. Spektakulär sind zudem die verstürzt angetroffenen Mauern der Kirche, unter denen reiches Fundmaterial die Aufgabe des Gebäudes im frühen 9. Jh. belegt.
Den ganzen August über hatte das fast 40köpfige internationale Team von DAI Rom (N. Zimmermann), den Universitäten Bonn (S. Feist) und Köln (M. Heinzelmann) in bewährter Zusammenarbeit mit der römischen Universität La Sapienza (E. Borgia) sowie weiteren Studierenden der Universität Roma Tre und des Pontificio Istituto di Archeologia Cristiana gemeinsam der großen Hitze standgehalten. Spektakulär war die Entdeckung des konstantinischen Fußbodenmosaiks der Bischofskirche und der erstmals nachgewiesenen Arkaden über den Säulen des Hauptschiffs. Äußerst spannend ist auch die angetroffene Zerstörungssituation, denn sie belegt bis ins Frühmittelalter nachgenutzte Bereiche von Kirche und Atrium. Die neu ergrabene Fläche erschließt die Geschichte der Bischofskirche ganz neu von ihrer Stiftung unter Konstantin dem Großen um 320-330 n. Chr. bis zu ihrer Aufgabe und Zerstörung in karolingischer Zeit. Dies wirft neues Licht auf eine Epoche des Wandels und Niedergangs, der insbesondere in Ostia aus Gründen der Grabungsgeschichte bislang selten so detailliert erschlossen ist.
Für alle Grabungsteilnehmer besonders war der Umstand, dass die Fundkeramik bereits während der Grabung gewaschen und vorläufig klassifiziert werden konnte, so dass am Ende jeder Woche Grabungs- und Keramik-Team sich gegenseitig die ausgegrabenen Flächen und die sie charakterisierende und datierende Fundkeramik erklären konnten. Auch die Kampagne im kommenden Jahr verspricht wiederum spannende Ergebnisse, wird dann doch die Südflanke der Basilika mit dem Baptisterium und der direkt anschliessende Gebäudekomplex untersucht, bei dem es sich um den Wohn- bzw. Repräsentationsbereich des ostienser Bischof („Episkopium“) handeln dürfte.
Meldung DAI
Ein erster vorläufiger Grabungsbericht ist soeben in den Kölner und Bonner Archaeologica erschienen (KuBA 13, 2023, 163-181), die erste Auswertung der Ergebnisse erscheint in Kürze im neuen Band der RM (130, 2024).
DFG-Projekt Nr. 507752214 “Die konstantinische Bischofskirche von Ostia: Struktur – Entwicklung – Kontext“