Verschiedener Schmuck, Schildfragmente, Schwerter und ein Messer sollen anlässlich des Jubiläums "1250 Jahre Westfalen" im Jahr 2025 präsentiert werden. Die Funde waren 2022 teilweise im Block geborgen worden.
Dr. Michael Zelle, Leiter des Lippischen Landesmuseums Detmold: "Für uns war die Entdeckung des frühesten mittelalterlichen Reihengräberfeldes im Kreis Lippe eine Sensation. Ein Reihengräberfeld war an der Stelle nicht zu erwarten und so staunten wir jeden Tag mehr, was sich da bei Bauarbeiten im Neubaugebiet "Seeblick" unter der Erde auftat."
Auf einer Fläche von 2.100 Quadratmetern wurden über 70 Gräber ausgegraben und untersucht. Ganz im Einklang mit den Bräuchen des frühen Christentums ist ein großer Teil der gefundenen Gräber West-Ost-ausgerichtet. "Von den Gräbern waren 50 West-Ost-ausgerichtet und 15 Nord-Süd. Fünf weitere West-Ost-Befunde konnten wir aufgrund ihrer geringeren Größe als Kindergräber identifizieren. Außerdem haben wir mindestens sechs Pferdebestattungen nachgewiesen, welche lediglich anhand der Zähne erkennbar waren." Aufgrund der Anzahl der Bestattungen und ihrer chronologischen Tiefe nehmen die Archäologen an, dass hier eine kleine Siedlungsgemeinschaft über drei bis vier Generationen ihre Verstorbenen bestattete. Ob die Beerdigten tatsächlich Christen waren, sei aber nicht sicher.
Zelle: "Die in Schieder nachgewiesenen Pferdebestattungen sind als besonders wertvolle Grabbeigabe zu interpretieren, welche den hohen sozialen Stand der Verstorbenen abbildet." Auch die Ausgrabung zweier aufwendiger Grabkammerkonstruktionen spreche dafür ebenso wie wertvolle eiserne Grabbeigaben. Ein Sax, ein einschneidiges Hiebschwert, und eine bronzene Kreuzfibel, also eine Gewandnadel, zwei der jüngsten Funde, sowie zahlreiche Glasperlen, welche mit der Fibel das Gewand einer beigesetzten Frau verschlossen, sind ab dem 16. Mai 2025 in der Jubiläumsausstellung im LWL-Museum in der Kaiserpfalz in Paderborn zu sehen.
Rüschoff-Parzinger ordnet die Bedeutung der Funde für die Ausstellung ein: "Im Rahmen der Westfalen-Ausstellung nehmen diese Funde eine besondere Rolle ein. Sie zeigen typische Kriegswaffen in den Männergräbern, aber auch reiche Frauengräber. Besonders ist: Der Friedhof ist über einen langen Zeitraum bis in die Karolingerzeit genutzt worden." Gemeinsam mit anderen Waffen aus Westfalen würden sie Teil einer großen Inszenierung sein, die Besucher schon zu Beginn der Ausstellung in die Welt der Sachsenkriege und in das mittelalterliche Westfalen eintauchen lasse.
Restaurierung mit Schleifgerät und CT
Wie die Funde eigentlich aussehen, wissen auch die Fachleute, die sie ausgegraben haben, oft erst nach der Restaurierung. Susanne Bretzel-Scheel, LWL-Restauratorin: "Anders als man sich das vorstellt, kommen viele Objekte, in diesem Fall die Kreuzfibel oder das Sax, als großformatige Blockbergungen bei uns an. Das ist wichtig, damit wir sie unter idealen Bedingungen freilegen können und möglichst kein Fund zerstört wird." Die Glasperlen wurden teils vor Ort einzeln freigelegt, teils im Block geborgen und in der Werkstatt sorgfältig gereinigt. Mehrere hundert Perlen wurden in Schieder-Schwalenberg gefunden und in der Restaurierung bearbeitet. Bretzel-Scheel: "Millefiori bedeutet tausend Blüten. Ganz feine Glasstäbe werden bei dieser Glasperlen-Technik erhitzt und so zusammengeschweißt und gedreht, dass wunderschöne Muster im Miniaturformat entstehen. Eine wahre Kunst - erst recht für damalige Verhältnisse."
Bretzel-Scheel: "Da die frühmittelalterlichen Perlen noch aus Rohstoffen gefertigt wurden, die im Gegensatz zu späteren Glaserzeugnissen weniger korrosionsanfällig sind, strahlen sie auch heute noch in ihrer ursprünglichen Farbe". Anders sah es bei Sax und einem Schwert (Spatha) aus, die ebenfalls im Gräberfeld lagen und als Lehmblock auf dem Tisch der Restauratorin landeten. "Der Lössboden war eine echte Herausforderung. Im trockenen Zustand hart wie Beton, müssen die Funde vorsichtig Zentimeter für Zentimeter freigelegt und aus dem Block entnommen werden. Anschließend legen wir bei Eisenfunden die Originaloberfläche mit Schleifgerät und Druckstrahlen frei."
Eine besondere Herausforderung war die Restaurierung der einzigen Spatha. Dieses aufwendig mit damasziertem Stahl hergestellte, zweischneidige Schwert lag noch in seiner Holzscheide. "Hier musste der harte Sand vorsichtig mit Skalpell von der sehr weichen Holzoberfläche freigelegt werden. Diese Arbeitsschritte dauerten insgesamt mehrere Wochen", so Bretzel-Scheel. Der große Zeitaufwand habe sich aber gelohnt, da hier nun eine Spatha mit Holzscheide und Resten eines Schwertgriffs aus Horn "im ausstellungsfähigen Zustand" vorliege. Abschließend werden die Funde, so auch eine bronzene Kreuzfibel, mit einer reversiblen Kunstharzschicht überzogen, um sie widerstandsfähiger gegen Umwelteinflüsse zu machen.
Zahlreiche Computertomografien (CT) waren nötig, um mehr über die Beschaffenheit der Waffen zu erfahren und daraus wichtige Informationen für den Restaurierungsprozess abzuleiten. "Das Schwert ist damasziert, das heißt Eisen und Stahl wurden so miteinander feuerverschweißt, dass sie den Anforderungen an die Waffe genügten: nicht so hart, dass sie bricht, sondern elastisch genug für den Einsatz und optisch ein Hingucker, da sich ein wunderschönes Muster auf der Oberfläche abbildete."
Jubiläum "1250 Jahre Westfalen"
Gemeinsam mit dem Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) feiert die LWL-Kulturstiftung 2025 das Jubiläum "1250 Jahre Westfalen" mit einem vielfältigen Kulturprogramm aus Kunst, Geschichte, Literatur, Musik, Kabarett, Kulinarik, Podcasts und mehr. Anlass dafür ist die erstmalige Erwähnung der Westfalen in einem Bericht der fränkischen Reichsannalen für das Jahr 775.
44 Kulturprojekte, die zusammen mit rund drei Millionen Euro gefördert werden, widmen sich in zahlreichen Veranstaltungen der Geschichte Westfalens und aktuellen Fragen nach Identität, Herkunft und Zugehörigkeit. Die Ausstellung "775 - Westfalen. Die Ausstellung" im LWL-Museum in der Kaiserpfalz in Paderborn lädt ab dem 16. Mai 2025 als zentrales Projekt zur Wanderung durch die Jahrhunderte ein.
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