Forscher haben über 50 Metallgegenstände zwischen Mittelitalien und dem Südostalpenraum untersucht. Dabei konnten sowohl die ältesten Handelswege für Kupfer als auch eine zeitliche Abfolge bei der Ausbeutung verschiedener Bergbauregionen rekonstruiert werden. Das Ergebnis der Untersuchung zeigt auf, dass Kupfer zu bestimmten Zeiten in genau eingrenzbaren Gebieten produziert wurde: Zwischen Ende des 5. Jahrtausends und Anfang des 4. Jahrtausends v. Chr. gab es keine Kupferproduktion in Italien. Alle archäologischen Objekte, die dieses Metall enthalten, stammen aus dem Balkan.
Ab ca. 3500-3600 v. Chr. kommt es jedoch zu einer Blütezeit prähistorischer Kupferproduktion in der Toskana. Dieses Ergebnis steht im Einklang mit früheren Studien, die das Kupferbeil von Ötzi, dem Mann aus dem Eis, analysierten. Dabei hat man festgestellt, dass das Kupfer nicht – wie bis dahin angenommen – aus lokaler Produktion, sondern aus der südlichen Toskana stammte.
Der zentraleuropäische Alpenraum stellt eine wichtige Lagerstätte für Kupfererz dar. Die Entdeckung und der Abbau von lokalem Kupfer beginnt jedoch erst nach 2800 v. Chr. in den Südostalpen, breitet sich nach Westen aus und erreicht seinen Höhepunkt in der zweiten Hälfte des 3. Jahrtausends v. Chr.. Auch in der folgenden Bronzezeit wird in den Alpen weiterhin systematisch Kupfer abgebaut, verhüttet und verarbeitet.
Erkenntnisse aus der Studie für Südtirol
Günther Kaufmann, Archäologe und Projektverantwortlicher am Südtiroler Archäologiemuseum, zeigt sich über die detaillierten Forschungsergebnisse erfreut: „Mit dieser Studie erhalten wir ein komplettes Bild vom Abbau und der Verbreitung von Kupfer im südlichen Alpenbogen, in Ober- und Mittelitalien. Diese Studie erschließt uns, woher die Menschen im Südalpenraum das früheste Kupfer bezogen, welche weiten Handelswege es zurücklegte, und ab wann die einheimische alpine Bevölkerung selbst intensiv damit begann, lokales Kupfererz abzubauen.
Wie bekannt, stammt der Rohstoff von Ötzis Kupferbeil aus der südlichen Toskana. Was in der wissenschaftlichen Publikation unserer Forschungsgruppe 2016 zunächst für Überraschung in der archäologischen Fachwelt sorgte, wurde nun für das ausgehende 4. Jahrtausend v. Chr. ausreichend bestätigt und erweitert unser Wissen über den kulturellen Kontext: Zu Ötzis Zeiten hat man das Kupfer aus Mittelitalien nach Oberitalien sowie in den Süd- und auch in den Nordalpenraum exportiert. Erst einige Jahrhunderte nach dem Mann aus dem Eis erlebte der Abbau der südalpinen Kupferlagerstätten eine starke Blütezeit.“
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Vorgangsweise des Forschungsteams
Die Rekonstruktion der prähistorischen Kupferproduktion entstand durch die Analyse von chemischen Elementen und Isotopen aus über 50 archäologischen Objekten, die von zahlreichen italienischen und österreichischen Museen zur Verfügung gestellt worden waren.
Jedes Kupfererzvorkommen besitzt ein sehr spezifisches geologisches Alter. Die Blei-Isotopenverhältnisse beziehen sich auf das Alter der Lagerstätte. Während der Gewinnung von Kupfer aus Erzen und der weiteren Verarbeitung des Metalls zu Werkzeugen, bleibt das Isotopensignal unverändert. Die Analyse der Bleispuren im Kupfer der Gegenstände erlaubte dem Forschungsteam daher, auf dasselbe Signal zurückgreifen zu können, das in der geologischen Ursprungslagerstätte vorhanden ist. Darüber hinaus lassen sich Isotopen und chemische Informationen von gleichzeitigen Lagerstätten durch geochronologische Marker eindeutig zuordnen.
Gilberto Artioli, ordentlicher Professor am Dipartimento di Geoscience der Universität Padua, der 2016 erstmals das Rohmaterial von Ötzis Kupferbeil in der Toskana verortet hatte und Erstautor der aktuellen Studie ist, unterstreicht: „Die Besonderheit dieses Projekts bestand darin, dass wir diesmal eine beträchtliche Anzahl von archäologisch bedeutenden Objekten einbeziehen konnten. Es handelt sich hauptsächlich um Äxte und Beile, aber wir haben auch kleinere Gegenstände wie Ahlen und Objekte aus einer chronologischen Phase, in der Kupfer noch eindeutig ein wertvolles und auch recht seltenes Material war. Die Isotopenanalysen von Bleispuren in den Metallfunden haben zusammen mit dem Nachweis von chemischen Verunreinigungen des Kupfers gezeigt, wie man mit einer guten Referenzdatenbank die Herkunft der Gegenstände zuverlässig rekonstruieren kann.“
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Herausforderung der genauen Chronologie
Eine Herausforderung besteht hingegen darin, die archäologischen Funde einer genauen Chronologie zuzuordnen, insbesondere dann, wenn die Objekte nicht aus jüngsten Ausgrabungen mit gesicherter Stratigrafie stammen (Abfolge der Zeitschichten) und die Datierung nur aufgrund typologischer Zuordnung erfolgt, die manchmal umstritten ist.
„Es ist sehr schwierig, wenn wir den Fundkontext nicht kennen“, sagt Prof. Ivana Angelini vom Department of Cultural Heritage der Universität Padua und Co-Autorin der Studie. „Für einige der untersuchten Gegenstände war es jedoch möglich, absolute Radiokarbondatierungen zu gewinnen, beispielsweise durch Knochen in den Gräbern, in denen man die Metalle gefunden hat. Dies ermöglichte es, einige der analysierten Gegenstände chronologisch zu ordnen.“
„Mit dieser Arbeit haben wir das Modell der Kupfermetallurgie im späten Neolithikum und in der Kupferzeit revolutioniert. Zudem konnten wir viele Fragen zu Verbreitungs- und Herkunftsphasen dieses Metalls in der prähistorischen Zeit in Italien beantworten“, schließt Professor Artioli.
Nach einer Meldung des Südtiroler Archäologiemuseums
Originalpublikation:
Artioli, G., Angelini, I., Canovaro, C. et al. Lead isotopes of prehistoric copper tools define metallurgical phases in Late Neolithic and Eneolithic Italy. Sci Rep 14, 4323 (2024). https://doi.org/10.1038/s41598-024-54825-z