Mehr als 1.300 prähistorische Grabhügel in West-Aserbaidschan erstmals systematisch vermessen

Forschende des Exzellenzclusters ROOTS veröffentlichen die Ergebnisse interdisziplinärer Forschungen zu Bestattungssitten und Siedlungsstrukturen im südlichen Kaukasus vom 4. bis 1. Jahrtausend v. u. Z.

Kurgane bestimmen das Landschaftsbild an vielen Orten Westaserbaidschans.
Kurgane bestimmen das Landschaftsbild an vielen Orten Westaserbaidschans.© Andrea Ricci

Mehr als 1000 Kilometer lang und bis zu 5600 Meter hoch erstrecken sich die Gebirgszüge des Kaukasus zwischen dem Schwarzen und dem Kaspischen Meer. Was wie eine riesige natürliche Barriere aussieht, war über Jahrtausende hinweg eine wichtige Kontakt- und Austauschzone zwischen dem westasiatischen Hochland und den südosteuropäischen Steppen. Trotz dieser Bedeutung sind die archäologischen Daten aus dem Kaukasus und den angrenzenden Regionen nach wie vor lückenhaft. 

Forschende des Exzellenzclusters ROOTS an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel haben gemeinsam mit Kollegen der Akademie der Wissenschaften von Aserbaidschan in zwei Feldkampagnen in den Jahren 2021 und 2023 mehr als 1.300 archäologische Stätten in Aserbaidschan systematisch erfasst und dokumentiert. Die Ergebnisse ihrer jüngsten Forschungskampagne haben sie nun in der internationalen Fachzeitschrift Antiquity veröffentlicht. Der Artikel schließt an einen Überblick über die Ergebnisse der Feldkampagne 2021 an, der ebenfalls 2024 in der Zeitschrift Archaeological Prospection erschienen ist.

Die Forschungen des ROOTS-Teams konzentrieren sich auf zwei Gebiete im Verwaltungsbezirk Goranboy im Westen Aserbaidschans, am Rande des Vorgebirges des Kleinen Kaukasus. Grabhügel, so genannte Kurgane, sind ein typisches Landschaftsmerkmal der Region. Allerdings fehlt es bisher an einer systematischen Dokumentation der archäologischen Stätten. „Wir können nur dann Rückschlüsse auf soziokulturelle Entwicklungen in der Vergangenheit ziehen, wenn wir genaue Daten über Anzahl, Art, Größe, Verteilung und Alter von Grabhügeln und anderen archäologischen Stätten haben“, sagt Andrea Ricci, Archäologe und Leiter des Projekts bei ROOTS. 

Eine Kombination verschiedener Methoden 

Während der beiden Feldkampagnen setzte das Team für die Untersuchungen auf eine Kombination verschiedener Methoden, die von der Fernerkundung bis zu geophysikalischen Messungen vor Ort reichten.

Satellitenbilder halfen den Forschern, sich einen Überblick zu verschaffen, Landschaftsstrukturen zu analysieren und potenzielle archäologische Merkmale zu identifizieren. Der Vergleich von sehr frühen Satellitenbildern aus den 1960er und 1970er Jahren mit aktuellen Aufnahmen zeigte auch moderne Veränderungen der Landschaft auf. Vor den Feldarbeiten bestätigte die Analyse dieser Bilder das Vorhandensein einer beträchtlichen Anzahl von Hügeln, bei denen es sich wahrscheinlich um Kurgane handelt.

Vor Ort wurden geologische und geomorphologische Untersuchungen durchgeführt und archäologische Befunde dokumentiert. Wo vorhanden, sammelten die Teammitglieder Artefakte an der Oberfläche, um die Fundorte zu datieren. 

Mit einer an einem Drachen befestigten Kamera fotografierte das Team außerdem ausgewählte, mehrere Hektar große Gebiete, um aus den aufgenommenen Bildern 3D-Landschaftsmodelle zu erstellen. „Diese integrierten Methoden ermöglichen es uns, die Dimensionen und räumlichen Beziehungen der Kurgane mit einer nie zuvor erreichten Intensität und Präzision zu dokumentieren und zeigen, dass die Kurgane oft in Gruppen angeordnet waren“, erklärt Dr. Bakhtiyar Jalilov, Archäologe an der Nationalen Akademie von Aserbaidschan (Baku) und Kooperationspartner des Projekts. Geomagnetische und elektromagnetische Messungen sowie der Einsatz von Bodenradar erweiterten die Untersuchungen an der Erdoberfläche in den Boden hinein, um die Form und Größe bestimmter Kurgane zu bestimmen. 

Allein auf dem Uzun-Rama-Plateau konnte das Team mehr als 1.200 Kurgane identifizieren. Von diesen waren bisher nur etwa 200 bekannt. Weitere 85 Kurgane wurden entlang des Qaraçay-Tals entdeckt. Sie stammen aus dem 4. bis 1. Jahrtausend vor Christus. Die detaillierten Untersuchungen ergaben unterschiedliche Strukturen über die Jahrtausende hinweg. 

Umfangreicher Datensatz erlaubt neue Anlysen zu Gesellschaften der Vergangenheit

Neben den Kurganen identifizierte das Team auch Grabstätten oder Einzelgräber aus der späten Bronzezeit/frühen Eisenzeit sowie Stätten aus dem Chalkolithikum (5.-4. Jahrtausend v. Chr.) und dem Mittelalter (10.-15. Jahrhundert n. Chr.).

„Mit diesen umfangreichen neuen Datensätzen können wir nun die Bestattungskultur der Region und die wechselseitigen Beziehungen zwischen Mensch und Umwelt im Südkaukasus während der letzten 6.000 Jahre besser analysieren. Darüber hinaus können diese Datensätze auch dazu beitragen, diese für den Südkaukasus so typischen kulturellen Spuren besser zu bewahren. Schließlich kann man nur schützen, was man kennt“, fasst Andrea Ricci die ersten Ergebnisse zusammen.

Meldung roots

Originalpublikation:

  • Ricci A, Fiori S, Huseynov M, Jalilov B, Kneisel J, Raese H. (2024), The archaeological record of the Qaraçay River Basin along the northern piedmont of the Lesser Caucasus. Antiquity. Published online 2024:1-8. https://doi.org/10.15184/aqy.2024.182
  • Ricci, A., Jalilov, B., Fiori, S., Erkul, E., Kneisel, J., Fischer, S., Raese, H. and Rabbel, W. (2024), Kurgan Phenomenon in the Southern Caucasus: Results of an Interdisciplinary Multi-Method Remote Sensing Survey Along the Kurekçay Valley (Goranboy Province, Western Azerbaijan). Archaeological Prospectionhttps://doi.org/10.1002/arp.1930

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