Scheinbar entspannt schreitet Georg Hüttner eine Wiese nahe dem Ort Lüchow im Kreis Herzogtum Lauenburg der Länge nach ab. Als er nach etwa 200 Metern das gegenüberliegende Ende erreicht, geht er fünf Meter zur Seite und dann parallel wieder zurück. Er trägt dabei ein fast fünf Meter langes, leuchtend oranges Rohr quer vor dem Bauch. Ein Schultergeschirr hält das Gewicht des Rohrs, trotzdem ist dem sportlichen Studenten nach etlichen parallelen Bahnen über das Feld die Anstrengung anzusehen.
Bei dem Rohr handelt es sich um ein geophysikalisches Gerät, das mit Hilfe elektromagnetischer Induktion Strukturen und Schichten im Untergrund sichtbar machen kann. Diese sogenannten EMI-Messungen sind eine oft angewendete und bewährte Methode, um großräumig Informationen über ehemalige Landschaftsformen oder Siedlungsreste im Boden zu erlangen. Die Informationen bereiten archäologische Ausgrabungen vor und ergänzen sie um ein großräumiges Bild der einstigen Umwelt.
Doch wenn das EMI über ein zu untersuchendes Feld getragen wird, ist das nicht nur anstrengend. „Je nach Beschaffenheit des Bodens kann das Gerät Daten über den Boden bis in etwa sechs Meter Tiefe liefern. Wird es einen Meter über dem Boden getragen, verliert man allerdings diesen Meter“, erklärt der Geophysiker Dennis Wilken aus der Arbeitsgruppe Angewandte Geophysik an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel und Mitglied im Exzellenzcluster ROOTS.
Leicht, modular, praktisch – Neue Hilfsmittel für die Wissenschaft
Als Georg Hüttner das Feld in Lüchow komplett abgegangen ist, starten Dennis Wilken und der Ingenieur Clemens Mohr daher ein Experiment. Sie hängen das zehn Kilogramm schwere EMI-Rohr unter einen speziell dafür entwickelten, filigran wirkenden Handwagen. Clemens Mohr schiebt den Wagen mit dem EMI noch einmal mehrere parallele Bahnen über das Feld. In dieser Gerätekonstellation befindet sich das Gerät nur wenige Zentimeter über dem Boden. „Wir können jetzt die Messungen der herkömmlichen Methode mit den Messungen am Handwagen vergleichen und sehen, ob sie uns bessere Daten bringen. Die Handhabung des EMI ist mit dem Wagen auf jeden Fall leichter“, erklärt Clemens Mohr.
Der studierte Schiffbauingenieur gehört zur Technischen Plattform des Exzellenzclusters ROOTS. Seine Aufgabe ist es, den Forschenden Geräte und Hilfsmittel zur Verfügung zu stellen, die bessere oder ganz neue Daten und Erkenntnisse liefern – oder einfach die Forschung bei schwierigen Arbeitsbedingungen erleichtern.
Paradebeispiele dafür sind die verschiedenen Wagen, die er für archäologische Forschungen im Wattenmeer konstruiert hat. „Sie müssen leicht sein, damit sie nicht im Watt einsinken. Sie müssen trotzdem Schlick, Salzwasser und dem Gewicht der Ausrüstung trotzen. Und sie sollten zusätzlich für den Notfall noch schwimmfähig sein“, erklärt Clemens Mohr die Spezifikationen, die er zusammen mit den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern ausgearbeitet hat.
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Besondere Anforderungen an wissenschaftliche Geräteträger
Gerade bei Geräteträgern für geophysikalische Messungen kommen noch weitere Anforderungen hinzu. Metall würde geomagnetische oder die EMI-Messungen verfälschen. Clemens Mohr arbeitet deshalb viel mit kohlenstofffaserverstärktem beziehungsweise glasfaserverstärktem Kunststoff (Carbon bzw. GFK). Und er baut die Geräteträger am liebsten modular. Für den Transport können sie so klein verpackt werden. Viele Teile sind außerdem in mehreren Aufbauten verwendbar. „Das spart Material, Geld und macht die Arbeit flexibler“, erklärt Clemens Mohr
Seit elf Jahren entwirft und baut er in der Werkstatt des Instituts für Geowissenschaften der CAU für die Wissenschaft, seit 2019 als Teil der Technischen Plattform von ROOTS. Neben Neukonstruktionen und der eigenen Fertigung obliegt ihm aber auch die Wartung des Materials. „Nach Ausgrabungen oder Messkampagnen ist eigentlich immer irgendetwas zu reparieren“, sagt Mohr und lächelt.
Meldung Christian-Albrecht-Universität Kiel