Neuer Datenschatz zur Siedlungsgeschichte der Insel Amrum

Mitte August konnten Feriengäste und Einheimische auf der nordfriesischen Insel Amrum einige ungewöhnliche Aktivitäten beobachten. Menschen trugen lange orangene Stangen quer vor dem Bauch über Wiesen. Nur ein Flurstück weiter schoben zwei Personen einen filigran wirkenden Handkarren durch eine Niederung. Noch ein Feld weiter schlug jemand mit einem Hammer auf den Boden, während andere Personen an einem Campingtisch konzentriert auf einen Monitor schauten.

Seismische Untersuchungen auf Amrum
Tomáš Bernat von der Universität Bratislava und Leonie Höld von der Universität Wien führen seismische Messungen im Ann-Lunn-Gebiet auf Amrum durch.© Jan Steffen, Cluster ROOTS/Uni Kiel

Diese Aktivitäten waren allesamt Teil einer Forschungs- und Ausbildungskampagne mit insgesamt 45 Studierenden und Forschenden der Universitäten Aarhus (Dänemark), Bratislava (Slowakei), Gent (Belgien), Wien (Österreich) und Kiel, sowie des Exzellenzclusters ROOTS, des Leibniz-Zentrums für Archäologie am Standort Schleswig (LEIZA-ZBSA) und des Archäologischen Landesamtes Schleswig-Holstein. Die Studierenden lernten dabei verschiedene geophysikalisch-archäologische Untersuchungsmethoden wie Geomagnetik, Bodenradar, Elektromagnetische Induktion (EMI), Seismik oder Bohrungen in der Praxis kennen. Die Forschenden nutzten die Gelegenheit, um das Wissen über die Siedlungsgeschichte Amrums deutlich zu erweitern. Gefördert wurde die Kampagne vom Erasmus+ Programm der Europäischen Union sowie von den beteiligten Institutionen.

„Geophysikalische Prospektion ist heute ein unverzichtbarer Bestandteil archäologischer Forschung. Mit den verschiedenen Methoden können wir großflächig Strukturen im Boden erkennen, ohne schon graben zu müssen“, erklärt der Geophysiker Dr. Dennis Wilken von der Uni Kiel, „allerdings hat jede der Methoden Vor- und Nachteile, je nachdem, wie der Untergrund beschaffen ist und welche Fragen beantwortet werden sollen“. 

Dr. Immo Trinks, Geophysiker an der Uni Wien ergänzt: „Wir stoßen bei den Feldarbeiten auf viele Herausforderungen, auf die keine Vorlesung vorbereitet. Durchweichte Äcker, schlechte GPS-Abdeckung, Gewitter während einer Messung und vieles mehr. Deshalb ist es wichtig, dass die Studierenden die verschiedenen Methoden in der Praxis kennen lernen.“ Die Kampagne auf Amrum bot den Teilnehmerinnen und Teilnehmern diese Möglichkeit. 

Etliche Hektar Land im Bereich des eisenzeitlichen Erdwerkes Krümwaal bei der Ortschaft Nebel hat das internationale Team während der fünf Messtage mit den verschiedenen Methoden untersucht. „Wir konnten dabei mehrere eisenzeitliche Hofanlagen mit Langhäusern entdecken sowie Strukturen dokumentieren, die jetzt noch genauer interpretiert werden müssen“, berichtet der Archäologe Dr. Bente Sven Majchczack vom Kieler Exzellenzcluster ROOTS.

Hafenplatz der Wikinger nördlich von Nebel entdeckt

Noch spektakulärer sind nach den ersten Datensichtungen die Befunde der geophysikalischen Untersuchungen in der Ann Lunn genannten Niederung nördlich von Nebel. „Hier konnten wir Grubenhäuser, Wege und Häuser nachweisen, die sehr wahrscheinlich zu einem wikingerzeitlichen Hafenplatz gehören. In der Niederung ist deutlich ein ehemaliger Wasserlauf nachweisbar“, sagt Bente Majchczack. 

Dass trotz aller geophysikalischer Daten auch Spaten, Schaufel und Kelle noch zum Einsatz kommen, konnten die Studierenden bei den Geoarchäologen Prof. Dr. Eileen Eckmeier von der Uni Kiel und Dr. Søren Munch Kristiansen (Universität Aarhus) lernen. Im Rahmen des Exzellenzclusters ROOTS untersucht Prof. Eckmeier, wie sich Menschen in früheren Jahrhunderten ihre Lebensgrundlagen sicherten, auch wenn sie in einer Region mit schlechter Bodenqualität lebten. Um die Wirtschaftsweisen früherer Menschen auf Amrum nachvollziehen zu können, führte das Team mehrere Bohrungen durch und legte schließlich ein Bodenprofil an, um die Bodeneigenschaften zu dokumentieren und Proben zu nehmen

Zwar müssen die gewonnenen Daten aus Seismik, Geomagnetik, Georadar, EMI und Grabung noch abgeglichen und im Detail ausgewertet werden. „Trotzdem können wir schon sagen: Diese Ausbildungswoche hat einen wahren Datenschatz zur Siedlungsgeschichte Amrums erbracht“, fasst die Archäologin Dr. Ruth Blankenfeldt vom LEIZA-ZBSA zusammen.

Meldung Roots

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