Studie gibt Aufschluss über die Nutzung und Verarbeitung von Nahrungsfetten in der Vorgeschichte Mitteldeutschlands

Formen und Verzierungen von Keramikgefäßen werden von Archäologen traditionell zur Unterscheidung und Beschreibung von vorgeschichtlichen Kulturen verwendet. Der Inhalt und die Funktion der Gefäße standen bislang selten im Fokus der Forschung. Nun hat ein internationales Team von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern des Landesamtes für Denkmalpflege und Archäologie (LDA) Sachsen-Anhalt und der Autonomen Universität Barcelona in einer bahnbrechenden Studie die kulinarischen Traditionen in Mitteldeutschland zwischen der Jungsteinzeit und der späten Bronzezeit (6. bis 1. Jahrtausend vor Christus) untersucht. 124 Keramikgefäße wurden auf Lipidrückstände von Nahrungsmitteln untersucht und so die Funktion der Gefäße bestimmt. Es handelt sich um die bisher größte Datenserie für die Region, wobei die Proben sowohl aus Gräbern als auch aus Siedlungen stammen.

Einzelbestattung der Glockenbecherkultur aus der Umgebung der Kreisgrabenanlage von Pömmelte. Mit einem Gefäß als Beigabe, das ein erhitztes Milchprodukt enthielt. Nahrungsfetten
Einzelbestattung der Glockenbecherkultur aus der Umgebung der Kreisgrabenanlage von Pömmelte. Mit einem Gefäß als Beigabe, das ein erhitztes Milchprodukt enthielt. © Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt, Matthias Zirm.

Nachweis einer großen Vielfalt tierischer und pflanzlicher Produkte

Eines der bemerkenswerten Ergebnisse dieser Studie ist ein deutlicher Anstieg der Nutzung von Milchprodukten im Zusammenhang mit dem Aufkommen kleiner Tassen und Amphoren im 4. Jahrtausend vor Christus (Baalberger Kultur). Während des 3. Jahrtausends vor Christus weisen Gefäße aus Bestattungskontexten der Schnurkeramik-Kultur auf eine zunehmende Bedeutung von tierischen Produkten hin, die nicht von Wiederkäuern stammen. Hingegen wurde innerhalb der frühbronzezeitlichen Aunjetitzer Kultur (ungefähr 2200 bis 1550 vor Christus) in stark standardisierten Keramikformen, die den ebenfalls stark reglementierten Grabbeigaben dieser ersten hierarchischen Gesellschaft entsprechen, eine überraschend große Vielfalt tierischer und pflanzlicher Produkte nachgewiesen.

Die ersten Ackerbauern und Viehzüchter siedelten sich vor etwa 7.500 Jahren im Zuge der Ausbreitung der frühneolithischen Linearbandkeramikkultur in Mitteleuropa an. Sie stellten in vielen Regionen auch die früheste Keramik her. Im Laufe der folgenden Jahrtausende entwickelte sich eine außergewöhnliche kulturelle Vielfalt, die zu einer ebenso großen Vielfalt an Keramikstilen führte. Gefäßformen und Verzierungen werden von Archäologen traditionell zur Beschreibung von vorgeschichtlichen Kulturen verwendet. Der Inhalt und die Funktion der Gefäße standen bislang selten im Fokus der Forschung.

Analyseverfahren erlaubt Differenzierung von Nahrungsfetten

Innerhalb der Vorgeschichte Mitteleuropas ist Mitteldeutschland eine der Regionen mit der ausgeprägtesten kulturellen Vielfalt. Dies liegt unter anderem an den fruchtbaren Böden der Lösszone, die sich außerordentlich gut für die Landwirtschaft eignen, und anderen natürlichen Ressourcen wie Salz, die schon früh Menschen anzogen. Nun hat ein internationales Team von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern des Landesamtes für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt und der Autonomen Universität Barcelona in einer bahnbrechenden Studie die kulinarischen Traditionen in Mitteldeutschland zwischen der Jungsteinzeit und der späten Bronzezeit (6. bis 1. Jahrtausend vor Christus) untersucht. An 124 jeweils kulturtypischen Gefäßen aus den Beständen des LDA Sachsen-Anhalt wurden Lipidrückstände analysiert. Es handelt sich um die bisher größte Datenserie für die Region, wobei die Proben sowohl aus Gräbern als auch aus Siedlungen stammen. Dieses Analyseverfahren ermöglicht es zwischen Restfetten aus Milch, solchen von Wiederkäuern und Nichtwiederkäuern, oder Lebensmitteln marinen sowie pflanzlichen Ursprungs zu unterschieden.

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Es zeigt sich ein deutlicher Anstieg des Konsums von Milchprodukten während der mittleren Jungsteinzeit (Baalberger Kultur, 4. Jahrtausend vor Christus). Die Tassen und kleinen Amphoren aus den Gräbern dieser Zeit enthielten fast immer Milchfette, was auf eine hochspezialisierte Verwendung im Zusammenhang mit aus Milch gewonnenen Nahrungsmitteln hinweist. Möglicherweise dienten die kleinen Tassen dazu, Milchprodukte aus größeren, in den Siedlungen häufig vorkommenden Gefäßen zu schöpfen.

Verzierte Becher aus Gräbern der Schnurkeramikkultur des 3. Jahrtausends vor Christus wiesen stattdessen eine Vielzahl tierischer und sogar pflanzlicher Fette auf, was auf eine zunehmende Bedeutung von Nicht-Milchprodukten schließen lässt. Die Ergebnisse der vorliegenden Studie widersprechen folglich der Interpretation dieser Becher als spezielle Gefäße zum Genuss von Bier. Außerdem scheint die Ankunft der Schnurkeramiker aus den östlichen Steppengebieten nicht mit einer Zunahme der Verwendung von Fleisch oder Fetten von Wiederkäuern zusammenzufallen, wie ebenfalls vermutet wurde. Schweine spielten hingegen eine sehr wichtige Rolle in der Schnurkeramik. Die Amphoren (Doppelhenkelgefäße) der Schnurkeramik enthalten häufig Schweinefette.

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Der intensive Konsum von Milchprodukten dürfte allerdings bis fast an das Ende des 3. Jahrtausend vor Christus angedauert haben, Belege stammen insbesondere aus der Glockenbecherkultur. Die Verwendung der namengebenden Becher aus Bestattungen im Umfeld der Kreisgrabenanlage von Pömmelte scheint stark an Milchprodukte gebunden gewesen zu sein. Möglicherweise dienten die Becher als Serviergefäße. Die Nutzung könnte spezifische Bestattungspraktiken in Pömmelte widerspiegeln, denn der Nachweis gelang hier bei Bechern aus zahlreichen Gräbern.

In der Frühbronzezeit formierte sich mit der Aunjetitzer Kultur (ungefähr von 2200 bis 1550 vor Christus) die erste stark hierarchische Gesellschaft. Dies ist die Zeit der reich ausgestatteten monumentalen Fürstengräber von Leubingen und Helmsdorf oder des Bornhöcks, der in den letzten Jahren intensiv erforscht wurde.

Die Keramik der Aunjetitzer Kultur ist stark standardisiert. Charakteristisch sind unverzierte Tassen mit spindelförmigem Körper sowie grobe Vorratsgefäße mit plastischem Dekor. In diesen stark standardisierten Tassen, aber überraschenderweise offenbar multifunktionalen Keramik, ergaben sich Signale für diverse Lipide, die auf eine größere Vielfalt an tierischen und pflanzlichen Produkten hindeuten.

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Meldung des Landesamtes für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt

Originalpublikation:

A. Breu/R. Risch/E. Molina/S. Friederich/H. Meller/F. Knoll, Pottery spilled the beans: Patterns in the processing and consumption of dietary lipids in Central Germany from the Early Neolithic to the Bronze Age. PLoS ONE 19(5): e0301278. https://doi.org/10.1371/journal.pone.0301278.

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