Bisher war eine vergleichbare Anlage am Donaulimes nur durch das Kastell Iža-Leányvár in der Slowakei bekannt. Eine feste Brücke gab es in Carnuntum vermutlich nicht, stattdessen sind Fährdienste bis in das 17./18. Jahrhundert dokumentiert.
Römische Grenzsicherung und Kontrolle von Handelsrouten
„Bereits um 1850 waren die noch sichtbaren Mauern an dem als Ödes Schloss bezeichneten Platz untersucht worden“, erklärt Christian Gugl, Archäologe und Leiter der Forschungsgruppe Archäologie der römischen Provinzen der ÖAW. „Aufgrund aufgefundener Ziegelstempel interpretierte man die Baustrukturen damals als Reste eines befestigten römischen Brückenkopfes“, sagt Gugl.
Doch was genau verbirgt sich hinter einem Brückenkopfkastell? Meist auf der gegenüberliegenden Seite eines Grenzflusses errichtet, hatten sie die Aufgabe, Flussübergänge zu überwachen, die als strategisch wichtig galten. Von diesen Stützpunkten aus konnten die römischen Truppen sowohl die Passage über die Donau als auch das Umland beobachten. Besonders entlang des Donaulimes waren solche Anlagen bedeutend für die römische Grenzsicherung und die Kontrolle von Handelswegen. Die Anlage ist somit auch Teil des österreichischen Donaulimes, seit 2021 UNESCO Weltkulturerbe.
Visualisierung der Ausgrabungen beim Brückenkopfkastell in Stopfenreuth
H. Wraunek, Land NÖ
Bemerkenswert gut erhaltene Mauerstrukturen
Die Grabung in der Hainburger Au brachte bemerkenswert gut erhaltene Mauerstrukturen zum Vorschein. Besonders eindrucksvoll: Teile der Kastellmauern sind bis zu 2,65 Meter hoch erhalten. Die wissenschaftlichen Untersuchungen zeigen, dass das Kastell in zwei Bauphasen errichtet wurde. Die erste Phase datiert in die Zeit um 170/180 n. Chr., als Kaiser Mark Aurel während der Markomannenkriege die römische Grenze gegen die germanischen Stämme verstärken ließ. In einer zweiten Bauphase um das Jahr 260 n. Chr. wurde die Anlage unter Kaiser Gallienus erneuert, doch mit dem allmählichen Bedeutungsverlust Carnuntums ging auch die Truppenstärke zurück.
Gestempelte Ziegel der Legionsverbände XIV und XV, gefunden beim römischen Brückenkopfkastell
ÖAW-ÖAI
Die archäologischen Funde umfassen gestempelte Ziegel der Legionsverbände XIV und XV, Münzen, Keramik sowie einige Bronze-Kleinfunde. „Sie belegen die große strategische Bedeutung Carnuntums innerhalb des römischen Militärsystems und liefern neue Erkenntnisse über die militärische Sicherung der Nord-Süd-Verbindung“, betont Eduard Pollhammer, Archäologe und wissenschaftlicher Leiter von Carnuntum.
Einblicke in die Entwicklung der Donau
Neben den archäologischen Aspekten bietet die Grabung auch wertvolle Informationen zur Dynamik der Donau. Da historische Flussverläufe vor dem 16. Jahrhundert kaum dokumentiert sind, wurden in Zusammenarbeit mit der Universität für Bodenkultur (BOKU) und der Universität Wien Sedimentproben entnommen, um die geologische Entwicklung zu analysieren. Die Forschung zu Flussmorphologie und dem Anthropozän wird somit weiter vertieft.
Die Grabungen, die bereits 2024 und unter Berücksichtigung naturschutzrechtlicher Auflagen mit Unterstützung der Bundesforste im Nationalpark Donauauen durchgeführt wurden, sind abgeschlossen. Die wissenschaftliche Analyse der Funde ist jedoch in vollem Gange. Die Ergebnisse versprechen spannende neue Einblicke in die römische Vergangenheit Österreichs und die strategische Rolle des Donaulimes.
Meldung ÖAW