Der Stahl der Steinzeit

Bereits im Neolithikum verfügten die Menschen über ausgeklügelte Seefahrerkenntnisse, wie die Erforschung der Steingeräte an der Fundstelle Çukuriçi Höyük in Westanatolien beweist. Eine ÖAW-Studie untersucht den komplexen Weg von der Rohstoffbeschaffung bis zur Werkzeugherstellung.

Die originale Klinge aus Hornstein vom Çukuriçi Höyük, Westanatolien
Die originale Klinge aus Hornstein vom Çukuriçi Höyük, Westanatolien© ÖAW-ÖAI/M. Brandl

Im Neolithikum waren Feuersteine, Hornsteine und Obsidiane wertvolle Rohstoffe. Der „Stahl der Steinzeit“ war Ausgangspunkt für sämtliche Werkzeuge mit scharfen Kanten und prägte die Lebensweise der prähistorischen Gesellschaften. Neue Erkenntnisse zeigen, dass ein Teil der verwendeten Rohstoffe aus entfernten Gebieten stammen, mit denen man ein reges Handelsnetzwerk pflegte. „Die Menschen haben nicht isoliert in ihrem Dorf gelebt, sondern waren stark miteinander verbunden, oft über mehr als 100 Kilometer entfernt“, sagt der Archäologe Michael Brandl vom Österreichischen Archäologischen Institut der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW), der sich mit der Fundstelle Çukuriçi Höyük in Westanatolien beschäftigt hat. Seine Studie  beleuchtet, wie komplex die Strukturen gewesen sein müssen, um diese Rohmaterialien zu beschaffen.

Insel-Hopping in der Steinzeit

So hatten die Dorfbewohner bereits vor mehr als 8000 Jahren ausgeklügelte seefahrerische Fähigkeiten, um Offshore-Lagerstätten zu erreichen. Michael Brandl und sein Team verwenden eine „Multi-Layer-Methode“, um den Ursprung der Steine, die für die Werkzeugherstellung verwendet wurden, zu klären. „Eine einzige Methode ist nicht ausreichend, deshalb kombinieren wir die Untersuchung unter dem Mikroskop, um zu sehen, in welchem Milieu die Gesteine gebildet wurden, mit einer Lasermethode, bei der Spurenelemente bestimmt werden, die es erlauben, einzelne Lagerstätten zu unterscheiden”, so Brandl. Dadurch konnte in Zusammenarbeit mit der ÖAW-Steinexpertin Bogdana Milić bewiesen werden, dass Obsidian von der Kykladeninsel Melos beschafft wurde. „Wir nehmen an, dass sie mit ihren Booten Insel-Hopping betrieben haben und gute Kenntnisse hatten, die weit über die Küstengewässer hinausgegangen sind”, betont Brandl.

Prinzipiell gab es damals zwei Materialen, die verwendet wurden: organisch gebildete Horn- und Feuersteine und anorganische wie etwa Obsidiane, die durch rasch abgekühlte Vulkan-Lava entstehen.  Obsidiane brechen wie Glas, sie müssen ganz anders bearbeitet werden als Feuersteine. „Es braucht für den Obsidian eine gute Technik und weniger Kraft. Man war damals nicht nur sehr ausdifferenziert, was die Verwendung der unterschiedlichen Werkzeuge angeht, sondern auch technisch höchst versiert. Steinschmiede und Steinschläger waren Experten, die unseren heutigen Fähigkeiten um nichts nachstanden”, sagt Brandl. Man erkennt deren Kunstfertigkeit auch daran, dass an der Fundstelle Produkte unterschiedlicher Qualität gefunden wurden, wobei solche, die weitaus weniger perfekt sind, möglicherweise von Laien, Lehrlingen oder Kindern hergestellt wurden.

Meldung ÖAW

Originalpublikation:

Brandl, M., Martinez, M.M., Hauzenberger, C. et al. Unveiling Neolithic Economic Behavior: A Novel Approach to Chert Procurement at Çukuriçi Höyük, Western Anatolia. J Archaeol Method Theory32, 16 (2025). https://doi.org/10.1007/s10816-024-09681-6

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