Die dort bestatteten Menschen wiesen ungewöhnliche Bestattungspraktiken auf: abgetrennte Köpfe, seltsame Körperhaltungen, beigegebene Pferdeknochen. Eine Reihe von Faktoren bestärkte bereits damals die Forscher in ihrer Annahme, dass es sich bei den Bestatteten um professionelle Gladiatoren handelt, die nach dem Kampf in der Arena getötet wurden.
Dazu gehört auch die Bestattung eines 26- bis 35-jährigen Mannes mit Bissspuren einer Großkatze an beiden Seiten der Hüfte. Eine aktuelle Studie in PLoS ONE konnte nun endgültig nachweisen, dass die Bissspuren, wie schon damals vermutet, von einem Löwen stammen und aufgrund fehlender Heilungsspuren zum Tod des Mannes geführt haben. Dies ist der erste archäologische Nachweis eines Gladiatorenkampfes zwischen Mensch und Löwe aus römischer Zeit.
Bissspur an einem Knochenfragment vom Gladiatorenfriedhof in York
Thompson TJU, Errickson D, McDonnell C, Holst M, Caffell A, Pearce J, et al. (2025) Einzigartige osteologische Beweise für Mensch-Tier-Gladiatorenkämpfe im römischen Britannien. PLoS ONE 20(4): e0319847. https://doi.org/10.1371/journal.pone.0319847
Professor Tim Thompson von der Maynooth University in Irland sagte: „Jahrelang stützte sich unser Verständnis römischer Gladiatorenkämpfe und Tierspektakel stark auf historische Texte und künstlerische Darstellungen. Diese Entdeckung liefert den ersten direkten, physischen Beweis dafür, dass solche Ereignisse in dieser Zeit stattfanden und verändert unsere Wahrnehmung der römischen Unterhaltungskultur in der Region.“
Vergleichende Löwenbisse
Der Löwenbiss - bestätigt durch Vergleiche mit Löwenbissen aus dem Zoo - heilte nicht und war wahrscheinlich die Todesursache. Es wird vermutet, dass das Individuum nach seinem Tod enthauptet wurde, was in römischer Zeit ein Ritual gewesen zu sein scheint, aber die Gründe dafür sind unklar.
Die Analyse des Skeletts deutet darauf hin, dass es sich um einen Bestarius handelte, eine Gladiatorenrolle, die von Freiwilligen oder Sklaven gespielt wurde. Dieser Fund bestätigt die Annahme, dass Britannien trotz seiner Entfernung vom Zentrum des Imperiums ein fester Bestandteil des römischen Spektakels war, mit blutigen Kämpfen, an denen nicht nur Gladiatoren, sondern auch exotische Tiere wie Löwen teilnahmen.
York im Norden Englands wurde von der römischen Legio IX Hispania gegründet, als sie hier in der zweiten Hälfte des 1. Jhs. n. Chr. eine Festung errichtete.Die Stadt war von entscheidender Bedeutung für die Verwaltung dieses
nordwestlichen Ausläufers des Reiches. Sie kontrollierte wichtige Verkehrsrouten zu Lande und zu Wasser, über die der Handel mit anderen Teilen Britanniens und dem Kontinent abgewickelt wurde. Eboracum war der wichtigste Militärstützpunkt während der römischen Besatzung und die wichtigste zivile Siedlung im Norden Britanniens. Man vermutet, dass Eboracum bis zu
15 000 Einwohner zählte. Die Bedeutung der Stadt spiegelte sich in ihrer Architektur wider – einer beeindruckenden steinernen Festung, prächtigen Häusern, Palästen, Verwaltungsgebäuden,Thermenkomplexen, Tempeln und(noch unentdeckten) Arenen für Spiele.
Quellen:
ANTIKE WELT 5/2019
Thompson TJU, Errickson D, McDonnell C, Holst M, Caffell A, Pearce J, et al. (2025) Unique osteological evidence for human-animal gladiatorial combat in Roman Britain. PLoS ONE 20(4): e0319847. https://doi.org/10.1371/journal.pone.0319847
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