»Barbaren«: So heißt die neueste Serie auf Netflix. Eine deutsche Produktion, die sich als Aufhänger die Varusschlacht im Jahr 9 n. Chr. gewählt hat, in der ein Bündnis aus germanischen Gruppierungen drei römische Legionen vernichtend schlug. Schaut man sich im Netz nach Bewertungen um, so kann die Serie sich wohl im Genre behaupten: passable Darsteller, eine halbwegs überzeugende Story und der nötige Anteil an thrill, action und Blut, ohne den entsprechende Serien heutzutage nun einmal nicht mehr auskommen. Also, solide Unterhaltung mit zumeist monumentaler Musik hinterlegt.
Darf oder sollte man als Archäologe mehr erwarten?
Wohl kaum. Natürlich verfolgt die Serie keinen Bildungsauftrag oder erhebt den Anspruch historische Realität wiederzugeben. Damit dürfte der Inhalt und die Umsetzung vermutlich auch herzlich wenig zu tun haben. Aber zugegebenermaßen wissen sowohl Historiker als auch Archäologen immer noch wenig darüber, wie die Welt jenseits von Rhein und Donau eigentlich tickte. Gesellschaftliche Strukturen, tägliches Verhalten und Rituale lassen sich nur schemenhaft rekonstruieren und behalten zwangsläufig nur Modellcharakter; vermittelt zudem durch die römische Überlieferung und geprägt durch unsere eigenen kulturellen Vorstellungen.
Eindeutig ist, dass es in dem von den Römern als Germania bezeichneten Raum keine Zentralgewalt gab und das Versuche Macht zu konzentrieren scheiterten. Auch Arminius wird am Ende von seinen eigenen Leuten geschasst. Das Leben spielte sich in den Siedlungen ab und war durch landwirtschaftliche Tätigkeit geprägt. Wenig aufregend: Getreideanbau und Viehzucht. Nicht in dunkeln und undurchdringlichen Wäldern, sondern dort, wo der Naturraum es hergab in offenen Landschaften wurde gesiedelt. Das Sagen hatten regionale Eliten – potente Bauern, die sich Weniges aus dem Römischen für ihre eigene Repräsentation nutzbar machten. Und ja, Krieg und Krieger spielten offensichtlich eine nicht unbedeutende Rolle.
Will man mehr über das Leben in der Germania, seine Bewohner und ihre Hinterlassenschaften wissen, empfiehlt es sich das Wagnis einzugehen, sich auf lesbare wissenschaftliche Literatur einzulassen. Denn eins ist völlig klar unsere Vorstellungen sind vielfach viel zu eindimensional, zwingen die Menschen von damals in vorgeprägte Schablonen und versperren uns den Blick auf die einstige Welt.
| Michael Schmauder, LVR-LandesMuseum Bonn
Tipps zum Weiterlesen
»Germanen«
In der Vergangenheit vielfach bemüht und gnadenlos für politische Zwecke instrumentalisiert – Germanen sind kein leichtes Thema. Umso verdiestvoller ist die hartnäckige Arbeit der Archäologen: Sie füllen den Begriff auf dem Boden der wissenschaftlichen Tatsachen mit nemen Leben.
Exklusiv in der AiD 5/20