Die Deutsche Orient-Gesellschaft ist zweifellos eine ehrwürdige Institution der deutschen Altertumsforschung. 1898 in Berlin gegründet, erlebte sie ihre erste große Blütezeit unter dem Protektorat des an Archäologie, prestigeträchtigen Ausgrabungen und Museumsstücken sehr interessierten Kaisers Wilhelm II. und fördert bis heute eine Vielzahl archäologischer Projekte.
Dass schon 25 Jahre nach dem letzten Jubiläumsband zum Hundertjährigen eine neue Festschrift erscheint, mag überraschen, doch hat sich in den letzten zwei Jahrzehnten einiges getan in der Archäologie des Vorderen Orients. Eine deutliche Neuerung ist der kritische Rückblick auf die Vereinsgeschichte in der ersten Hälfte des 20. Jhs. Der Artikel zu kolonialen Verwicklungen der DOG unter Wilhelm II. von Olaf Matthes scheint allerdings Bedeutung und Ausmaß des Kulturraubs deutscher Archäologen im osmanischen Reich zu verkennen. Unbedingt lesenswert ist hingegen die ungeschönte Aufarbeitung des Zwangsausschlusses ihrer jüdischen Mitglieder durch die DOG im Jahr 1938 von Matthes und Peter Raulwing.
Der Großteil des Buches befasst sich aber mit aktuellen archäologischen Forschungen. Eine weitere Neuerung ist die Erweiterung des Forschungsgebiets auf die Länder Zentralasiens und der arabischen Halbinsel. Zu den Entdeckungen der letzten 25 Jahre, über die berichtet wird, gehören der Königspalast von Qatna ebenso wie die Erforschung der frühbronzezeitlichen Bestattungskultur im omanischen Bat, ein früheisenzeitliches Heiligtum in Ost-Georgien, neue Ausgrabungen in Ekalte und Hattuscha sowie weitere laufende und abgeschlossene Forschungsprojekte. Der Band widmet außerdem vier Kapitel den Forschungen in Assur, einem Hauptprojekt der DOG seit ihrer Frühzeit. Reich bebildert und spannend zu lesen, bietet der Band einen guten Überblick über den Stand der Deutschen Orient-Gesellschaft im Jahr 2023.